Verschwundene Ortschaften und „Geisterdörfer“
Wüstungen in der Südpfalz

Die Skulptur von Karlheinz Zwick auf dem Mettenbacher Hof erinnert an das Dorf Gräfenhausen, das zuerst hier gestanden haben soll   | Foto: Zwick
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  • Die Skulptur von Karlheinz Zwick auf dem Mettenbacher Hof erinnert an das Dorf Gräfenhausen, das zuerst hier gestanden haben soll
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von Rolf Übel
Südpfalz.Haben Sie schon einmal von Bernsbach, Wilre, Frauenhusen, Modenbach, Haarwerden, Huorungshusen, Steinbach, Hafthal oder Servelingen gehört? Nein! Es handelt sich um Dorfnamen! Aber suchen Sie die Orte bitte nicht über google-maps oder auf modernen Landkarten der Südpfalz. Sie werden die Dörfer nicht mehr finden. Denn sie existieren seit längerer oder kürzerer Zeit nicht mehr.
Gut, manchmal gibt es noch Hinweise im Schrifttum. Oder auf alten Landkarten sind sie noch verzeichnet. So findet sich die Wüstung Weyer bei Niederhorbach nur in einem Kartenband aus dem 18. Jahrhundert, der im Verbandsgemeindearchiv Bad Bergzabern verwahrt wird.
Ab und zu haben sich auch die Archäologen mit ihnen beschäftigt. Aber zumeist sind sie aus der Geschichte und aus der Erinnerung verschwunden. Oft ist gar ihr ehemaliger Standort unbekannt.
Gemeint sind die „Wüstungen“, die verschwundenen Dörfern, von denen es in der Pfalz, wie auch in anderen Regionen in Deutschland, eine große Menge gibt: Fast 450 solcher verschwundenen Dörfer, Weiler oder auch Höfe finden sich auf dem Gebiet der Pfalz, über 30 in der Südpfalz. Bundesweit geht man von bis zu 40 000 Wüstungen aus.
Die Historiker „finden“ aber immer noch neue Wüstungen: Teilweise deuten bislang unbekannte Schriftquellen auf die Existenz eines ehemaligen Dorfes hin.
Ein aktuelles Beispiel: Im Heimatjahrbuch des Landkreises Südliche Weinstraße 2023 hat Frank Wittkowki einen Beitrag geschrieben mit dem Titel: „Das angebliche ,Dorf’ Guttenberg oder die Hofstatt zu Guttenberg!“ Anhand von Karten und historischen Quellen geht er den Fragen nach Standort und Funktion dieser unter der Burg Guttenburg unweit von Oberotterbach gelegenen Siedlung nach, deren genauer Standort aber weder historisch noch archäologisch nachgewiesen werden konnte, deren Existenz aber über Quellen hinlänglich belegt ist. Die Forschung nach untergegangenen Dörfern in den Schriftquellen wird also immer noch betrieben.
Aber auch durch die Methoden der Luftbildarchäologie und zurzeit durch den Oberflächenscan Lidar werden diese ehemaligen Ansiedlungen gesucht.
In der Literatur findet man sie unter verschiedenen Bezeichnungen: Verschwundene Ort, wüst gefallene Dörfer bis hin zu „Geisterdorf“ – in der Wissenschaft hat sich aber der Begriff „Wüstung“ etabliert, und die Wüstungsforschung ist eine eigene Disziplin der historischen Landeskunde.
Man spricht auch von verschiedenen Arten von Wüstungen, für die es auch in unserem Raum Beispiele gibt: Grundsätzlich gilt die Unterscheidung in Dorfwüstung und Flurwüstung. Dorfwüstungen sind dadurch definiert, dass sich auf dem Gelände Häuser und Nebengebäude befanden. Hierbei handelt es sich um die meisten Wüstungen. Flurwüstungen sind ehemals genutzte, später aber aufgelassene landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Auch spricht man von einer temporären Wüstung als einem Dorf, das verlassen wurde, später wieder besiedelt wurde, und von einer permanenten Wüstung, die nicht wieder bewohnt wurde.
