BRUCHSALER KULTURFENSTER
Objekt des Monats November -Tabakanbau in Bruchsal
Das Städtische Museum lädt in dieser Woche wieder zum Blick durch das „Bruchsaler Kulturfenster“ ein. Doris Buhlinger vom Städtischen Museum Bruchsal stellt heute das Objekt des Monats November vor.
Liebe Leserinnen und Leser,
mit einer kleinen Menge Tabak wurde dieses Papiertütchen der Bruchsaler Tabakfabrik Seiffert in unser Depot übernommen. 100 Gramm Feinschnitt „Rauchtabak für Heer und Flotte“ waren darin abgepackt. Die beschrifteten Seitenwände, geben den „Kleinstverkaufspreis nicht unter 8 Mark für 1 kg“ an. Die Tüte stammt vermutlich aus der Zeit bis zum 1. Weltkrieg. Hier ist belegbar, dass Soldaten bzw. Angehörige der Marine Tabakrationen zugewiesen bekamen. Essenszuträger kamen häufig nicht im Schützengraben an, weil sie unter Beschuss standen. Tabakwaren sollten den Hunger vertreiben und die Müdigkeit bekämpfen. Möglicherweise wird die Bezeichnung „für Heer und Flotte“ später zum Qualitätsmerkmal für Tabak, vielleicht war besonders kräftiger Genuss zu erwarten.
Aus Süd- und Mittelamerika eingeführt, wird Tabak schon im 17. Jahrhundert in Nordbaden angebaut. 1752 gegründete Fürstbischof Franz Christoph von Hutten eine Tabakmanufaktur. Ein französisches Unternehmen erhielt das Recht, Tabak zu verarbeiten, allerdings mit der Verpflichtung, die gesamte Ernte des Fürstbistums anzukaufen. Immerhin im Mittel 8500 Tonnen jährlich.
Mitte des 19. Jahrhundert ist Tabak eine wichtige Einnahmequelle in der strukturschwachen Region Bruchsal. Die Tabakblätter wurden zur Trocknung in Holzscheunen aufgehängt, ihre Fermentierung und Herstellung zu Zigarren, später zu Zigaretten in Fabriken durchgeführt. Häufig dienten angemietete Räume, seltener neu errichtete Gebäude als Produktionsstätten. Die erste Zigarrenfabrik in Bruchsal eröffnete 1852. Zum Ende des Jahrhunderts sind in Bruchsal 6, in Untergrombach 10 Firmen verzeichnet. Vieles wird in Heimarbeit geleistet, meistens von Frauen. Trotzt der Einführung der Wickelformen blieb die Zigarrenherstellung Handarbeit. 1927 sind im Raum Bruchsal 9000 Personen in 160 Betrieben in der Tabakverarbeitung beschäftigt, nur wenige im Anbau. Um Arbeitsstellen zu erhalten wird die Einführung von Maschinen untersagt. Die Aufhebung des Verbots besiegelte den Niedergang der kleinen, lokal ansässigen tabakverarbeitenden Betriebe.
Die Tabakfabrik Seifert bestand vermutlich bis 1918. In Adressbüchern der Zeit ist sie nicht zu finden, aber ein Foto der Belegschaft ist erhalten. Der ausgestellte Aschenbecher stammt von der Firma Caovi, die im Hotel Keller Zigaretten produzierte. Sie bestand 1933 nicht mehr. Seit 2000 hat sich der Tabakkonsum deutlich verringert. Der Anteil der Raucher beträgt heute zirka 19 Prozent der Bevölkerung. Nach wie vor liegt das Hauptanbaugebiet für Deutschland im Rheintal.
Unterschiedlichste Hinweise auf die Zeit, in der Tabak für Bruchsal und seine Gemeinden eine große wirtschaftliche Rolle spielte, lassen sich finden. Zum Beispiel das Tabakblatt im Büchenauer Wappen, ein Tabakblatt am Eingangsportal der Tabakfabrik Körner, Bürger & Cie. - Wilderichstraße 31, die Tabakscheuer in Untergrombach oder die Fassadenwerbung am Gebäude Zollhallenstraße 16.
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