Sol Gabetta und Mikko Franck beglücken
Bewegendes Konzert im Festspielhaus Baden Baden

Sol Gabetta  | Foto: Andrea Kremper -Festspielhaus Baden-Baden.
  • Sol Gabetta
  • Foto: Andrea Kremper -Festspielhaus Baden-Baden.
  • hochgeladen von Marko Cirkovic

Der gestrige Abend im Festspielhaus Baden-Baden entfaltete sich zu einem einzigartigen musikalischen Erlebnis, das durch meisterhafte Darbietungen geprägt war. Ursprünglich sollte Hilary Hahn das Tschaikowsky-Violin-Konzert interpretieren , doch ihre Absage eröffnete der brillanten Cellistin Sol Gabetta eine außergewöhnliche Gelegenheit, das Programm auf beeindruckende Weise zu bereichern.

Unter der virtuosen Leitung von Mikko Franck und dem Orchestre Philharmonique de Radio France begann der Abend mit Hector Berlioz’ Ouvertüre zu „Béatrice et Bénédict“. Schon die initialen Töne dieses Werkes umhüllten den Saal mit einer filigranen, fröhlichen und leichten Melodik. Diese anfängliche Verspieltheit wandelte sich jedoch rasch in eine kraftvolle und expressiv-dynamische Darbietung. Die Ouvertüre durchlief fließend die verschiedenen Tempi – vom lebhaften Allegro scherzando über das gefühlvolle Andante un poco sostenuto hin zum energiegeladenen Allegro – und demonstrierte die beeindruckende Vielschichtigkeit und emotionale Tiefe Berlioz’ Komposition.

Ein typisches Konzert Ereignis verlieh dem Abend eine humorvolle Nuance: Ein langgezogenes Klingeln eines Telefons durchbrach die konzentrierte Stille des Saals. In diesem Moment offenbarte sich die wahre Größe von Mikko Francks Dirigentenhand. Mit einer geschmeidigen, fast tänzerischen Bewegung des Taktstocks wandte er sich dem Publikum zu, tauschte einen wissenden Blick aus und leitete mit bemerkenswerter Gelassenheit und subtilem Humor die notwendige Ruhe wieder ein. Diese spontane Reaktion verlieh dem Konzert eine menschliche und charmante Dimension, die den Abend zusätzlich bereicherte und die Perfektion des musikalischen Flusses ungestört bewahrte.

Die Darbietung des Orchesters war makellos. Jede Nuance, jede Artikulation spiegelte die präzise Leitung Francks wider und offenbarte eine beeindruckende kohärente Synchronität unter den Musikern. Die Fähigkeit des Orchesters, die komplexen Strukturen Berlioz’ Musik mit solch einer Klarheit und Intensität zu interpretieren, war schlichtweg überwältigend. Die Vielschichtigkeit des Stückes wurde durch die gekonnte Variation von Tempi, Dynamiken und Klangfarben meisterhaft hervorgehoben, wodurch eine breite Palette an Emotionen und orchestralen Nuancen zum Ausdruck kam. Dieser kraftvolle Auftakt setzte hohe Erwartungen für den weiteren Verlauf des Abends und etablierte eine atmosphärische Grundlage, die das Publikum tief in den Bann zog.

Nach diesem fulminanten Beginn trat Sol Gabetta mit Edward Elgars Konzert für Violoncello und Orchester in e-Moll, op. 85, auf die Bühne. Bereits die ersten Töne ihres Violoncellos ließen mich erschaudern – eine eindringliche Gänsehaut durchzog meinen gesamten Körper. Jede Note war durchdrungen von intensiver Emotionalität und technischer Brillanz. Gabettas Spiel war nicht nur präzise und virtuos, sondern auch zutiefst gefühlvoll und leidenschaftlich. Sie schuf es, jede Melodie mit dem Herzen zu spielen, das die tiefsten Emotionen des Werkes transportierte, und verband technische Perfektion mit einer ergreifenden Ausdruckskraft, die den Zuhörer in eine Welt tief empfundener Gefühle entführte.

Unter Francks einfühlsamer und zugleich entschlossener Leitung entwickelte sich das Konzert zu einem intensiven dialogischen Wechselspiel zwischen Solistin und Orchester. Der Dirigent erwies sich als ein wahrhaftiger musikalischer Begleiter, der keine Scheu hatte, die Partitur sprechen zu lassen und gleichzeitig Raum für spontane, emotionale Ausbrüche des Orchesters zu schaffen. Diese Ausbrüche – kraftvolle, expressive Höhepunkte innerhalb der orchestralen Struktur – verliehen der Darbietung eine lebendige Dynamik und eine faszinierende Tiefe, die das Zusammenspiel zwischen Gabetta und den Musikern auf ein neues Niveau hoben. Francks Fähigkeit, diese Balance zu halten, zeugte von seinem herausragenden musikalischen Gespür und seiner bemerkenswerten Flexibilität als Dirigent.

