Gutachten der Landesdenkmalpflege über Haßlocher Malereien
Kunsthistorisches Unikat

Von Markus Pacher

Haßloch.Für die Wandmalereien in der Christuskirche - das Wochenblatt berichtete mehrfach - liegt ein Gutachten von der Landesdenkmalpflege vor, das Gebietsreferentin Dr. Maria Wenzel auf Bitte von Pfarrer Dr. Friedrich Schmidt-Roscher erstellt und freundlicherweise über die Haßlocher Turminitiative der Presse zur Verfügung gestellt hat. Dr. Friedrich Schmidt-Roscher ist Mitglied des Forums Kunst und Kirche der Landeskirche und hat sich über viele Jahre mit kirchlicher Kunst und Ihrer Deutung beschäftigt. Er sieht in den Malereine eine Art von Unikat, „weil mir zumindest aus dieser Zeit keine Ornamente aus Kirchen bekannt sind“. Ähnlicher Ansicht ist Restaurator Quentin Saltzmann, der die Malereien als bedeutendes kunsthistorisches Dokument im Spannungsfeld zwischen Katholizismus und Reformation um 1600 bewertet.

Nachfolgend das Gutachten von Dr. Maria Wenzel:
Im Zentrum des Oberdorfes von Haßloch steht ortsbildprägend die barocke Christuskirche. Schon seit einiger Zeit war bekannt, dass sich unter den Tünchen der Ulrichskapelle im unteren Turmgeschoß ältere Malereien verstecken. Aber erst bei den jüngsten restauratorischen Untersuchungen wurden ornamentale Fresken entdeckt, die einen neuen Blick auf die Bau- und Kirchengeschichte werfen. Die Christuskirche in Haßloch hat eine ungewöhnliche Baugeschichte. Sie reicht auf einen mittelalterlichen Ursprungsbau zurück, von dem sich nur der Chor, die sogenannte Ulrichskapelle, als unteres Turmgeschoss erhalten hat. Das Kirchlein wurde 1559 den Reformierten überlassen, die laut Inschrift im Jahr 1700 den Turm aufbauen ließen. 1752-54 wurde ein großer neuer Saalbau angefügt, der vermutlich das alte Kirchenschiff ersetzte und nach Süden aus-gerichtet ist. Weitere Veränderungen bis ins 20. Jahrhundert folgten.
Der Chorraum besteht aus zwei Jochen mit Kreuzrippengewölben. Er wird zwar ins 14. Jahrhundert datiert, zeigt aber zahlreiche spätere Veränderungen, wie eine bauhistorische Untersuchung 2016 feststellte. So deuten die großen spitzbogigen Fenstergewände mit ihren Steinmetzzeichen auf Umbauten in der zweiten Hälfte des 15. oder im frühen 16. Jahrhundert hin. Eine weitere Zeitschicht erschloss sich durch einen Schurf im Boden, bei dem man ein Steingewände aus dem späten 16. bzw. frühen 17. Jahrhundert mit einer charakteristischen kleinen Volute (Schneckenform) und vermutlich zeitgleichen Wandmalereien fand. Weitere restauratorische Untersuchungen erweiterten den Blick auf die historische Ausmalung.

Dekorative Neugestaltung

Offenbar gab es um 1600 eine malerische Neugestaltung des Chores von hoher Qualität, die in unterschiedlich aussagekräftigen Resten erhalten ist. Sie umfasst im Wesentlichen die Rahmung der Tür- und Fensteröffnungen. Bis auf starken Schäden im Sockelbereich aufgrund von Salzbelastungen sind die in Freskotechnik ausgeführten Malereien in einem recht guten Zustand. An der Ostseite ist die Fensternische rot abgesetzt und durch eine dunklere Rollwerk-Dekoration auf den Wänden zusätzlich betont. Auf der Südseite findet sich - heute halb vom Boden verdeckt – eine architektonisch aufwändig gerahmte Öffnung mit Rollwerk in kräftigen Rot-, Gelb- und Grautönen. Im unteren Bereich der Wände war ein Sockel abgesetzt; die Gewölberippen waren in einem hellen Rot mit einem dunkleren Begleitstrich angelegt, die Schlusssteine farbig gefasst.