Die wohl älteste Wüstung in unserem Bereich ist Huorungshusen, eine Wüstung, die man aufgrund einer Schriftquelle von 828 in die Nähe von Rinnthal verorten kann. Genauer an der Einmündung des Dingenthals in das Queichtal östlich von Rinnthal. Von diesem Ort gibt es keine spätere Nachricht. Rinnthal wurde 1163 zum ersten Mal erwähnt. Beide Ort bestanden wohl nicht zeitgleich. Man kann auch nicht sagen, warum Huorungshusen verschwand.
Allerdings wird über die Gründe des „Wüstfallens“ von Dörfern viel spekuliert. Während des mittelalterlichen Landausbaus im Hohen Mittelalter entstanden viele Dörfer, viele waren auch sogenannte Fehlsiedlungen die wieder aufgelassen wurden, weil der Boden die Bewohner nicht ernährte. Durch die hohen Geburtenraten wuchs die Bevölkerung im Hochmittelalter. Und durch die hochmittelalterliche Warmzeit wurden Landstriche unter den Pflug genommen, die sich hierfür kaum eigneten. Und die dann bei der Klimaverschlechterung des ausgehenden Mittelalters wieder aufgegeben werden mussten. Vor allem im 15. Jahrhundert trug auch die Kleine Eiszeit ihren Teil dazu bei, dass Dörfer aufgelassen wurden.
Ein weiterer Grund konnte auch das „Bauernlegen“ im Zuge von Klostergründungen sein. So wurde vielleicht schon der Ort Ußersthal, das heutige Eußerthal, im 12. Jahrhundert entvölkert, als sich die Zisterzienser im Tal in der Nähe des Dorfes ansiedelten. Vor 1147, dem Gründungsdatum des Klosters, gab es also im Tal schon ein Dorf mit Kirche, das allerdings verschwand. Der heutige Ort Eußerthal entstand erst im 16. Jahrhundert um das Zisterzienser-Kloster.
Das Dorf Geilweiler wurde von demselben Kloster in den Geilweiler Hof umgewandelt und von Eußerthal aus direkt bewirtschaftet; und um eine Flurwüstung handelt es sich beim Vogelstocker Hof bei Eußerthal, dessen ausgedehnte Nutzfläche heute nicht mehr zu erkennen ist. Auch im Zuge des Ausbaus des Klosters Eußerthal verschwand das Dorf Steinbach bei Dernbach, das wohl in dem Bergwieser Hof des Klosters weiterlebte. Das Dorf ist sogar in einer Karte von 1560 noch eingezeichnet: Zwar mit falschem Namen (Heimbach) und auch an falscher Stelle, aber es gibt hier einen seltenen kartographischen Hinweis.
Und die im Hochmittelalter in großer Zahl gegründeten Städte konnten eine Sogwirkung auf das Umland entwickeln: Servelingen, Eutzingen, Oberbornheim und Mühlhausen gingen im Spätmittelalter in Landau auf, an sie erinnern heute nur noch Gedenksteine.
Auch das Fehdewesen des ausgehenden Mittelalters tat seinen Teil: So sollen die Orte Mundorf, Haarwerden, Neurod und Frauenthal bei Oberotterbach und Schweigen-Rechtenbach im Zuge von Fehden im 14. und 15. Jahrhundert zerstört worden sein.
Nur für Neurod gibt es noch jüngere Belege, die auf eine spätere Wiederbesiedlung hinweisen. Der Ort ging erst im 19. Jahrhundert endgültig ein.
