Kriegsbomber stürzt bei Bad Dürkheim ab – Kanadier erforscht Tod seines Großonkels und findet Reste der Maschine
Bad Dürkheim. Er ist extra aus Kanada angereist, um dem Bad Dürkheimer Stadtteil Leistadt einen Besuch abzustatten. Doch Urlaub und Erholung sucht Christopher Kopp hier nicht. Er ist auf der Suche nach Informationen über seine Vergangenheit, genauer gesagt über seine Vorfahren. Denn hier, an einer idyllischen Stelle im Wald, fanden vor knapp 80 Jahren beim Absturz eines Kriegsflugzeugs sieben Soldaten den Tod. Einer davon: Pilot Officer Nels Andersen. Der Bruder von Kopps Großvater.
Von Cynthia Schröer
Aufgeregt klettern Kopp, seine Frau Allyson und ihre beiden Söhne Nicholas und Brett an dem Hang im Wald herum. Hier ist es passiert: Der Absturz des Halifax NP711, ein Bomber der Royal Canadian Air Force, der am 21. Februar um 17.14 Uhr in Großbritannien gestartet war. Sein Ziel: Den Bahnhof und die Industrie im Bereich Worms zu bombardieren. An Bord waren sechs Kanadier und ein Engländer. "Mein Großonkel Nels Anderson war der obere Turmschütze", sagt der Kanadier Kopp.
Das Flugzeug war Teil eines Bomberstroms von 334 Flugzeugen. Das Bombardement auf die Stadt und die Infrastruktur war verheerend. 39 Prozent der Stadt wurden zerstört. 239 Menschen, Soldaten und Zivilisten, fanden den Tod.
Das Flugzeug hatte unter anderem eine Luftmine und 1.200 Stabbrandbomben an Bord. Nach dem Start wurde nichts mehr von der Besatzung des Bombers vernommen, Funkstille war angeordnet. Doch die Mission lief nicht wie geplant. Halifax NP711 und zehn weitere Bomber wurden in dieser Nacht durch Nachtjäger und Flak abgeschossen.
„Ein brennendes Flugzeug flog gegen Mitternacht im Tiefflug an Leistadt vorbei. Plötzlich gab es eine mächtige Explosion und der ganze Berg brannte." So beschreibt ein Zeitzeuge die letzten Sekunden des Halifax NP711. Das Flugzeug war offenbar gegen den Hang geflogen und explodiert. Menschen sahen, wie der Hang über eine Länge von rund 400 Metern in Flammen stand, sie wurden Zeugen eines riesigen Infernos.
An diesem Hang suchen nun Kopp und seine Familie nun nach Überresten des Absturzes. Spuren der Tragödie. Die Augen haben sie konzentriert auf den Boden gerichtet. "Ich hab was gefunden!", ruft plötzlich einer der beiden Jungen und hält stolz ein kleines, schmutziges Werkstück auf Metall in die Höhe. Vater Christoph eilt herbei, beäugt es kritisch, weiß aber nicht so recht, was er damit anfangen soll. Schließlich kommt Erik Wieman von der IG-Heimatforschung Rheinland-Pfalz hinzu.
Er ist Experte, was die Geschichte dieses historischen Platzes angeht. "Da hinten ist das Flugzeug mit der Nase aufgeschlagen und dann explodiert", sagt er und zeigt den Hang hinauf. "Nach dem Absturz war der Boden übersät mit tausenden Kleinteilen der Maschine. Noch heute treten hier immer mal wieder Überbleibsel zutage."
Und tatsächlich: Das Metallstück, dass der Junge gefunden hat, trägt ein Siegel. Eine Krone ist darauf zu erkennen und die Buchstaben A und M. "Das steht für Air Ministry, die Luftfahrtbehörde", sagt Wiemann. Bei dem Werkstück handelt es sich um ein Teil aus dem Motor des Bombers, klärt Wiemann den rätselhaften Fund auf. Christopher und seine Familie finden noch weitere Teile. Unter anderem ein Stück Plexiglas vom Rumpf und ein Teil einer Öl- oder Wasserleitung. "Das ist einfach großartig", sagt Christopher und blickt ungläubig auf die Fundstücke in seinen Händen.
