Absage von Faschingsumzügen
Demo "Pfalzparade" in Germersheim, Frust in den sozialen Medien und wo Umzüge stattfinden
Germersheim/Region. Während die Vereine und Gemeinden in der Region ihre Fasnachtsumzüge aufgrund von Sicherheitsbedenken und zu hoher Sicherheitsanforderungen absagen, machen sich nun auch erste Gegenbewegungen bemerkbar. Auf Facebook verabreden sich Menschen beispielsweise zu einem "alternativen Faschingsumzug", Online-Petitionen und Demonstrationen werden angemeldet.
Ärger und Trotz in den sozialen Netzwerken
Auch unter Facebook-Beiträgen des Wochenblatts wird für diese "Treffen geworben. Meist von anonymen Profilen aus heißt es da etwa: "Steht auf ...maskiert euch..trefft, euch..feiert gemeinsam...ignoriert die Kulturunterdrücker..verdammt nochmal wer jetzt net sagt jetzt erst recht..hat kein Rückgrat.. Fastnachtfeiern braucht uns sicher keiner Beibringen..dass schaffen wir im Schlaf..Ich glaub an euch und dass uns niemand die Fastnacht stehlen kann" oder "Wenn sich trotzdem genug Leute finden, die sich in Westheim treffen um äähner zu trinke, kann die Polizei da wenig tun. Wir sind selbst schuld, wenn wir uns das bieten lassen. Sich beschweren (vor allem über soziale Medien) ist supereinfach und total komfortabel, bringt aber leider so gar nichts. Ich werde in meinem Umfeld ein wenig trommlen und an Fasching definitv vor Ort sein (in Westheim). Ich hoffe, ich und meine Freunde sind nicht die einzigen."
Susanne Grabau, Ortsbürgermeisterin in Westheim sagt im Gespräch mit dem Wochenblatt: "Wir beobachten die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken genau und werden auch unser Ordnungsamt und die Polizei darüber informieren." Sie versteht die Enttäuschung über die Absage der Faschingsumzüge, hofft aber auf die Vernunft der Bürger.
Demo in Germersheim
In Germersheim ist nun sogar eine Demonstration als Umzugsersatz angemeldet worden. "Pfalz-Parade" soll die Veranstaltung am Fasnachtssamstag, 18. Februar, heißen und zum "Erhalt der kulturellen und traditionellen Veranstaltungen in der Südpfalz" beitragen. Karnevalsvereine sind explizit eingeladen, sich um 13 Uhr an der Stadthalle, wo der Zug beginnen soll, einzufinden, dass der Protest von einem jetzt ehemaligen AfD-Mitglieder (privat, wie betont wird) organisiert wird, schreckt viele Narren jedoch noch ab.
*Update 20. Januar:
Der Organisator der "Pfalz-Parade" hat in einem Schreiben an die Presse mitgeteilt, dass er aus der AfD ausgetreten sei. "Heute am 20.01.2023 habe ich, André Braselmann, der Initiator des Demonstrationszuges „Pfalz-Parade“ am 18.02.2023 in Germersheim, dem Vorstand des AfD-Kreisverbands Germersheim und dem AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz meinen sofortigen Austritt aus der Partei mitgeteilt", heißt es in diesem Schreiben. "An dem geplanten und bevorstehenden Demonstrationszug Pfalz-Parade werde ich dennoch festhalten, obwohl er von den Medien, einigen Mitgliedern der Altparteien und der linken antifaschistischen Szene als AfD-Aktion gebrandmarkt ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn an meinem geplanten Demonstrationszug für den Erhalt der kulturellen und traditionellen Veranstaltungen in der Südpfalz sehr viele Teilnehmer ohne jegliche Vorverurteilungen meiner Person oder meiner ehemaligen Parteizugehörigkeit teilnehmen", so der Organisator weiter.
Fragwürdige Online-Petition
Mittlerweile gibt es auch eine Online-Petition zur "Förderung der Faschingsumzüge - Erhaltung von Tradition", die bereits über 2.220 Menschen unterschrieben haben. Die Petition auf change.org wurde anonym gestartet und macht auch sonst wenig Sinn, da sie sich nicht konkret an oder gegen etwas oder jemanden richtet. Es heißt dort erklärend lediglich: "Die Tradition der Faschingsumzüge kann nur durch wiederholende Nachahmung weitergegeben werden. Dieses kulturelle Erbe sollte in der aktuellen Zeit, die von Egoismus, Neider, Inakzeptanz und Leid/ traurigen Schicksalsschlägen geprägt ist, unbedingt weitergeführt werden!". Lösungsansätze gibt die Petition keine vor - ist eher plakativ und wenig aussagekräftig oder erfolgversprechend.
Reaktionen der Politik
Am Donnerstag lud der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Baldauf zur Videokonferenz ein. Mit dabei: der Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel, Hannsgeorg Schönig, Präsident des MCV, der vom Umzug aus Mainz berichte und über massiv gestiegene Kosten klagte, so wie Jürgen Lesmeister, Präsident der Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalvereine, der das Leid der kleineren Fasnachtsvereine in der Pfalz klagte.
Grundtenor der Diskussion: Sicherheit ist wichtig und strengere Sicherheitsmaßnahmen sind - nach der Erfahrung anderer Ereignisse gerechtfertigt. Dennoch müsse die Landesregierung dringend nachbessern - den Paragraphen 26 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) „Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr bei öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel" von 2021 präzisieren und ehrenamts-freundlicher formulieren. Lesmeister forderte zudem Fördermittel vom Land, die an die Fasnachtsvereine für die Organisation eines Umzugs auf Antrag verteilt werden, um beispielsweise teure Security-Unternehmen anzuheuern oder Indutainer zur Absperrung von Straßen anzumieten.
Als Vergleich zog man unter anderem Hochsicherheitsfußballspiele heran, bei denen die Vereine auch nicht allein auf den Kosten für Security und Polizeieinsätze sitzen blieben.
Die Landesregierung Rheinland-Pfalz indes hat die Problematik inzwischen eingesehen und verspricht eine Evaluierung des Gesetzes. Innenminister Michael Ebling sagte eine Überprüfung der geforderten Sicherheitsmaßnahmen für die Faschingsumzüge zu, explizit auch im Gespräch mit den betroffenen Vereine. Jedoch wird das Änderungen frühstens im kommenden Jahr und damit erst für die Umzuge in 2024 bringen.
Welche Umzüge finden - noch - statt?
Die Faschingsumzüge in Hagenbach, Jockgrim und Rheinzabern - am Faschingsdienstag, 21. Februar - sind bisher noch nicht abgesagt. In Hagenbach will man das geschehen jedoch im Auge behalten und behält sich eine Evaluierung der aktuellen Sachlage vor. Auch in Berg - am Faschingssonntag und in Neuburg am Rosenmontag sollen Umzüge wie geplant stattfinden. Ein Sicherheitskonzept wird erst ab einer Zuschauerzahl von 15.000 Besuchern zwingend gefordert, von solchen Zahlen geht man dort bisher nicht aus. Aber selbstverständlich gibt es - wie auch in den Vorjahren bereits - für alle Fastnachstumzüge, die stattfinden, tragfähige Sicherheitskonzepte.
Zum Thema
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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