Am Kübelmarkt wurde das Kunstwerk „Narrenschiff“ eingeweiht
Welch große Ehrung für Otto Oppenheimer, den Dichter des Brusler Dorschts

Vorderseite des Denkmals. Foto: Rolf Schmitt
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Coronabedingt konnten an diesem Sonntag, 20. September 2020, leider nicht so viele Besucherinnen und Besucher zur Einweihung des sog. Narrenschiffes, oder auch Otto-Oppenheimer-Platzdenkmal, zum Kübelmarkt kommen. Es waren nur geladene Gäste zugelassen, denen bezeichnete Stühle zugewiesen wurden, die im coronabedingtem weiten Abstand zueinander gestellt waren. Bis zum Erreichen des zugewiesenen Platzes mussten Gesichtsmasken getragen werden.

Otto Oppenheimer ist in Bruchsal kein Unbekannter, liegt doch direkt neben dem „Narrenschiff“ der Otto-Oppenheimer-Platz, der 2011 nach Oppenheimer benannt wurde, dem Erfinder des „Graf Kuno“, der heute aus keiner Bruchsaler Fasnachtsveranstaltung mehr wegzudenken ist. Sei es als auftretende Figur oder sei es beim gemeinsamen Singen der Brusler Fastnachtshymne: „De Brusler Dorscht“, geschrieben von Otto Oppenheimer.

Otto Oppenheimer und seine Familie mussten 1938 vor den Nationalsozialisten aus Bruchsal fliehen. Zunächst ins Schweizer Exil nach Zug, wo er am 20. September 1940, also auf den Tag genau 80 Jahre vor der Einweihung des Otto-Oppenheimer-Denkmals, dieses Gedicht schrieb und so auch seiner Liebe zu seinem "Brusel“ Ausdruck gab. Der Stadt, wo er zur Welt kam, wo er zur Schule ging und wo er im Uniformtuchhaus seiner Familie tätig war.

Zu Roschhaschone 1940.

Früher war es eine Zierde,
Wenn an Roschhaschone brav
Man zum Kübelmarkt spazierte
Und dort den Herrn Bravmann traf.

Immer wusste Frau Mathilde
Zu erfreu'n das Menschenherz
Wenn sie sprach, so klug und milde,
ging die Seele himmelwärts.

Ach, die Zeiten sind vorüber
Und der Kübelmarkt ist leer!
Grübeln wir nicht mehr darüber:
Was vorbei ist, kommt nicht mehr.

Eines aber ist geblieben
Und kann nimmermehr vergehn:
Die Verehrung unserer lieben
Frau Mathilde bleibt bestehen.

Und des guten Toten können
Wir gedenken auch von fern.
Wenn wir ihm die Ruhe gönnen,
Loben wir zugleich den Herrn.

Zug, den 20. September 1940

In treuer Liebe und Verehrung!
Ihr O.O.

Die im Gedicht genannte "Mathilde" war Mathilde Schlossberger, die genau im Haus neben dem Narrenschiff wohnte, heute die Burgerbraterei „Feldenguts“. „Herr Bravmann“ war der Bruchsaler Synagogendiener Benjamin Bravmann. Der in der letzten Strophe genannte „gute Tote“ war Mathilde Schlossbergers Sohn Maximilian, der im Mai 1940 auf der Flucht in Luxemburg von deutschen Soldaten ermordet wurde. Mathilde Schlossberger starb 1943 im Ghetto Theresienstadt, Benjamin Bravmann wurde 1944 in Auschwitz ermordet.

Otto Oppenheimer gelang mit Familienangehörigen 1941 die Flucht in die USA. Doch die Sehnsucht nach der Heimat blieb zeitlebens. So schrieb er an einen Freund in der Bruchsaler Heimat: „Das Heimwehgefühl nach unserem lieben Brusel haben wir beide nie verwunden, wir waren zu fest mit unserer Heimat verwurzelt.“  Otto Openheimer verstarb 1951 in New York, seine Frau Emma überlebte ihn um 19 Jahre.

Die Zeremonie beim Otto-Oppenheimer-Platz

Nun wurde am Otto-Oppenheimer-Platz das Otto-Oppenheimer-Denkmal, auch Narrenschiff genannt, eine Schöpfung des bei Stuttgart lebenden Künstlers Wolfgang Thiel, eingeweiht. Nach der Enthüllung des Kunstwerkes bereitete die defekte Verstärkeranlage nicht unerhebliche Probleme und machte leider die Vorträge des Künstlers Wolfgang Thiel und des Kunsthistorikers Ulrich Simon weitgehend unverständlich. Diese erklärten die kulturhistorischen Aspekte, die dem Kunstwerk zugrunde liegen, so die Moralsatire „Das Narrenschiff“ von Sebastian Brant von 1494, aber auch Zeichnungen des Künstlers Karl Hubbuch, der ebenfalls von den Nationalsozialisten verfolgt wurde, in diesem Fall wegen sogenannter „entarteter Kunst“. Otto Oppenheimer war Mäzen von Karl Hubbuch und finanzierte dessen Studium an der Kunsthochschule in Karlsruhe. Die Fliesen dieses Kunstwerkes wurden in der Majolika Karlsruhe gefertigt. Der wegen "entarteter Kunst" aus dem Staatsdienst entlassene Karl Hubbuch, er war Kunstprofessor in Karlsruhe, hielt nach 1933 sich und seine Familie mit Auftragsarbeiten für die Majolika Karlsruhe über Wasser.

In ihrer Rede verwies die Oberbürgermeisterin, Frau Cornelia Petzold-Schick, auf die lange Entstehungsgeschichte des Kunstwerkes hin. Es fanden sich aber immer wieder, so die Oberbürgermeisterin, Menschen, die nicht aufgaben und so das Narrenschiff, ergo Otto-Oppenheimer-Denkmal, ermöglichten. Das Denkmal wurde zu 100 % aus Spenden von der Bevölkerung finanziert und den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Gästen dieser Stadt zum Geschenk gemacht.

Der GroKaGe-Präsident Michael Vettermann nahm nochmals Bezug auf das Leben Otto Oppenheimers als Mitglied der GroKaGe und Dichter des Brusler Dorschts, vergaß aber auch nicht, den Initiator des Otto-Oppenheimer-Denkmals, den früheren GroKaGe-Präsidenten Michael Tinz zu würdigen.

Umrahmt wurde die Veranstaltung von den Fasnachtsmusikern der Bands Transpiratio und Schlabbedengler, die voller Spielfreude ihr exzellentes Repertoire an fasnachtlicher Guggemusik präsentierten. Endlich konnten sie doch nach so langer Corona-Quarantäne wieder vor Publikum spielen.

Einen großen Wermutstropfen gibt es aber. Das Narrenschiff ist erklärungsbedürftig. Zu tief sind doch die Überlegungen, die sich der Künstler gemacht hat. Es ist mehr als ein Denkmal, es ist eine bunter Bilderbogen, der viele Facetten der Oppenheimer-Familie zeigt. Und das muss erklärt werden. Leider wurde versäumt, dies ist vielleicht auch Corona geschuldet, den Text zur Erklärung des Kunstwerkes zumindest in der Nähe des Kunstwerkes anzubringen. Nach Auskunft des Künstlers liegt sein Text schon seit längerer Zeit vor.

© Rolf Schmitt

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Autor:

Rolf Schmitt aus Bruchsal

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