Das Adagio des Konzertes strahlte eine solche innere Ruhe aus, dass es den Eindruck erweckte, als entstamme diese Gelassenheit direkt aus Gabettas Herzen. Die Synergie zwischen ihr und dem Orchester war überwältigend stark, geprägt von einer tiefen emotionalen Verbundenheit und einer meisterhaften Interpretation des Werkes. Es fühlte sich an, als würde sich ein gewaltiger Ozean der Emotionen unaufhaltsam ausbreiten und sich bis zum letzten Ton in einer beeindruckenden Steigerung entfalten. Diese musikalische Reise, die von einer tiefen inneren Ruhe zu einer kraftvollen, emotionalen Klimax führte, war nicht nur ästhetisch bereichernd, sondern auch zutiefst bewegend und hinterließ einen bleibenden Eindruck der künstlerischen Vollendung.

Nach der Pause offenbarte sich dem Publikum ein Werk, das selten auf den Spielplänen zu finden ist: César Francks Sinfonie in d-Moll. Dieses Meisterwerk der romantischen Sinfonik stellte eine erhabene Fortsetzung des Abends dar und entfaltete sich in einer Weise, die sowohl überraschend als auch zutiefst berührend war.

Die Sinfonie begann mit düsteren Tönen und breiten Akkorden, die eine majestätische Klanglandschaft erschufen. Die einleitenden Phrasen zeichneten sich durch sagenhaft schöne Melodien und eine breite Harmonik aus, die das Orchester mit einer nahezu kraftvollen Aura umhüllten. Es war, als würden einfache Wellen aus den Instrumenten emporsteigen und sich harmonisch in den weiten Räumen des Festspielhauses Baden-Baden ausbreiten. Diese Wellenbewegung vermittelte ein Gefühl der Ruhe und Beständigkeit, das im Kontrast zu den dynamischen Ausbrüchen des vorherigen Programms stand.

Die Sinfonie zeichnete sich durch gelungene Wiederholungen und Variationen aus, die eine tiefgreifende Struktur und eine durchdachte thematische Entwicklung offenbarten. Die Tonalität war ausgesprochen bildhaft, jede Phrase malte lebendige Szenen in die Vorstellung des Zuhörers. Mikko Franck führte das Orchester mit breiten, ausladenden Armbewegungen, die die Weite und den Traumcharakter der Musik unterstrichen. Die großen Böden der Streicher und Blechbläser vermittelten eine immense Tiefe, während epische Steigerungen die gesamte Halle in schwingende Resonanz tauchten. Diese Momente der intensiven Klangfülle ließen den Saal erbeben und vermittelten ein Gefühl von Erhabenheit und Transzendenz.

Der zweite Satz der Sinfonie begann mit einem Pizzicato, das eine barocke Anmutung vermittelte und eine gewisse Leichtigkeit in die musikalische Erzählung einführte. Doch diese Leichtigkeit war nur von kurzer Dauer, denn die Musik entwickelte sich rasch zu einer tief romantischen Ausdrucksweise. Die Klarinetten und Hörner überlagerten sich solistisch und webten wunderschöne, vielschichtige Klangbilder, die das Orchester in eine weite, fast schon transzendente Klangwelt führten. Die Harmonien wurden komplexer, die Dynamik intensiver, wodurch eine unglaubliche Kraft und emotionale Tiefe entstand.

Die Sinfonie blieb weiterhin äußerst bildhaft, durchzogen von beeindruckenden Steigerungen und dynamischen Kontrasten. Die romantische Ausdruckskraft und die perfekte Interpretation des Orchesters vermittelten eine überwältigende emotionale Intensität. Unter Francks Leitung entstand eine lebendige Erzählung innerhalb der Musik, die den Zuhörer auf eine faszinierende Reise durch verschiedene emotionale Landschaften führte. Kurz vor dem Ende des dritten Satzes, nach einer weiteren kraftvollen Steigerung, trat eine tiefe Ruhe ein, die einen inneren Frieden ausstrahlte – ein Moment der Besinnung und des Seelenheils, der in der heutigen Zeit besonders bedeutungsvoll ist.

Doch Franck entschied sich nicht auf ein feierliches Finale zu verzichten, sondern leitete nach dieser Ruhe ein episches, wundervolles Ende ein. Diese finale Passage war ein Triumph der musikalischen Ausdruckskraft, die den Saal mit einer überwältigenden Wucht erfüllte und den Abend mit einer unvergesslichen emotionalen Höchstleistung abschloss. Die Kombination aus dramatischen Höhepunkten und friedvollen Momenten schuf ein harmonisches Gleichgewicht, das die Herzen der Zuhörer tief berührte.

Das Konzert fand seinen krönenden Abschluss mit einer Zugabe, die den Namen in jeder Hinsicht mehr als verdient hat. Das Publikum wurde mit einem weiteren, selten aufgeführten Werk beschenkt: Heino Kaskis „Prelude en Sol bémol majeur op.7, Nr. 1“.

Der Abend schloss mit einer Welle der Begeisterung und tiefen Dankbarkeit, die mich nachhaltig durchdrang. Die Darbietung war nicht nur eine Hommage an César Franck, sondern auch ein Zeugnis der zeitlosen Schönheit und der emotionalen Kraft der klassischen Musik.

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Autor:

Marko Cirkovic aus Durlach

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