Stachelige Untermieter: Marianne Baier päppelt regelmäßig Igel auf
Edingen-Neckarhausen.Die Deutsche Wildtierstiftung hat den Igel, genauer gesagt, den bei uns heimischen Braunbrustigel zum Tier des Jahres 2024 gewählt. Der stachelige Nachtwanderer ist zwar ein Wildtier, kommt aber manchmal ohne menschliche Hilfe nicht über die Runden.
„Vor drei Jahren habe ich im Spätherbst einen untergewichtigen Igel gefunden und seither beherberge ich den Winter über stachelige Gesellen zur Untermiete“, gesteht Marianne Baier schmunzelnd. „Eigentlich wollte ich damals den Findling abgeben, aber die Pflegestellen waren alle überfüllt, daraufhin habe ich das Ganze dann selbst in die Hand genommen“, lässt die Edingerin wissen und ergänzt: „Man muss sich aber schon fachlichen Rat einholen, damit man die stachligen Gesellen gut über den Winter bringt.“ Zumeist haben die Tiere Parasiten und müssen entsprechend behandelt werden, um ihre äußeren und inneren Mitbewohner loszuwerden. „Am besten geht man mit dem Igel zu einem Tierarzt, der sich mit Wildtieren auskennt und gibt dort Kotproben ab“, rät Marianne Baier.
Aktuell beherbergt sie zwei Stacheltiere, die zwar zu untergewichtig für den Winterschlaf waren, aber zwischenzeitlich schon kräftig zugelegt haben. Ein weiterer verbringt nach Aufpäppeln und „Akklimatisierungsphase“ seinen Winterschlaf in einem mit Stroh gefüllten und isolierten Karton in einem Außengehege. Bei einem nur 230 Gramm, schweren Igel-Findelkind versagten hingegen alle Bemühungen. „Ich wusste mir in dem Fall nicht mehr zu helfen und bat die Igelhilfe Neidenstein um Unterstützung, die sich um das Tier weiter gekümmert hat – am Ende leider erfolglos“, bedauert Baier und fügte hinzu: „Ich lerne zwar im Umgang mit den Igeln ständig dazu, aber man muss auch seine Grenzen erkennen und entsprechend handeln.“ In Baiers kleinem „Igel-Zimmer“ hustet eines der Stacheltiere derweil unverkennbar. „Ja, das kommt von den Lungenhaarwürmen, dagegen muss man vorgehen und nachher muss er auch noch inhalieren.“
Neben der medizinischen Versorgung der Igel hat Marianne Baier auch sonst eine Menge zu tun. Jeden Morgen müssen Box, Futternapf und Wasserschale gereinigt werden. Da Igel Einzelgänger sind, hat jedes Stacheltier sein eigenes Reich. Abends steht dann Wiegen auf dem Programm, damit man sieht, ob der Zögling auch an Gewicht zulegt. Vorzugsweise wird Katzennassfutter mit hohem Fleischanteil ohne Soße und Gelee gefüttert. Außerdem sollte es getreidefrei sein. „Wichtig ist auch, dass die Stacheltiere nur Wasser und keine Milch zu trinken bekommen, Igel sind nämlich laktoseintolerant“, weiß Baier.
Namen gibt sie ihren Saisongästen keine. „Sie sollen ja wieder in die Natur zurückkehren und ein freies Leben führen, da machen Rufnamen keine Sinn“, gesteht die fürsorgliche Igel-„Mama“, die die Nachtwandler einfach nur „goldig“ findet. Im Frühjahr, wenn das Thermometer konstante 15 bis 18 Grad Wärme anzeigt, ist es an der Zeit den Tieren Adieu zu sagen und sie auszuwildern.
Wer das Tier des Jahres 2024 im eigenen Garten unterstützen möchte, muss nicht viel tun. „Weniger ist oft mehr, Igel mögen naturnah belassene Ecken in den Gärten wo sie Nahrung wie Insekten, Regenwürmer und Spinnentiere finden, Haufen aus Laub und Reisig dienen ihnen zudem als Versteck und Rückzugsmöglichkeit“, weiß die Tierfreundin. Pestizide und ausgelegte Gifte gegen Schnecken oder Ratten sind in einem igelfreundlichen Garten selbstverständlich ganzjährig tabu. Und beim Thema Mähroboter stellen sich bei Marianne Baier im übertragenen Sinne die Stacheln auf. Insbesondere nachtaktive Mähroboter werden den Igeln auf ihren Streifzügen zum Verhängnis. „Es kommt zu übelsten Verletzungen, an denen die Tiere mitunter qualvoll verenden“, weiß die Fachfrau, die beruflich ebenfalls in Haus und Garten tätig ist. Außerdem gefährden ordnungsliebende Gärtner mit Rasentrimmern und Tellersensen, Stacheltiere, die tagsüber an Heckenrändern und unter Büschen schlafen.
Laut Deutscher Wildtierstiftung wird der Igel auf der roten „Vorwarnliste“ geführt. Werden die Lebensbedingungen für den Braunbrustigel nicht verbessert, sei zu befürchten, dass die Art in naher Zukunft in die Kategorie gefährdet hochgestuft werden muss. ha
Autor:Jessica Bader aus Mannheim |
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