Erinnerungen von Jutta Meyer an das erste Weihnachten nach dem Krieg
Bettelarm, aber unendlich glücklich

Buchtipp: An das erste Weihnachtsfest nach dem 2. Weltkrieg erinnert das Claus Hinrich Casdorf herausgegebene Buch „Weihnachten 1945“. Foto: ps
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Von Jutta Meyer

Haßloch. Der Krieg war vorbei, wir mussten nicht mehr im Keller in einer Ecke betend sitzen und Angst haben, dass unser Haus von einer Bombe getroffen wird. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurden die Deutschen aus den Ostgebieten aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben. Wir wohnten in Danzig, auch unsere kleine Familie traf dieses Schicksal: Meine Mutter, meinen Bruder, zwölf Jahre alt und mich, zehn Jahre alt. Nach einer Odysee im Viehwagen auf engstem Raum mit anderen Vertriebene ging unser Transport gen West- und Mitteldeutschland, wir landeten wir in Dambeck, einem kleinen Dorf in der Nähe von Schwerin. Wir waren dankbar, dass nun das Grauen ein Ende hatte. Unser Domizil war ein Pferdestall, den wir mit einem alten Ehepaar aus Berlin und einer älteren Frau teilten, unser Bett war eine Strohschütte und eine Pferdedecke, mit der wir uns zudeckten. Immerhin war dieser Winter bitter kalt, stets Null-Grade. Aber wir waren trotz der Not sehr dankbar, denn nun schien Frieden im Land zu sein. Dann kam Weihnachten: Ein Fest, dass ich nie vergessen werde und das mir für mein späteres Leben ein Stück Zufriedenheit gab und gibt. Da die Russen eine Stromsperre verordnet hatten, waren Kerzen Mangelwaren. Die Bäuerin der kleinen Kate, in der wir Unterschlupf gefunden hatten, war selbst arm wie eine Kirchenmaus, doch sie gab sich Mühe, den Heiligen Abend für uns sinnvoll zu gestalten. Wir sechs Personen saßen um den Tisch in dem kleinen Wohn-Schlafzimmer. Eine Kerze stand auf dem Tisch. Das Weihnachtsgeschenk für meinen Bruder und mich bestand aus einem Apfel, mir schenkte die Bäuerin, Frau Lüß hieß sie, eine selbstangefertigte Puppe aus einen Sackstück, darauf Augen, Nase und Mund gemalt. Bevor wir unsere Geschenke an uns nahmen, sang die kleine Gruppe bekannte Weihnachtslieder und dankte Gott, dass sie die Schrecken des Krieges überlebt hatten. Im Schein der Kerze schlug Frau Lüß die Bibel auf und las die Weihnachtsgeschichte. Wir hörten gebannt zu.
Später fragte ich meine Mutter und meinen Bruder, ob dieser Weihnachtsabend für sie genauso innig und eindrucksvoll war, wie für mich. „Ja,“ sagte meine Mutter „Wir fühlten uns dem bitterarmen Geschehen im Stall von Bethlehem ganz nahe,“ meinte sie. Und so war es auch: die Stille, der Schein einer Kerze und die ruhigen, aber sehr berührenden Worte aus der Bibel. Eine solche Atmosphäre beim Weihnachtsfest, die so zu Herzen ging, habe ich nie wieder erlebt. Als ich meinen Kindern, den Enkeln und Urenkeln das Erlebte erzählte, konnten sie nicht glauben, dass ich damals glücklich und zufrieden war und dass dieses Weihnachtsfest für mich das schönste und innigste war, dass ich je erleben durfte. Ich bin natürlich dankbar und froh, dass meine Nachkommen dieses Fest in einem anderen Ambiente erleben dürfen, aber ich glaube, dass es in unserer Überflussgesellschaft nicht mehr möglich ist, diese Besinnlichkeit und Innigkeit von damals so intensiv zu erleben. In der heutigen Zeit ist es meist mit der Stille vorbei, überall , ob in Geschäften oder beim Bummel über den Weihnachtsmarkt werden die Besucher von einer Fülle von weihnachtlichen Angeboten und von musikalischen Beiträgen überschüttet und dennoch bin ich dem lieben Gott dankbar, dass er uns diese Zeiten mit Frieden und Genuss schenkt, nur sollten die Menschen dafür dankbar sein, denn in Frieden die Ankunft des Herrn erleben zu dürfen, ist ein wunderbares Geschenk. Ich wünsche Ihnen ein frohes und besinnliches Fest. jm

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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