Pädagogische Bildung im Auftrag der Eltern?
Hilfe, ich bin kein Lehrer! Aber dank Corona pädagogisch gefordert
Coronavirus. Am Anfang stand die Berufswahl. Ganz klar: Ich habe entschieden NICHT Lehrerin zu werden. Durch Corona hat sich unser aller Alltag extrem verändert. Wer kann – und ich gehöre hier dazu – soll im Homeoffice arbeiten. Dafür bin ich sehr dankbar, mein Kind ist betreut. Ich möchte ja auch weiter arbeiten. Doch urplötzlich kommt eine neue Herausforderung hinzu: Ich soll nicht nur meinem Job nachgehen, ich werde auch noch Hilfslehrer. Mein Mann ist nicht im Homeoffice, er arbeitet weiter. Überall sind die Schulen geschlossen, die Eltern haben von den jeweiligen Schulen Arbeitspakete für die Kinder mitbekommen. Aus einem normalen „Hausaufgaben“ betreuen, wird nun eine schulische Bildung unsererseits gefordert. Und: Im Gegensatz zu den Hausaufgaben, bedarf es mehr Zeit. Die Zeit, die normalerweise die Lehrkraft aufbringt, diese Zeit verbringe ich nun mit den Arbeitspaketen. Und wann mache ich meine Arbeit? Abends oder nachts! Mein Sohn ist in der dritten Klasse. Es geht um Mittellaute, zusammengesetzte Nomen, das Alphabet und mathematische Rechnungen bis 1.000. Das geht, kriege ich hin. Doch: Was tun, wenn das Kind Fragen stellt? Mama, was ist ein doppelter Mittellaut, woran erkenne ich das? Mama, ich soll englische Vokabeln lernen, was heißt XY? Vor allem: Ich habe selbst keine Erfahrung, wie man ein Kind dann pädagogisch sinnvoll an diese Aufgaben heranführt. Ganz im Gegenteil, wenn ich zum siebten Mal sagen muss, es ist falsch, da muss ich aufpassen, dass ich nicht laut werde. Geduld ist eine Tugend. Job, Hausfrau, Hilfslehrerin – ehrlich: alles zu viel. Ja, es ist eine besondere Situation, ja, diese Aufgaben sind für viele Erwachsene keine „Herausforderung“, sie sind realisierbar. Aber es kostet Zeit und Nerven, man muss sich selbst wieder in das kindliche Alter versetzen und überlegen, wie es gemeint ist. Erklären, auf die Schrift achten, ein Stück weit „unterrichten“. Und das neben dem eigentlichen Job, der einen ja fordert. Es ist richtig, dass aufgrund der Corona-Krise die Kinder zu Hause bleiben, es ist auch absolut richtig, dass die Kinder jetzt eben nicht sich auf dem Schulhof oder dem Spielplatz verabreden. Doch in der Schule gibt es Pausen. Da toben die Kinder herum. Wie mache ich das in einer Wohnung oder einem Haus? Also ein körperlicher Ausgleich gehört schließlich auch dazu. Für Eltern (und uns alle) ist es eine doppelte Herausforderung. Homeoffice heißt nämlich nicht: Ich bin zu Hause und kriege dafür Geld. Homeoffice verlangt Disziplin und professionelles Arbeiten, nur so kann man seinem alltäglichen Job nachkommen. Jetzt gleichzeitig auch noch Hilfslehrer werden – das ist hart. Es sind schwere Zeiten, sie verlangen besondere Lösungen, aber: Hilfslehrer bin ich nicht, eine pädagogisch sinnvolle und korrekte Schulbildung kann man so nicht gewährleisten. Hoffentlich ist dieser Spuk bald vorbei. Man kann sich auf vieles vorbereiten, aber Corona stellt uns alle auf die Probe. Wir müssen alle an einem Strang ziehen, damit das hier nicht zum Albtraum wird. gib
Autor:Gisela Böhmer aus Frankenthal |
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