Ein Gewirr an Zuständigkeiten erschwert die Bekämpfung des Kalikokrebses
Der gefräßige Nordamerikaner breitet sich weiter aus
Region. Der Kalikokrebs frisst alles, was ihm in die Quere kommt. Und weil die eigentlich am Mississippi beheimatete Art die hiesigen Rheinauen erobert, wo sie keine Feinde hat, sorgt der gefräßige Flusskrebs dafür, dass das ökologische Gleichgewicht in Gefahr ist. Der Kalikokrebs bedroht die Artenvielfalt und bereitet inzwischen auch den politischen Verantwortlichen Sorgen, wie etwa dem Landkreis Germersheim.
In den Gewässern am Oberrhein findet der aus Nordamerika stammende Krebs durch die lehmigen Böden und die warmen Wassertemperaturen ideale Bedingungen vor. Kennzeichen des Kalikokrebses ist die enorme Reproduktionsrate, die Möglichkeit über Land zu wandern und das Überstehen von monatelangen Trocken- und Kältephasen durch den Bau von Wohnröhren, in die sich der Krebs zurückzieht.
An der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe haben die Biologen Andreas Martens, Adam Schnabler und Alexander Herrmann eine Studie zur Kalikokrebs-Invasion durchgeführt. Sie gehen davon aus, dass die Art von kanadischen, früher bei Baden-Baden stationierten Soldaten eingeschleppt wurde. In Kanada ist der Krebs ein beliebter Angelköder und wird in Aquarien gehalten. "Der Kalikokrebs kann in Kleingewässern regelrechte Massenbestände mit Dichten über zehn Individuen pro Quadratmeter erreichen", erläutert Alexander Herrmann von der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe. Das führe dazu, dass die Art als Allesfresser auf verschiedenen Ebenen der Nahrungskette in hoher Zahl auftrete und sowohl Wasserpflanzen, Insektenlarven als auch Kaulquappen stark reduziere oder ganz auslösche.
Und der Kalikokrebs ist auf dem Vormarsch: Er habe sich mittlerweile von der Kinzig im Süden bis nach Düsseldorf im Norden ausgebreitet. "Wir erwarten zeitnah erste bestätigte Meldungen aus den Niederlanden, da der Kalikokrebs im Rheinhauptstrom weiter vorankommt", ergänzt Herrmann. Dennoch findet sich der Kalikokrebs nicht auf der EU-Liste invasiver Arten. Warum? Hierfür müssten mehrere Länder die Art vorschlagen, erläutert der Biologe.
"Das Prozedere ist relativ komplex", sagt Alexander Herrmann, "und es würde eigentlich nicht viel helfen." Als größeres Problem sieht er das Gewirr an Zuständigkeiten zwischen Naturschutz und Fischerei, Artenschutz und Gewässerwirtschaft. So würde die Verantwortung ständig hin- und hergeschoben. Von einer Umstrukturierung der Zuständigkeiten hin zu den Landkreisen hält Herrmann absolut nichts. "Dadurch werden nur weitere Ausweichmöglichkeiten geschaffen und man gibt das Problem weiter ab, anstatt es anzugehen." Stattdessen wäre eine Zusammenarbeit zwischen Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Elsass wichtig, weil hier der Kalikokrebs zu einer weiteren Bedrohung der ohnehin stark bedrohten Amphibienfauna werde.
Doch welche Maßnahmen können getroffen werden, um eine weitere Verbreitung zu verhindern? "Grundsätzlich lässt sich sagen, dass man keinerlei Flusskrebse, wenn man sie in der Hand hat, wieder in ein Gewässer zurücksetzen sollte, man schadet der Natur dadurch nur", sagt Alexander Herrmann. Auch das Aussetzen von Aquarientieren müsse reduziert werden. Und Herrmann sagt auch: "Der Kalikokrebs breitet sich entlang von Gräben und Schluten in die Fläche aus, das wird kaum durch jedermann zu verhindern sein."
Allerdings kann man melden, wenn man einen Flusskrebs an Land findet. Hierzu haben die Wissenschaftler die E-Mail-Adresse flusskrebse@mail.de eingerichtet. Die Kalikokrebs-Experten in Karlsruhe haben Maßnahmen entworfen, um die Wiederbesiedlung durch Kalikokrebse über Land zu verhindern. Außerdem noch Maßnahmen zur Habitatumgestaltung, um die Grabeaktivität des Krebses zu reduzieren.
"In ein mit Baumstammbarriere ausgestattetes Gewässer schafft es der Kalikokrebs über Land nicht wieder hinein, alle hier vorkommenden Amphibienarten jedoch schaffen es problemlos", sagt Herrmann. Durch das Einbringen von Kies ins Gewässer können die Krebse nicht mehr so gut Wohnröhren anlegen; die Gewässer werden weniger getrübt, was die Fangmethoden effektiver macht. Aber der Kalikokrebs-Fachmann sagt auch: "Es ist enorm personal- und zeitaufwendig, ein Gewässer so zu managen, dass man 'den letzten Krebs' beziehungsweise 'das letzte Weibchen' fängt."
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