Viele Ort verschwanden im 30-jährigen Krieg, auch die alte Siedlung Modenbach, unterhalb der Meistersel im Modenbacher Tal gelegen. Dieses Dorf, zu dem später eine Kirche und eine Burg gehörten, lässt sich archäologisch schon in das Frühe Mittelalter datieren. Dorf, Kirche und Burg wurden im 30-jährigen Krieg zerstört. Zurück blieb der Modenbacher Hof.
Das gleiche Schicksal traf auch die Dörfer Mettenbach und Rodenbach bei Annweiler. Sie werden im Hochmittelalter als Dörfer erwähnt, wurden im 30-jährigen Krieg aufgelassen und später als Höfe neu belebt. Auch der Haftelhof bei Schweighofen steht dort, wo sich 1468 Haffthal mit seiner Kapelle befand.
Auch der Ort Gräfenhausen soll im Hochmittelalter, der Ortstradition folgend, früher weiter im Süden gelegen haben. Erst nach einer Zerstörung im 30-jährigen soll er an seinem heutigen Standort zwischen Adelberg und Höllenberg wieder aufgebaut worden sein. Belege hierfür gibt es nicht.
Allerdings gibt es die Annahme, dass Dörfer durchaus „wandern“ konnten. Dies konnte eine Reaktion auf das Auslaugen des Bodens sein, nicht unbedingt eine Kriegsfolge. An dem vermuteten Standort von Alt-Gräfenhausen wurde eine Karlheinz Zwick geschaffene Plastik und eine Informationstafel aufgestellt.
Für Oberotterbach wird angenommen, dass es einen otterbachabwärts gelegenen Vorgänger hatte. Auch Sunken-Dierbach soll eine Vorgängersiedlung des heutigen Dierbach sein. Andere Autoren halten es für einen Vorläufer des Deutschhofs.
Es gibt auch Beispiele dafür, dass von Dörfern nur noch die Mühlen überlebten: So bei dem 1235 erwähnten Ort Bernsbach bei Annweiler und bei dem Dorf Kindingen bei Siebeldingen. Hier erinnern die Bernbacher Mühle und die Kindinger Mühle an diese Dörfer.
Eine zeitweise Auflassung eines Siedlungsortes nennt man „temporäre Wüstung“. Im Dreißigjährigen Krieg gab es einige Beispiele: So waren Bindersbach, Waldhambach, Münchweiler am Klingbach, Ramberg und Dernbach 1648 unbewohnt. Da die Menschen aber wieder zurückkehrten respektive sich neue Bewohner ansiedelten, finden sich diese Dörfer nicht im Wüstungsregister, sie lebten fort. Im 19. Jahrhundert ging der Ort Kolchenbach in Siebeldingen auf. Zusammenlegungen von Orten führten auch zu Namensänderungen oder dem Verschwinden eines der Ortsnamen. An Kolchenbach erinnert noch ein Straßennamen.
Im selben Jahrhundert löste die bayerische Regierung auch Orte und Höfe zwangsweise auf. Ein bekanntes Beispiel ist der Geißkopfer Hof nord-westlich von Edenkoben. Möglicherweise handelt es sich hier um ein älteres Dorf, dass im 19. Jahrhundert nur noch als größeres Gehöft bestand. Dieses wurde zwangsweise aufgelassen und die Bewohner umgesiedelt, zumeist in das Elmsteiner Tal. Wenige Gebäudereste erinnern heute noch an diesen Hof.
Diese Übersicht hat nicht den Anspruch, alle Wüstungen in den Verbandsgemeinden Annweiler und Bad Bergzabern aufzulisten.
Dieser Überblick ist die Einleitung für die exemplarische Vorstellung zweier Wüstungen in den kommenden Wochen hier im Wochenblatt: Weyher bei Niederhorbach und Volloch bei Völkersweiler.
An diesen werden Methoden und Ergebnisse der Wüstungsforschung aufgezeigt, aber auch auf die Bedeutung dieser versunkenen Orte in den Sagen eingegangen.

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Autor:

Britta Bender aus Annweiler

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