Vom Dilsberg zum FC Bayern: Rainer Ohlhauser (79) gehörte zu den „aktiven Gründern“ der erfolgreichen Bayern-Story
„Bin mit der Straßenbahn zum Training gefahren“
von Peter Engelhardt
Fußball. Er gehörte zu den Torschützen im DFB-Finale 1966 in Frankfurt gegen den MSV Duisburg (Endstand 4:2) und auch als die Bayern im Jahr darauf diesen Pokalsieg wiederholten (4:0 gegen den Hamburger SV) erzielte er ein wichtiges Tor. Rainer Ohlhauser, geboren auf dem Dilsberg unweit von Heidelberg, gehörte in den 60er Jahren zu den großen Stützen des FC Bayern München.
1961 kam er über den SV Sandhausen zum heutigen Rekordmeister und sorgte bereits in den ersten Jahren bis 1964 für Tore am Fließband. Er gehörte zu den Torjägern der Regionalliga Süd, da sprach noch niemand von seinem späteren Sturmpartner Gerd Müller.
Dreißig Mal holten die Bayern insgesamt die Deutsche Meisterschaft und mit 25 Finalsiegen machten sie auch das DFB-Pokalfinale zu ihrem Wettbewerb. Ein Blick zurück in die 120-jährige Vereinsgeschichte führt jedoch deutlich vor Augen, dass die Ausnahmestellung von heute ihren Anfang in den sechziger Jahren nahm. Zwischen 1963 bis 1969 schickte sich eine junge Bayern-Mannschaft an, unbekümmert und erfolgreich die Bundesliga zu stürmen. Diese Truppe unter dem legendären Trainer Zlatko „Tschik“ Cajkovski legte den Grundstein für all die nachfolgenden überragenden Jahrzehnte.
Neben den beiden Pokalsiegen 1966 und 1967, holten sie 1969 das erste Double (Meisterschaft und Pokal) und last but not least 1967 in einem unvergessenen Europapokal-Finale in Nürnberg gegen die Glasgow Rangers (1:0) ihren ersten internationalen Titel. Franz „Bulle“ Roth sorgte in der Verlängerung für den entscheidenden und vielumjubelten Siegestreffer. Geprägt von der späteren Weltklasse-Dreierachse Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller gehörten Spieler wie Werner Olk, Peter Grosser, Dieter Brenninger und Rainer Ohlhauser zu den Erfolgsgaranten dieser bajuwarischen Himmelsstürmer. Gerade Letzterer bildete gemeinsam mit dem späteren „Bomber der Nation“, Gerd Müller, ein brandgefährliches Stürmerduo. Wie kam der Nordbadener Ohlhauser damals zu den Bayern, damals eigentlich die Nummer zwei hinter dem Lokalrivalen 1860. Rainer Ohlhauser erinnert sich: „Helmut Schneider, Meistertrainer von Borussia Dortmund in den Jahren 1956 und 1957, lebte Ende der 50er Jahre in Mannheim. Da ich mit Sandhausen oft in Mannheim war und gegen Vereine wie Ilvesheim, Sandhofen oder Feudenheim spielte, hat mich Schneider Anfang 1960 gefragt, ob ich zu den Bayern kommen wolle. Diese einmalige Chance habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen.“ Schneider wurde Ohlhausers erster Trainer bei den Bajuwaren und die Bayern spielten damals noch in der Oberliga Süd. Nach zwei dritten Plätzen kam 1963 Zlatko „Tschik“ Cajkovski nach München. Mit dem legendären Kroaten als Trainer begann in München eine Ära. „Ein Trainer wie Tschik das würde heute nicht mehr funktionieren. Damals war er genau der richtige für uns. Er ließ uns spielen, wir konnten uns austoben und hatten Zeit zu reifen. Es war gut, dass wir nicht gleich im ersten Jahr in die Bundesliga aufgestiegen sind, auch wenn unser Ehrgeiz groß war“, blickt Ohlhauser zurück.
