Endlich befreit!
Das erste Jahr ohne Zigaretten

In wenigen Tagen ist es soweit – das erste Jahr ohne Zigaretten, ohne Feuerzeuge und ohne Rauchen geht zu ende. Es ist an der Zeit zu reflektieren - Wie war dieses Jahr für mich? Durch welche schwierigen Situationen bin ich gegangen? Welchen Ereignissen glichen Grenzerfahrungen und was lernte ich daraus, das ich nun weitergeben kann.

Mein Profil als Raucherin war simpel: Ich liebte das Rauchen! Besonders morgens zusammen mit dem ersten Kaffee. Um nichts in der Welt hätte ich mir dieses Vergnügen nehmen lassen. Oder abends nach dem Feierabend mit einem Getränk auf der Terrasse. Das waren großartige friedliche Augenblicke und könnten derart aus jeder Zigarettenwerbung stammen. Natürlich habe ich nicht nur morgens und abends geraucht, sondern den ganzen Tag über. Trotzdem hatte ich Zigaretten die ich lieber rauchte, als andere. Alle Raucher:innen haben ihre ganz persönlichen Lieblingszigaretten und meistens sind es jene am Anfang und/oder am Ende des Tages. Zwischendrin rauchte ich aus verschiedenen Gründen: Langeweile, Stress, in Gesellschaft, aus Gewohnheit, insbesondere bei routinierten Abläufen oder wegen tausend anderer Gründe. Diese Zwischendrin-Zigaretten mochte ich nicht so besonders und hielt sie mehr und mehr für überflüssig, aber trotzdem waren sie immer Bestandteil meines Tagesablaufs. Täglich rauchte ich eine Schachtel Zigaretten - und das ganze sechszehn Jahre lang.

Gesundheitliche Einschränkungen
Doch seit einer Weile, genauer gesagt seit meinem dreißigsten Geburtstag, bemerkte ich zunehmend gesundheitliche Beschwerden. Meine Hausärztin diagnostizierte Bluthochdruck und Herzrasen und ließ damit mein Herz noch einmal schneller rasen. Ich dachte sofort an Herzinfarkte und Schlaganfälle und an alle damit einhergehenden möglichen Folgen und fragte mich, wie lange ich wohl leben würde, wenn ich weiter rauchte. Das alles bereitete mir nicht nur Kopfzerbrechen, sondern auch große Angst. Aber dennoch zögerte ich den Rauchstopp immer weiter hinaus.

Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit einer Raucherin, in welchem es um das Aufhören und um erfolgsversprechende Rauchentwöhnungsmethoden ging. Ich sagte damals überzeugt: »Sobald ich schwanger sein werde, würde ich aufhören«, denn das sei mein ganz persönlicher Erfolgsgarant. Viele Raucherinnen aus der Community stimmten dieser Meinung zu und sagten, sie könnten sich auch niemals vorstellen, als Schwangere weiter zu rauchen. Die Schwierigkeiten und Entbehrungen des Entzugs werden, wenn es darum geht, ungeborenes Leben zu schützen, schnell zur Nebensache. Das berichteten viele Frauen. Zu dieser Zeit ahnte ich noch nicht, dass ich mich bald in dieser Situation befinden werde. Der Tag, als ich von meiner Schwangerschaft erfuhr, war auch gleichzeitig der Tag, als ich mit dem Rauchen aufhörte. Gegen Abend hielt ich meine vorerst letzte Zigarette zwischen den Fingern. Die ersten Entzugserscheinungen ließen nicht lange auf sich warten - dieses Wochenende war schrecklich grausam: »Ich will rauchen«, ging mir ständig im Kopf herum. Nach jeder Ablenkung schoss es mir erneut in den Sinn. Und die Tatsache, dass es nicht ging, war Verzweiflung pur. Das Wochenende zog sich durch einen Brei aus Versuchung, Anspannung, Qual und Hilflosigkeit dahin. Natürlich gehörten Freude und Aufregung über die Schwangerschaft ebenfalls zu den einschlägigen Emotionen dieser Tage – insbesondere, wenn der Blick auf die zwei pinken Striche des positiven Schwangerschaftstests fiel. Mein Freund und ich waren überglücklich.

Stunde Null
Aber dennoch dominierten leider die Entzugserscheinungen den Ausklang dieses Tages.
Die nächste Herausforderung stellte meinen ersten Arbeitstag als frische Nichtraucherin dar: Ich dachte an all die Routine, die ich nun ganz ohne rauchen meistern musste. Arbeiten ohne die belohnenden Zigaretten war für mich wie Arbeiten ohne Entgelt. Doch auch dieser schwierige Tag ging vorbei und am nächsten bewunderte ich das erste Ultraschallbild meines Kindes, was mich die Lust am Rauchen für den Moment völlig vergessen ließ. Der schönste Moment, der mich seinerzeit in meinem Handeln bestärkte, war folgende Situation an meinem sechsten rauchfreien Tag: Bereits am Morgen konnte ich das erste Ultraschallbild meines Kindes bewundern, was mich die Lust am Rauchen augenblicklich vergessen ließ. Als sich mir dann noch in der Mittagspause eine Frau gegenübersetzte, bei der ich auf einer Schachtel mit Zigaretten den Aufdruck sah, welcher vor einer Tötung des Embryos im Mutterleib warnt, falls geraucht wird, hatte ich eine schöne Bestätigung, dass ich das Richtige mache und die Gewöhnung an das Dasein als Nichtraucherin nahm ihren Anfang.

