Riss in Fassade des Octroi-Häuschens
Das letzte seiner Art in der Pfalz
Germersheim. Gerade wird das Grundstück gegenüber vom Ludwigstor frei gemacht. Ab Herbst baut hier die Inwo Sandhausen Wohnungen. Den Wochenblatt-Artikel dazu nahm ein Leser zum Anlass, um zu melden, dass sich in der Fassade des Octroi-Häuschens ein Riss gebildet habe. Das Häuschen, in dem früher eine Verbrauchssteuer erhoben wurde, soll erhalten bleiben.
Bürgermeister Marcus Schaile weiß bereits von dem Riss, gibt sich aber gelassen. "Vor Beginn der Arbeiten auf dem Grundstück wurde alles sauber fotografisch dokumentiert", erklärt er gegenüber dem "Wochenblatt". Am Ende der Maßnahme müsse sich der Bauherr - in diesem Fall die Inwo - darum kümmern, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. "Indem wir in der kompletten Nachbarschaft Fotos vom Bestand gemacht haben, gibt es Sicherheit auf beiden Seiten", sagt Schaile.
Das Octroi-Häuschen stammt aus dem Jahr 1843. Ursprünglich gab es davon zwei in Germersheim. Eines am Weißenburger Tor und dieses hier am Ludwigstor - nicht nur das letzte seiner Art in der Festungsstadt, sondern auch das letzte seiner Art in der Pfalz. Das Octroi war eine besondere Verbrauchssteuer, die im 19. Jahrhundert in einigen Pfälzer Städten erhoben wurde. In Germersheim wurde "das Octroi" zum 1. April 1843 eingeführt und - mit Einschränkungen - bis ins Jahr 1924 verlangt.
Das Octroi war auf Wein, Bier, Branntwein, Essig, Speiseöl, Schlachtvieh, Fleisch und Wurstwaren fällig. Bis 1896 hatte man es in Germersheim sehr leicht, diese Steuer geltend zu machen: Bis dahin musste nämlich der komplette zivile Personen- und Warenverkehr eines der beiden Festungstore passieren, um in die Stadt zu gelangen. Erst als die Passage durch die Fronte Beckers für zivile Fußgänger frei gegeben wurde, mussten Händler, Marktfrauen und Landwirte nicht mehr durch die Festungstore, um zum Markt zu kommen.
Als dann auch noch die Zeppelinstraße (im Jahr 1911) und die Bahnhofstraße (im Jahr 1913) durch den Hauptwall gebrochen waren, gab es neue Wege für die Fuhrwerke in die Stadt hinein. Sie mussten von da an nicht mehr an den Octroi-Häuschen vorbei und hatten es somit leichter, sich der Kontrolle - und damit der Steuer - zu entziehen.
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