Seinen Spitznamen „Oki“ bekam er im übrigen auch von Cajkovski verpasst, weil der Ohlhauser nicht aussprechen konnte. Dem Aufstieg in die Bundesliga folgten zwei DFB-Pokalsiege und als Höhepunkt 1967 der Sieg im Europacup-Finale gegen die Glasgow Rangers (1:0 in der Verlängerung). Auf Cajkovski folgte Branco Zebec. Die „ausgelassene Jugendzeit“ der jungen wilden Bayern ging zu Ende. Branco Zebec war von ganz anderem Kaliber. Zebec war Ordnungs- und Taktikfanatiker und ließ die Jungs ganz schön schwitzen. „Über das Training von Branco haben wir ganz schön geflucht, der hat uns gescheucht, das waren wir überhaupt nicht gewohnt“, aber so, blickt Rainer Ohlhauser zurück, „holten wir gleich in seiner ersten Saison unseren ersten Meistertitel und gewannen auch den Pokal. Branco war ein Schleifer, aber wir waren topfit wie nie.“ Wie war es denn um die Gehälter bestellt? Gehörte man zur Ihrer Anfangszeit beim FC Bayern schon zu den Großverdienern?
„Eher nicht. Mein Anfangsgehalt betrug 200 Mark, bei einem Sieg gab es noch 50 Mark obendrauf. Ich habe in München in den ersten Jahren als Stahlbauschlosser noch Vollzeit gearbeitet. Bis vier Uhr, um fünf Uhr war Training an der Säbener Straße. Die sah aber etwas anders aus als heute. Das war ein Bezirkssportplatz mit einem kleinen Schuppen als Umkleidekabine.“
Während heutzutage bei Vertragsverhandlungen um dreistellige Millionenbeträge gefeilscht wird, fuhr Rainer Ohlhauser mit der Sporttasche in der Hand in den Anfangsjahren per Straßenbahn zum Training: „Stellen Sie sich mal vor, Kimmich oder Neuer würden mit der Straßenbahn zum Training fahren? Mich hat ja damals kaum einer erkannt.“
Wie war es denn in all den Jahren mit der berühmten Kameradschaft? „Wir waren alle jung, hatten Ehrgeiz und große Ziele. Wir haben uns schon gut verstanden, da gab es keinen Neid untereinander. Mein Zimmerkollege war in all den Jahren Sepp Maier, da hatten wir immer viel Spaß. Der Sepp hat immer für viel Frohsinn gesorgt.“ Während es der Maier Sepp auf 95 Länderspiele brachte, reichte es für „Oki“ Ohlhauser nur zu einer Berufung. Im Dezember 1968 machte er bei der 1:2-Niederlage gegen Chile sein einziges Länderspiel. Wenn der einstige Torjäger (64 Tore in 160 Bundesligaspielen) den Fußball von damals mit heute vergleicht - was fällt ihm da am meisten auf? „Heute ist natürlich vieles besser, es hat sich alles weiterentwickelt. Die Trainingsmethoden, die medizinische Betreuung, die technische Ausbildung der Spieler. Früher konnten nur wenige Spieler wie Netzer, Overath oder Grosser lange Pässe schlagen, heute wird ja jeder Jugendliche optimal ausgebildet.“ Nach seiner Zeit bei den Bayern folgte noch ein dreijähriges Gastspiel beim damaligen Schweizer Nationalligisten Grashoppers Zürich ehe Rainer Ohlhauser dann selbst ins Trainergeschäft wechselte. Als Co-Trainer fungierend lernte er unter der Trainerlegende Ernst Happel noch vieles dazu über den modernen Fußball. Der „Grantler aus Wien“ war eine Koryphäe auf seinem Gebiet. „ Er hat nie viel geredet, aber ich bin gut mit ihm ausgekommen.“ Und wie sieht er seine Bayern heute?
„Das Team von heute ist bärenstark, gar keine Frage. Der Gewinn des Triples ist der beste Beweis.“ Und wie oft ist er noch in der Allianz-Arena? „ Ab und zu treffe ich mich noch mit ehemaligen Spielern wie Peter Grosser, Adi Kunstwadl oder Mucki Brenninger. Aber meistens gehe ich eher nach Sandhausen oder zu meinem Heimatverein FC Dilsberg. Da bin ich Dauergast, da kenn ich jeden.“ Rainer Ohlhauser war torgefährlich, laufstark und schnell. Und vor allem immer bodenständig. (pete)
Autor:Peter Engelhardt aus Mannheim |
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