Gleich eine Woche später hatte ich ein firmeninternes Vorstellungsgespräch. Als frisch gebackene Nichtraucherin eine ganz besonders schwierige und angespannten Situation. So gerne hätte ich geraucht. Tief durchatmen und besinnen, es ist schon eine Weile ohne Nikotinkonsum vergangen, etwas mehr als eine Woche, um genau zu sein, »einfach weitermachen« sage ich mir selbst, bevor ich in das Gespräch ging. Aber es blieb nicht bei dieser einen Grenzerfahrung. Auch noch Wochen später, als ich persönliche und emotionale Texte verfasste, hatte ich große Schwierigkeiten nicht an Zigaretten zu denken und sie zu vermissen. Auch das kreative Schreiben als solches verband ich immer mit dem genussvollen Rauchen. Gewohnheiten, das sind alles nur Gewohnheiten.

Plötzlich Nichtraucher:in
So begann für mich eine unumgängliche Lebensumstellung und mit ihr die Zeit der vielen ersten Male. Als Nichtraucherin entdeckte ich das Leben wieder aufs Neue: Eine Zugfahrt, einen Einkaufsbummel, der Wochenendbrunch, eine Geburtstagsfeier, der Fahrradflohmarkt und vieles mehr. Auch scheinbar nichtige Momente wie die Minuten vor dem Einstieg in das Auto konnten problematisch werden, denn all diese Situationen erlebte ich früher nur in Begleitung regelmäßigen Rauchens. Und plötzlich ist alles anders - die Zigaretten sind weg. Auch wenn ich immer noch ich bin, scheine ich doch irgendwie ein anderer Mensch zu sein.
Nach jedem neuen ersten Mal war ich verwundert, dass ich es gemeistert hatte. Immer öfter drängte sich die Gewissheit auf: Es geht auch ohne Zigaretten. Das Leben ist trotzdem noch schön und aufregend. Auch körperlich fühle ich mich ohne die Schadstoffe aus den Zigaretten deutlich besser.

Spätestens gegen Ende des Sommers, kurz vor der Geburt unserer Tochter, war das Rauchen prinzipiell kein Thema mehr. Neben den Geburtsvorbereitungen und den vielen Besorgungen blieb keine Zeit mehr übrig, um Gedanken an das Rauchen zu verschwenden. Das Verlangen nach dem Rauchen blieb in einem sicheren grünen Bereich, während ich Monate zuvor noch eine Achterbahn der Gefühle durchlebte und jederzeit hätte wieder anfangen können. Nun war es aber anders, denn ich lebte bereits als Nichtraucherin. Ob nun der morgendliche Kaffee oder das abendliche alkoholfreie Feierabendbier – ich vermisste die Zigarette nicht mehr. Die vielen ersten Male fanden ein Ende und wurden zu neuen Gewohnheiten. Als unsere Erstgeborene zur Welt kam, hatte ich sowieso keine Zeit mehr für das Rauchen gehabt. Und auch in Verbindung mit SIDS (Plötzlicher Kindstod) ist es einfach unheimlich wichtig als Eltern nicht zu rauchen.
Abschließend kann ich sagen, dass das Aufhören eine gute, wenn nicht die beste Entscheidung meines Lebens war. Mir geht es gesundheitlich deutlich besser und von den geschilderten Symptomen und Beschwerden sind alle verschwunden. Lediglich meine Allergien erinnern mich noch an meine Zeit als Raucherin. Die Ängste vor Erkrankungen aufgrund des Rauchens verschwanden ebenso wie das schlechte Gewissen, denn da ich nicht mehr rauchte, konnte ich auch niemanden mehr gefährden. Und dabei möchte ich auch bleiben.

Ich weiß, dass sich langjährige Raucher:innen oftmals schwer vorstellen können, aufzuhören, da das Rauchen so fest in allen Lebensbereichen verankert ist. Doch ich kann allen Menschen Mut zusprechen, nach einiger Zeit, wenn die psychischen Entzugserscheinungen überwunden sind, werdet ihr euch daran gewöhnt haben und die Zigaretten auch nicht mehr vermissen. Grenzerfahrungen sind nur zu Beginn der Reise in ein Leben als Nichtrauchende eine Herausforderung, doch mit der richtigen Vorbereitung und Strategie steht einem rauchfreien neuen Ich nichts mehr im Wege. Jetzt, wenn der Jahrestag bevorsteht, möchte ich vor allem meine Tochter feiern, von der ich an jenem Tag erfahren habe.

© 2023 Sabrina Gaa
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Autor:

Sabrina Gaa aus Ludwigshafen

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