Von Autos bis zum Arbeitszimmer
Bei Wohnprojekt Froh2Wo teilen sich 74 Menschen so gut wie alles
Von Cynthia Schröer
Bad Dürkheim.Sie teilen sich das Auto, die Waschmaschine, den Hobbykeller, die Speisekammer, das Arbeitszimmer und vieles mehr. Die Rede ist allerdings nicht von einem Pärchen, einer Familie oder einer kleinen Wohngemeinschaft, sondern von 74 Menschen, die in vier Häusern leben. Das Wohnprojekt Froh2Wo auf dem Neubaugebiet „Fronhof II“ in Bad Dürkheim macht’s möglich.
Die Bewohner der 41 Wohnungen bilden einen bunten Querschnitt durch die Gesellschaft: Hier leben Singles, Paare, Familien mit Kindern und Alleinerziehende. Sie sind zwischen zwei und 85 Jahre alt und gehören neun verschiedenen Nationalitäten an, berichtet Bewohnerin Beate Mundt.
Sie hat zusammen mit 13 Freunden das Projekt vor sechs Jahren ins Leben gerufen. Sie alle hatten denselben Wunsch: Zusammen leben. Also haben sie eine Genossenschaft gegründet und 2019 das Grundstück im Neubaugebiet von der Stadt gepachtet. Ein Jahr später startete der Bau der vier Häuser. Um mehr Mitstreiter zu gewinnen, haben sie reichlich die Werbetrommel gerührt, erzählt Mundt. „Wir haben Flyer verteilt, Zeitungsanzeigen geschaltet, im Internet inseriert und eine eigene Homepage gestaltet.“ Mit Erfolg: Pünktlich bei Baubeginn waren bereits zwei Drittel der geplanten Wohnungen vergeben. Im Herbst 2021 zogen die Ersten ein. Mittlerweile sind alle Wohnungen vergeben.
Und so schillernd die Facetten der Bewohner sind, so unterschiedlich sind auch die Talente, mit denen sich jeder Einzelne in die Gemeinschaft einbringt. „Wir haben mehr als 30 verschiedenen Arbeitsgruppen wie zum Beispiel eine Finanz-, eine Technik- und eine Gartengruppe. Ein Literaturkreis pflegt unsere hauseigene Bibliothek“, beschreibt Mundt die Organisationsstruktur. Eine Kino-Arbeitsgruppe organisiert regelmäßig Filmabende im Gemeinschaftsraum mit Leinwand.
Da nicht alle ein eigenes Auto brauchen, teilen sich fünf Mitgliedsparteien der Genossenschaft das Auto von einem Bewohner, berichtet Rudolf Pachl. Die Genossenschaft ist auch Mitglied beim Car-Sharing-Unternehmen Stadtmobil, so dass von allen Bewohnern deren Autos genutzt werden können.
„Außerdem steht ein E-Bike mit Anhänger zum Ausleihen zur Verfügung und auch unsere Autos werden untereinander ganz unkompliziert verliehen. Das klappt wunderbar“, freut sich Pachl.
Allen Bewohnern steht ein Hobbykeller zur Verfügung, der als Werkstatt und Schreinerei fungiert und auch mit Nähmaschinen sowie einer Tischtennisplatte ausgestattet ist, sagt Genossenschaftsmitglied Karin Hartmann.
Günstigere Lebensmittel durch Mengenrabatt
„Teilen ist das neue Haben, das ist unser Motto“, betont sie. Das gilt auch für Nahrungsmittel: Der Wohnkomplex verfügt über eine Speisekammer mit Vorräten. Diese werden von der zuständigen Arbeitsgruppe günstig mit Mengenrabatt eingekauft. Jeder darf sich dort frei bedienen, nachdem er den Kaufpreis in eine aufgestellte Kasse gelegt hat. „Hier basiert vieles auf Vertrauen“, sagt Hartmann.
Die Wohnungen sind zwischen 50 und 100 Quadratmetern groß. Hat jemand in seiner Wohnung keinen Platz für eine Waschmaschine, kann er den gemeinsamen Waschraum nutzen. Dort stehen nicht nur fünf Waschmaschinen, sondern auch ein Trockner.
