Rainer Kaufmann will dem Vergessen etwas entgegen setzen
Ein Lernort deutscher Geschichte
Bruchsal. Rainer Kaufmann dürfte den allermeisten Bruchsaler bekannt sein. Als Journalist, Kabarettist, als kritischer Geist eben. Als „Ur-Brusler“ lädt er regelmäßig zu Führungen durch „sein“ Bruchsal. Dabei liegt ihm vor allem eines am Herzen: dass Bruchsal seine Geschichte nicht vergisst. Mit Rainer Kaufmann sprach Cornelia Bauer.
???: Sie mahnen seit 30 Jahren, dass Bruchsal sich seiner Geschichte stellen soll. Bietet die Diskussion um die Zukunft des ehemaligen Synagogengeländes eine neue Chance, dass das jetzt gelingen kann?
Rainer Kaufmann: Von Ausnahmen abgesehen - ich nenne da die Stolpersteine - hatte in Bruchsal 30 Jahre lang das Vergessen System. Ich glaube, die Verwaltungsspitze ist inzwischen bereit, neu darüber nachzudenken, wie in der Stadt mit Geschichte umgegangen wird. Das zeigt sich an der Art, wie in einem gemeinsamen Prozess um eine würdige Gestaltung des Synagogengeländes gerungen wird. Ich finde das erfreulich.
Ich dränge aber auch gerade jetzt wieder intensiver, weil die Generation mit direktem Bezug zur Opfer- beziehungsweise Täter-Generation der NS-Zeit nicht mehr lange da sein wird. Mir sind viele bauliche Zeugen der Vergangenheit noch in Erinnerung, ebenso einige handelnde Personen - auch solche aus brauner Vorzeit. Ich sehe mich und meine Generation in der Pflicht, Geschichte zu dokumentieren.
"Bruchsal eignet sich wie keine andere Stadt"
???: Wenn das Gelände, auf dem heute das Feuerwehrhaus steht, schließlich frei wird, was sollte Ihrer Meinung nach dort entstehen?
Kaufmann: Wie keine andere Stadt sonst eignet sich Bruchsal meiner Meinung nach als Lernort deutscher Geschichte: Wo heute das Bürgerzentrum steht, standen früher Gefängnisse, wurden Oppositionelle geköpft oder aufgehängt.
Hier waren die Demokraten der Revolution von 1848 eingesperrt. Die Nazis haben hier 1944 und 1945 Köpfe rollen lassen. Und im Wehrmachtsgefängnis wurden fünf Jahre lang tausende von Soldaten gedrillt und geschunden. In der Stadtmitte Bruchsals könnte man einige Jahrhunderte demokratischer, vor-demokratischer und vor allem anti-demokratischer und autoritärer Geschichte Deutschlands aufzeigen.
"Aus EU-Töpfen finanzieren"
Ich stelle mir - neben dem Haus der Geschichte der Juden Badens - eine Begegnungsstätte vor, an der die Geschichte der Freiheit erzählt und internationale Zusammenhänge hergestellt werden, ein Ort mit einem internationalen Begegnungsprogramm, mit kleinen und bezahlbaren Tagungsräumen und einem Hostel in den oberen Stockwerken. Sicherlich gibt es EU-Töpfe, aus denen Mittel für solche Projekte kommen. Vielleicht sollte Bruchsal auch sogenannte Fundraiser in Anspruch nehmen, die dabei helfen, die entsprechenden Gelder aufzutun. Ziel muss es auf jeden Fall sein, mit einer solchen Begegnungsstätte Menschen in die Stadt zu bringen.
???: Unabhängig von dem großen Plan einer Begegnungsstätte haben Sie Anregungen in petto, die günstiger zu haben sind.
Kaufmann: Das stimmt. Mich fuchst zum Beispiel die Benennung der beiden Säle im Bürgerzentrum nach den Herren von Ehrenberg und von Rechberg statt nach Eisenhut und Brentano, Vertretern der freiheitlich-demokratischen Revolutionsansätze in Deutschland. Wenigstens im Bürgerpark könnte man Wege und Plätze nach ihnen oder nach Karl Bellosa oder Sebastian Grundel benennen. Das wäre ohne großen Aufwand und für wenig Geld möglich.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.