„Literatur muss nicht nur Fragen beantworten, sie muss auch Fragen aufwerfen“ - Einblicke in Leben und Werk von Dacia Maraini
Vortrag von Michael Schollenberger M. A.
In vielen Nationalliteraturen ist der Anteil der Schriftstellerinnen insgesamt betrachtet recht bescheiden und macht je nach Land nur wenige Prozent aus. Im Klartext heißt das: Die Männer dominieren absolut, wobei es müßig erscheint, die Gründe für diesen erstaunlichen wie auch erschütternden Befund namhaft zu machen; der knappe Hinweis auf starke patriarchalische Strukturen und tiefe religiöse Prägungen möge hier genügen.
Dies gilt auch für Italien, das natürlich für sich genommen eine enorme literarische Produktion von überwältigender Qualität vorweisen kann – aber eben fast ausschließlich von Männern, während man literarisch aktive Frauen eigentlich erst ab dem 19. Jahrhundert findet, verstärkt dann im 20. Jahrhundert, als mit den auch dort aufkommenden gesellschaftlichen Bewegungen Feminismus und Emanzipation sich die Spielräume und Freiheiten gerade auf dem Feld der Kulturproduktion für die Frauen regelrecht explosionsartig vermehrten.
Heute wird deshalb auch von niemandem mehr ernsthaft in Frage gestellt, dass der weibliche Anteil an der aktuellen literarischen Produktion ein nicht nur quantitativ, sondern auch insbesondere qualitativ immens wichtiger ist. Zu den produktivsten und anerkanntermaßen wichtigsten weiblichen Stimmen der heutigen italienischen Literatur, und das schon seit sechs Jahrzehnten, zählt zweifelsohne Dacia Maraini (*1936). Die Autorin hat wahrhaftig ein beeindruckendes literarisches Oeuvre vorgelegt, das alle klassischen Genres abdeckt und sogar darüber hinausgeht: Neben zahlreichen Romanen, Erzählungen, Novellen, Theaterstücken und Gedichten hat sie auch Essays, Kritiken und Filmdrehbücher veröffentlicht. Dacia Maraini ist auch heute noch rastlos und unermüdlich im In- und Ausland unterwegs, um für ihre Überzeugungen und Ideale mit Charme und Empathie zu werben. Zu Recht gilt sie als Ikone des Feminismus, als „Simone de Beauvoir Italiens“ und seit Jahren sogar als Anwärterin auf den Literaturnobelpreis.
Der Vortrag maßt sich nicht an, die ganze Vielfalt des Lebenswerks von Dacia Maraini in all ihren Facetten auszubreiten; vielmehr versucht er, mit reichlich Bild- und Textmaterial, die wesentlichen Grundlinien aufzuzeigen. So wird zu berichten sein von einem bewegten und bewegenden Leben der Autorin, ihren Hauptwerken wie Die stumme Herzogin (La lunga vita di Marianna Ucrìa) und Bagheria. Eine Kindheit auf Sizilien sowie insgesamt von den Leitthemen, die sie beim Schreiben beweg(t)en und die, ganz allgemein umrissen, um das Verhältnis Mann – Frau in Vergangenheit und Gegenwart kreisen.
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