Der Untergang eines Dorfes
Die Wüstung Volloch
von Rolf Übel
Annweiler. Wüstungen sind Orte, die oft in Sagen, mitunter auch in Märchen weiterleben. Viele schaurige Geschichten ranken sich um die Geisterdörfer. Auch für die Wüstung Volloch rankt sich eine solche Geschichte. Der Untergang dieses Dorfes hat sich in den Sagen der Pfalz erhalten. So schreibt Victor Carl in seinem Sagenbuch: „,Und wenn es schüttet wie aus Kübeln, wir wollen tanzen!’, so sagten sich die Paare auf dem Tanzboden im Dorfe Volloch zwischen Waldrohrbach und Völkersweiler. Ein schweres Wetter war nämlich im Anzug. Nur eine einzige Frau holte ihre Tochter, und die beteten am Rande des Dörfchens im letzten Haus. Das Gewitter entlud sich genau über dem Ort, und die Wassermassen spülten alles hinweg und nahmen auch die Spötter auf dem Tanzboden mit. Die einzigen Überlebenden waren die Frau und ihre Tochter. Einst kehrte in dunkler Nacht ein Wirt mit seinem Fuhrwerk von der Haardt zurück in sein Dorf. Da musste er am ,Bieder Hoch’ anhalten, weil vor ihm eine Prozession ihres Weges zog. Es waren die Vollocher, die für ihr Seelenheil beteten. Schon lange sah man die Gespensterprozession nicht mehr, so dass anzunehmen ist, dass der Frevel gebüßt ist“.
Der Volksmund hat über die Ereignisse eine noch genauere Schilderung: „In der Dorfschänke war Tanzmusik. Die Ernte hatte man gut eingebracht, die Hitze des Tages sorgte dafür, dass ziemlich viel dem Wein und dem Bier zugesprochen wurde. In dieser feuchtfröhlichen Stimmung bemerkte man nichts von dem aufziehenden Gewitter. Dunkle Wolken hatten sich über dem Tale zusammengeballt. Den Musikanten wurde es Angst, und sie wollten mit dem Spielen aufhören. Aber die Leute schrieen: ,Und wenn die Sterne vom Himmel fallen, so wird weitergetanzt’. Da öffneten schwarze Wolken ihre Schleusen, und stundenlang strömte ein solch starker Regen, dass das ganze Dorf weggeschwemmt wurde. Dieser Sintflut fielen fast alle Einwohner zum Opfer. Nur eine arme Witwe hatte ihre zwei Kinder von der Musik geholt und betete mit ihnen in ihrem kleinen Häuschen, das von der Katastrophe verschont blieb. Dort, wo der Mutterbrunnen steht, soll ihr Häuschen gestanden haben. Heute noch, so erzählt man sich, pilgern Bewohner des untergegangenen Dörfchens nachts zwischen 12 und 1 Uhr zur Strafe über die Biederhöhe nach der Waldrohrbacher Straße und nach den Klosteräckern. Vor ungefähr hundert Jahren sei sogar noch folgendes passiert: Ein Landwirt war mit dem Fuhrwerk auf dem Lande gewesen und hatte sich verspätet. Er sei gerade dazugekommen, als die Prozession über die Rohrbacher Straße ging, und er musste warten, bis der Zug vorüber war. Vor Schrecken konnte er drei Tage kein Wort reden.“
Was hat es mit dem nebulösen Volloch auf sich? Schon bei der Benennung des Ortes gibt es Probleme: Heute wird er zumeist als Volloch gesprochen, zumindest im Volksmund. Die Quellen und die Literatur kennen aber unterschiedliche Benennungen: Vohenloch (1404), Fohenloch (1414), Volach (1571), Pfuloch (1576), Volacher Marck (1597), Vohlach (1591) bis hin zu Steinvolach (1600) und Vollach (1747). Häberle nennt den Ort Forlach. Eine Übertragung des Namens des Ortes lautet „Fuchsloch“.
Er ist eine Wüstung, erhalten hat sich von diesem Dorf nichts mehr, sieht man von den wenigen Resten ab, die die Archäologen fanden. Aber was stand früher dort, wo heute nur noch der Gewannenname an das untergegangene Dorf erinnert? Handelte es sich überhaupt um ein Dorf? Diese Frage stellte sich auch schon Ernst Christmann in den 1960er Jahren. Er schrieb: „1664 zählt ein Falkenburger Vogteirechnung im Stadtarchiv Annweiler nebeneinander folgende Ortschaften auf: Greuenhaußen (Gräfenhausen), Wernersberg, Luhe (Lug), Foloch und Hawstein (Hauenstein). Hier erscheint unsere Siedlung im Kreise von lauter Dörfern. War sie auch eines?“
Und schon hier muss eingehakt werden, denn die Nennung des Ortes bezieht sich nur auf die Falkenburger Leibeigenen: Hans, Margaretha und Agatha Funk. 1668 finden wir allerdings einen interessanten Nachsatz: „Von obgemeldten personen ist nichts in erfahrung zu bringen, derowegen man nit wissen kann, ob jemandt von denselben noch bey leben oder nit“. Dies muss nicht bedeuten, dass der Ort unbewohnt war, aber kann als Hinweis zumindest auf Bevölkerungsverluste im Dreißigjährigen Krieg gewertet werden.
Im 17. Jahrhundert war Volloch also möglicherweise zeitweise unbewohnt. Der Ort wurde 1404 erstmalig genannt, und zwar als „Vohenloch“.
1570 wurde für Volloch nur ein Haus erwähnt. Zuvor, im Jahre 1599, handelte es sich eindeutig um eine Dorfschaft; es hatte sogar ein eigenes Hubgericht – wie Gossersweiler und Völkersweiler. In jedem Fall gehörte Volloch zum „Gediegen Gossersweiler“ zusammen mit Gossersweiler, Völkersweiler, Silz und Stein. Es ist auch auf einer Karte dieser Verwaltungseinheit eingezeichnet. Es gehörte aber nicht zu Völkersweiler, war niemals Bestandteil dieses Dorfes, sondern bis zum seinem Ende ein eigenständiges Gemeinwesen. 1705 findet sich in einer Quelle der Satz: „Das sechste Dorf als Vollach ist vollig abgegangen“. Vielleicht bestand noch ein Hof weiter, auf den es um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch Hinweise gibt, aber die Gemarkung des Ortes fiel spätestens im 19. Jahrhundert an Völkersweiler.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Volloch ein dörfliches Gemeinwesen war, das über 300 Jahre nachgewiesen ist. Es ging nicht, wie für viele andere Wüstungen zu konstatieren, in der Nachbargemeinde, also in Völkersweiler auf. Eine Abwanderung der Bewohner nach Völkersweiler liegt hingegen nahe. Und selbst das Körnchen Wahrheit in der Sage vom Untergang des Ortes könnte gefunden werden: Die ungünstige Lage des Ortes macht die Zerstörung der verbliebenen Häuser im 18. Jh. infolge eines Unwetters durchaus nachvollziehbar. Aber – die genauen Umstände der Zerstörung des Ortes sind unbekannt.
Autor:Britta Bender aus Annweiler |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.