Die Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundertjubiläum
Mannheim. Mit „Die Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundertjubiläum“ blickt die Kunsthalle Mannheim ab Freitag, 22. November, auf die unzweifelhaft bekannteste wie auch bedeutendste Ausstellung in ihrer über 100-jährigen Geschichte zurück.
Eine ganze Epoche mit einem einzelnen Begriff zu prägen, gelingt nur äußerst selten. Gustav F. Hartlaub (1864 –1963), der zweite Direktor der Kunsthalle Mannheim, gab mit der von ihm 1925 kuratierten Schau „Die Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus“ einer ganzen Strömung innerhalb der Malerei des 20. Jahrhunderts einen prägnanten, bis heute weltweit verwendeten Namen. Weit über diese kunsthistorische Bedeutung hinaus ist der Begriff zum Synonym für den kulturellen Aufbruch der 1920er-Jahre und die in Malerei und Grafik, aber auch in Architektur, Design, Fotografie oder Literatur zu beobachtende Rationalität und sachliche Präzision geworden.
100 Jahre Neue Sachlichkeit
Die große Jubiläumsausstellung, kuratiert von Inge Herold, gliedert sich in verschiedene Themenbereiche, bei denen das damalige Ausstellungskonzept hinterfragt und auch kritisch ergänzt wird. Gleichzeitig wird das politische Klima des aufkommenden Nationalsozialismus thematisiert.
Mehr als 230 Arbeiten von 124 Künstler nationaler und internationaler Leihgeber sowie aus der eigenen Sammlung werden zu sehen sein.
Dabei stehen Themen wie das Zeitgeschehen, der Alltag der Menschen, die Industrialisierung, eine neue Mobilität, das Menschenbild und die neue Rolle der Frau sowie Stillleben und Landschaften im Mittelpunkt.
Auch wenn es zur historischen Ausstellung keine fotografischen Raumaufnahmen gibt, lassen sich mittlerweile 112 der damals 132 gezeigten Arbeiten anhand von Fotos belegen und geben erstmals derartig umfangreich Aufschluss über das Konzept. Eine Auswahl damals in Mannheim zu sehender Werke aus den Beständen der Kunsthalle sowie als Leihgaben anderer Museen werden Teil der Ausstellung sein und einen Querschnitt durch die historische Schau bieten. Der Blick in die Ausstellung von 1925 erfolgt aber vor allem in digitaler Form: In einer immersiven multimedialen Raumprojektion werden die damals gezeigten Werke, aber auch die Lücken und Verluste visuell erlebbar.
Kritische Revision
In die Jubiläumsschau wird nun auch das einbezogen, was Hartlaub vor 100 Jahren nicht wahrgenommen oder auch ausgeschlossen hat. So war 1925 keine einzige Künstlerin vertreten. Dies lag einerseits daran, dass Frauen im damaligen Kunstbetrieb benachteiligt waren; andererseits befand sich das Werk einiger neusachlich malender Künstlerinnen um 1925 erst in der Entwicklungsphase und entging so Hartlaubs Aufmerksamkeit. Er verzichtete, vermutlich aus organisatorischen Gründen, mit ganz wenigen Ausnahmen bewusst auf einen Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus, wenngleich die Hinwendung zu einer gegenständlichen Formensprache kein auf Deutschland beschränktes Phänomen war. Um dies beispielhaft zu zeigen, werden in der Ausstellung auch Werke internationaler Künstler präsentiert.
Das Ende der Neuen Sachlichkeit
Auch wenn sich schon Mitte der 1920er-Jahre abzeichnete, dass die neusachliche Bildsprache immer stärker in einen neuromantischen, rückwärtsgewandten Stil überging, bedeutete die Machtergreifung der Nationalsozialisten eine Zäsur, die die Kunst, aber auch das Schicksal der Künstler nachhaltig und oft dramatisch beeinflusste.
Dies wird anhand ausgewählter Beispiele nachzuvollziehen sein. Gezeigt werden Arbeiten von Max Beckmann, Kate Diehn-Bitt, Otto Dix, Dodo, George Grosz, Edward Hopper, Hannah Höch, Karl Hubbuch, Alexander Kanoldt, Lotte Laserstein, Jeanne Mammen, Georgia O’Keeffe, Felix Nussbaum, Pablo Picasso, Anita Rée, Christian Schad, Rudolf Schlichter, Georg Scholz, Georg Schrimpf und viele mehr.
Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog im Deutschen Kunstverlag, herausgegeben von Inge Herold und Johan Holten. Der Katalog enthält neben Abbildungen aller ausgestellten Werke auch Texte über die in der Schau behandelten Themenbereiche sowie über den aktuellen Forschungsstand zu zentralen Fragen der Ausstellung von 1925 und der Neuen Sachlichkeit.
Kooperationen und Rahmenprogramm
Die Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundertjubiläum“ in der Kunsthalle Mannheim als Ausgangspunkt nehmend, bieten zahlreiche Mannheimer Institutionen unter dem Motto „Die 1920er-Jahre in Mannheim“ bis zum Sonntag, 9. März 2025, Veranstaltungen an, die sich mit den 1920er-Jahren auseinandersetzen. Die Bandbreite reicht vonAusstellungen, Konzerten und Lesungen über Theater, Oper, Film, Führungen, Vorträge und Symposien bis hin zu Partys.
Das gesamte Programm von „Die 1920er-Jahre in Mannheim“ ist unter www.1920er.art zu finden. hät/red
Autor:Kristin Hätterich aus Mannheim |
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