Inschriften entdeckt

Die reiche Gestaltung wird durch eine Inschrift auf der Ostseite ergänzt, die die Entstehungszeit weiter eingrenzt und uns gleichzeitig die Menschen von damals näher bringt: „FAUTH HANS BOHLER VALENTIUS SIGEL“ benennt die beiden Vögte (Fauth als altertümlicher Ausdruck für Vogt), die zwischen 1590 und 1613 bzw. 1619 in Haßloch lebten und möglicherweise die Stifter der Umgestaltung waren. Otto Frank berichtet in seiner Allgemeinen Beschreibung des gesamten Kirchenwesens in der protestantischen Pfarrei zu Haßloch von 1953, dass Anfang des 17. Jahrhunderts die zu klein gewordene Ulrichkapelle zur Kirche erweitert und die Arbeiten im Jahre 1607 abgeschlossen worden seien. Dies würde bedeuten, dass mit der Umgestaltung auch eine dekorative Neugestaltung erfolgte, die vermutlich auch den nicht mehr bestehenden Kirchensaal umfasste. Im Zusammenhang mit dem Bau von Turm und Kirchenschiffe 1700 und ab 1752 zeigt sich über die Jahrhunderte eine stetige Vergrößerung des Kirchenbaus, die vermutlich mit einer wachsenden Gemeinde verbunden war. Architektonisch lehnte man sich Mitte des 18. Jahrhunderts an die nur zwanzig Jahre jüngere lutherische Kirche in Haßloch an, was besonders an der Giebelfront mit Portal, Rundbogenfenstern und Okuli deutlich wird – ein weiterer Beleg für die engen regionalen Verflechtungen
der Kirchenarchitektur in der Pfalz.
Gerade weil Kirchenausmalungen aus der Spätrenaissance nicht allzu häufig erhalten sind, ist der Befund von Haßloch besonders erfreulich. Die Epoche der großen figürlichen Kirchenausmalungen war mit dem ausgehenden Mittelalter in dieser Region zu Ende gegangen - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der großen religiösen Umwälzungen. In einer kurzen Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg finden sich jedoch wiederholt Zeugnisse für architektonisch ornamentale Ausmalungen. Ein gutes Beispiel dafür ist Großkarlbach, wo die reformierte Kirche 1609-10 neu errichtet wurde. Hier sind die Fensterrahmungen aus Pilastern mit Beschlag- und Rollwerk architektonisch-ornamental betont und werden ergänzt durch Quadermalereien in den Ecken. Hinzu kommen Bibelsprüche im Chor von 1618; sie zeigen, dass Wandinschriften in dieser Zeit durchaus geläufig waren. In ähnlicher Weise bestätigt dies die 1597 datierte Ausmalung von Chor und Chorbogen der evangelischen Kirche Worms-Heppenheim mit Inschrift und Malerei.
In der Profanarchitektur gibt es vergleichbare Dekorationsformen, z. B. an Außenfassaden. Davon zeugen die Reste einer Fenstereinfassung am bischöflichen Schloss in Dirmstein aus der Zeit um 1600. Bereits 1566 wurden die Fenster am Zehnthof von Eisenberg mit einer Rahmung und Volutenprofilen illusionistisch geschmückt. Vermutlich haben die in dieser Zeit verbreiteten Musterbücher bei der Ausarbeitung der Motive eine Rolle gespielt.
Man darf sicher sein, dass es im profanen wie sakralen Bereich noch weitere Vergleichsbeispiele
gab, die aber die Zeitläufe aus den unterschiedlichsten Gründen nicht überstanden haben. Umso wertvoller ist der wenn auch fragmentarische Befund in Haßloch einzustufen.
Dass er überhaupt entdeckt wurde, hängt mit den Bemühungen der Turminitiative Haßloch zusammen, die die ehemalige Ulrichskapelle wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzen
möchte. Der Fußboden war in den 1960er Jahren für eine veränderte Nutzung aufgefüllt worden und soll nun wieder auf sein ursprüngliches Niveau gebracht werden. Viele Dinge sind dafür zu beachten: Die Tieferlegung muss archäologisch, bauhistorisch und restauratorisch begleitet werden. Türen und Fußböden müssen neu angepasst und behindertengerecht gestaltet werden. Vor allem aber müssen alle heute sichtbaren Oberflächen von der sperrenden Dispersionsfarbe befreit werden. Ein restauratorisches Konzept mit Musterflächen bis hin zur Freilegung der Malereien liegt bereits vor. Auf weitere Überraschungen darf man jedoch gefasst sein, denn noch ist nicht klar, in welchem Zustand sich die Putzoberflächen mit vermuteten Malereiresten unter der heutigen Oberfläche erhalten haben. Es bleibt also spannend.

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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