Oliver Frör von der Uni Landau zur Stechmückenbekämpfung am Rhein
„Der Einsatz von Bti muss neu bewertet werden“
Region.Die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) e. V. hat in den vergangenen Jahrzehnten die Bekämpfung mit dem Biozid Bti etabliert. Wissenschaftler an der Uni Landau haben jetzt festgestellt: Der Einsatz von Bti gegen die Stechmückenplage am Rhein trifft auch Organismen, die nicht Ziel der Bekämpfung sind. Cornelia Bauer sprach mit Umweltökonom Oliver Frör, Professor am Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau.
???: Sie haben in einer Untersuchung festgestellt, dass sich Bti nicht alleine auf die Stechmücken auswirkt. Welche Organismen sind noch betroffen?
Professor Dr. Oliver Frör: Unsere Untersuchungen zeigen, dass es in den Untersuchungsflächen zu einer 50-prozentigen Reduktion der nicht-stechenden und somit harmlosen Zuckmücken kam. Und das, obwohl Zuckmücken durch eine Bti-Bekämpfung der Stechmücken eigentlich nicht negativ beeinträchtigt werden sollten. Und weil die Zuckmücken eine wichtige Rolle im Nahrungssystem spielen, sind mit großer Wahrscheinlichkeit auch Amphibien, Wasserorganismen, Vögel und Fledermäuse betroffen. Außerdem wurden indirekte Effekte auf Amphibien festgestellt; diese waren zum Beispiel in ihrer Vitalität beeinträchtigt.
???: Heißt das, Sie halten den Einsatz von Bti für nicht mehr zeitgemäß?
Frör: Der Einsatz von Bti muss neu bewertet werden und wir müssen über Alternativen nachdenken. Bti wird derzeit entlang des gesamten Oberrheins zwischen Basel und Mainz eingesetzt, dabei liegen zirka 90 Prozent der Behandlungsflächen am Oberrhein in Gebieten, die dem Schutz der Natur dienen. Wenn wir uns die Entwicklung der vergangenen Jahre betrachten - mit dem Rückgang bei Insekten, Vögeln und Amphibien - dann sollte man zumindest darüber nachdenken, ob der flächendeckende Einsatz von Bti noch zeitgemäß ist - oder ob es Alternativen gäbe.
???: Warum merkt man erst jetzt, dass Bti möglicherweise nicht so harmlos ist wie gedacht?
Frör: Es gab bislang zu wenig Forschung zu den ökologischen Konsequenzen des flächendeckenden Einsatzes von Bti. Möglicherweise wurden Effekte übersehen. Außerdem wurde es versäumt, von Anfang an ein systematisches und vor allem unabhängiges Monitoring zu betreiben. Das heißt, wir haben keine Zahlen zum Bestand, bevor die KABS ihre Arbeit aufgenommen hat. Es gibt Untersuchungen aus Frankreich, Schweden und den USA, die zu dem Schluss kommen, dass es Effekte auf Nicht-Zielarten gibt. Für den Oberrhein haben wir dies nun nachgewiesen.
???: Der Einsatz von Bti hat die Lebensqualität der Menschen am Rhein enorm verbessert. Was wären die Alternativen?
Frör: Es gibt eine ganze Reihe von Alternativen. Eine haben wir untersucht. Wir könnten uns vorstellen, dass Bti gerade in ökologisch besonders wertvollen Gebieten nicht mehr eingesetzt wird. In der Konsequenz gäbe es mehr Stechmücken. Eine Befragung von 635 Menschen in ausgewählten Städten und Gemeinden am Rhein hat ergeben, dass eine große Mehrheit der Befragten bereit ist, außerorts mehr Stechmücken zu tolerieren, solange die Belästigung durch Stechmücken in ihrem Wohnumfeld nicht größer ist als bisher. Die Ortschaften könnte man durch den systematischen Einsatz von Stechmückenfallen, die mit Lockstoffen arbeiten, effizient schützen. Angesichts der möglichen ökologischen Nebenwirkungen von Bti sind zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass die derzeitige Praxis des Bti-Einsatzes überdacht und angepasst werden sollte - und zeigten sich mehrheitlich dazu bereit, jährliche Kosten in Höhe von etwa 75 Euro pro Haushalt für ein Alternativkonzept zu tragen.
???: Wegen des Ausfalls beider Hubschrauber konnte die KABS kein Bti aus der Luft ausbringen. Wie hat sich die Schnakenplage aus Ihrer Sicht entwickelt?
Frör: Aufgrund der großen Hitze waren die Überschwemmungsgebiete schnell trocken, so dass nicht so viele Stechmücken geschlüpft sind wie befürchtet. Und außerdem könnte ich mir vorstellen, dass im Gegensatz zu früher heute das Ökosystem des Rheins wieder besser funktioniert, es in der Lage ist, sich selbst zu regulieren und eine solche Plage abzupuffern. Das könnte man aber nur durch einen Test herausfinden: indem man eine große Fläche von der Behandlung ausnimmt und die Effekte wissenschaftlich untersucht. Natürlich nur, wenn man zur Kompensation den Anwohnern öffentlich finanzierte Fallen zur Verfügung stellt.
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