Seit zwei Jahren erforscht er seinen Stammbaum und seine Familiengeschichte. Viele seiner Vorfahren wurden Opfer des Zweiten Weltkriegs. "Nels Andersen war der jüngere Bruder meines Großvaters mütterlicherseits. Von vier Brüdern war Nels der war der jüngste. 1939 gingen alle vier zum Militär. Der zweitälteste Bruder war nach seiner Einberufung auf dem Weg nach Hause, um seine Angelegenheiten zu regeln, bevor er zur Ausbildung ging. Aber das Flugzeug, mit dem er flog, stürzte in Kanada ab und alle drei Menschen an Bord starben. Der älteste Bruder und mein Großvater traten in die Armee ein. Beide nahmen an der Landung auf Sizilien und am Italienfeldzug teil. Der älteste Bruder wurde entweder erschossen oder bekam einen Granatsplitter ins Bein und wurde nach Hause geschickt", skizziert Kopp, was er bisher herausgefunden hat. Sein Großvater geriet während der Schlacht an der "Hitler-Linie" in Gefangenschaft und wurde nach Deutschland gebracht. Er verbrachte elf Monate im Stanag 7. Heute ist er 103 Jahre alt und leidet an Demenz, kann nicht mehr über die damaligen Ereignisse berichten.
Nach dem Absturz des Halifax NP711 wurden Leichenteile gefunden, konnten aber nicht identifiziert werden. "Der Absturz war so schwer, dass die meisten Leichen völlig verbrannt und zerstört waren. Es war wahrscheinlich unmöglich festzustellen, welche gefundenen Körperteile zu wem gehörten." Die spärlich geborgenen menschlichen Überreste wurden in (nur) einem Sarg auf dem Leistadter Friedhof beerdigt. 1948 wurden die Leichenteile durch die Alliierten exhumiert. Die englische Untersuchungskommission identifizierte das Flugzeug.
Es stellte sich heraus, dass die Besatzung des Bombers aus sieben Menschen bestanden hatte. Die Untersuchungskommission nahm zunächst an, dass die Überreste der übrigen vier Mann am Absturzort verbrannt waren. Später fand man heraus, dass am Absturzort nur sechs Soldaten den Tod fanden. Das siebente Besatzungsmitglied, Heckschütze Donald Sherman, war entweder vor dem Absturz mit dem Fallschirm abgesprungen oder aus der Maschine geschleudert worden und ist dabei gestorben.
Schließlich wurden alle Überreste der Besatzung auf einen Sammelfriedhof in einem gemeinsamen Sarg in Rheinberg bei Duisburg beigesetzt. Auch diese Grabstätte hat Kopp besucht.
"Sechs Grabsteine stehen dort dicht beieinander. Links daneben steht ein Grabstein mit größerem Abstand als die übrigen. Das ist Heckschütze Sherman. Er hat seinen eigenen Sarg", berichtet Kopp.
Die IG-Heimatforschung hat mittlerweile die genaue Absturzstelle gefunden und dort 2022 einen Gedenkstein errichtet. Auch die alle Nachfahren der Besatzung aus Kanada, den USA und Großbritannien wurden ausfindig gemacht, darunter auch Kopp.
Er will noch weitere Recherchen über seine Vorfahren betreiben, seine Ergebnisse sammeln und für sich selbst in einem Buch zusammenfassen. Auch, weil er ihnen damit eine letzte Ehre erweisen will: "Mein Großvater war das einzige Kind meiner Urgroßeltern, dass Kinder hatte. Alle anderen haben keine Nachkommen, die sich an sie, ihr Leben und ihr Schicksal erinnern. Ich will nicht, dass sie in Vergessenheit geraten."
Informationen zu dem Absturz finden sich im Internet unter auf www.ig-heimatforschung.de.
Ein Bericht über die Einweihung des Gedenksteins steht hier.
Autor:Cynthia Schröer aus Landstuhl |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.