Ein Zimmer eigens für Übernachtungsgäste
Apropos Platzmangel: Was, wenn Besuch über Nacht bleiben möchte und man kein zusätzliches Zimmer hat? „Dafür haben wir eigens ein Gästezimmer mit Bad“, informiert Pachl.
Eine weitere Wohnung mit höhenverstellbaren Schreibtischen steht für Bewohner zur Verfügung, die sich ungestört zum Arbeiten ins Homeoffice zurückziehen möchten.
Natürlich wurde bei der Konzeption auch an die Kinder gedacht: Sie können sich auf einem Spielplatz mit Sandkasten, Trampolin, Fußballtoren und Kletterhaus austoben.
Doch wie finanziert sich das Ganze eigentlich, immerhin hat das Projekt laut Hartmann rund zehn Millionen Euro gekostet? „Ein Drittel der Baukosten sollte als Eigenkapital der Genossenschaft eingebracht werden“, erklärt Gründungsmitglied Mundt. Dazu musste jedes Genossenschaftsmitglied ein Drittel der Baukosten seiner Wohnung als Genossenschaftsanteil mitbringen, das sind rund 1.100 Euro pro Quadratmeter. Der Rest wurde über Kredite finanziert, die von dem Nutzungsentgelt über etwa 20 Jahre abbezahlt werden.
9,14 Euro fallen zur Zeit an Nutzungsentgelt, also als eine Art Kaltmiete, für den Quadratmeter an. 13 Wohnungen werden im Rahmen von sozialem Wohnungsbau gefördert, sie kosten 7,50 Euro pro Quadratmeter. „Dafür brauchen die Anwärter einen Wohnungsberechtigungsschein von der Stadt“, ergänzt Hartmann.
Wenn die Kredite abgezahlt sind, werden Mieten gesenkt und überschüssiges Geld auf die Seite gelegt für Sanierungen und andere Projekte im Wohnkomplex. „Niemand verdient etwas daran. Uns ist wichtig, steigenden Mietpreisen entgegenzuwirken. Deshalb kann man die Wohnungen nicht kaufen“, sagt Pachl. Wer die Genossenschaft verlässt, erhält seinen eingezahlten Anteil 1:1 zurück.
Warteliste wegen hoher Nachfrage
Die Wohnungen sind heiß begehrt, besonders von älteren, alleinstehenden Damen, berichtet Mundt. Doch nicht jeder, der sich bewirbt, bekommt eine Wohnung: „Zwischenzeitlich haben wir niemanden mehr über 45 Jahre genommen, um eine gemischte Altersstruktur zu gewährleisten,“ erzählen Hartmann und Mundt. „Das war hart, aber wir wollen kein Altersheim werden, auch um die Zukunft der Genossenschaft zu sichern.“
Potenzielle Kandidaten werden auf Wunsch auf eine Warteliste gesetzt. Dann ist Geduld gefragt, denn: „Es kann Jahre dauern, bis eine Wohnung frei wird.“
Dann muss ein strenges Bewerberverfahren durchlaufen werden: Bei zwei Kennenlernterminen verschaffen sich alle Genossenschaftsmitglieder einen Eindruck von den Anwärtern und natürlich werden auch dessen finanziellen Voraussetzungen geprüft.
Informationen und Ansprechpartner
Wer ein eigenes Wohnprojekt gründen will, findet Informationen und Anlaufstellen bei:
www.froh2wo.de
www.Wohnprojekte-portal.de
www.verein.fgw-ev.de
Landesberatungsstelle Neues Wohnen Rheinland-Pfalz
Quartiersprojekte, WohnPunkt RLP, Anschubförderung
Petra Mahler
Telefon: 06131 967-712
Mail: mahler.petra@lsjv.rlp.de
Wohn-Pflege-Gemeinschaften, WohnPunkt RLP
Stephanie Mansmann
Telefon: 06131 967-713
Mail: mansmann.stephanie@lsjv.rlp.de
Gemeinschaftliche Wohnprojekte, WohnPortal RLP
Gerrit Gaidosch
Telefon: 06131 967-709
Mail: gaidosch.gerrit@lsjv.rlp.de
Autor:Cynthia Schröer aus Landstuhl |
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