Angesichts Betätigungsverbot
Sportvereine sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit

Von links: Katja Gaab, Nico Galucci, Peter Buchmann, Anne Meier. | Foto: S. Greiner (Oktober 2020)
  • Von links: Katja Gaab, Nico Galucci, Peter Buchmann, Anne Meier.
  • Foto: S. Greiner (Oktober 2020)
  • hochgeladen von Werner G. Stähle

Hinterweidenthal (Südwestpfalz). Der „Lockdown“ im letzten Frühjahr, die folgenden Einschränkungen und das seit Mitte Oktober vergangenen Jahres erneut verhängte Betätigungsverbot bringt die Vereine des Breitensports an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, ideell und materiell. Dies ergibt sich aus Gesprächen mit dem Turnverein 1904 Hinterweidenthal e.V.
   Beispielhaft für die gegenwärtige Situation des nicht-kommerziellen Vereinssports in der Verbandsgemeinde Hauenstein, der Hinterweidenthal angehört, sowie in Rheinland-Pfalz sollten die Auswirkungen auf diesen Traditionsverein in Erfahrung gebracht werden.

„Ohne unsere treuen Mitglieder hätte unser Verein keinen Bestand“, lautet der mehrfach betonte Kernsatz von Rosemarie Dorst, Mitglied im dreiköpfigen Vorstand des TV Hinterweidenthal. „Wie es nach Corona weitergeht ist noch offen. Die Leute müssen wieder Lust haben. Das gilt für unsere Sportler, unsere Übungsleiter und auch für Nichtmitglieder die unsere Angebote regelmäßig nutzten. Es wird nicht mehr sein wie es war“, erwartet Rosemarie Dorst, die nicht den geringsten Eindruck von Resignation macht, sondern offensichtlich loslegen und sich den Herausforderungen stellen will. Sie bleibe optimistisch, betont sie. Die Stimmung unter den Sportlern sei mittlerweile geprägt von zunehmender Ungeduld. „Aggression kommt aber keine auf.“

„Sobald wir dürfen und Rahmenbedingungen haben, werden wir Angebote erarbeiten und bekannt machen, unter unseren Mitgliedern, im Amtsblatt und so weiter sowie durch Einwurf in Briefkästen. Letzteres, weil wir in Hinterweidenthal viele Neubürger haben, die wir ins Dorf- und Vereinsleben einbinden möchten“, kündigt Vorstandsmitglied Dorst an.

Mit dem Turnverein konnte keine einzige Ansteckung in Verbindung gebracht werden
„Wir hätten im Außenbereich manches machen können“, ist Rosemarie Dorst sicher. „Wir halten uns an die Regelungen.“ Im Sommer sei entsprechendes erlaubt gewesen. Da hätte man außer auf Distanz und gegebenenfalls Maske auch streng auf Hygiene geachtet. Beispielsweise seien Geräte nach jeder Benutzung gereinigt und desinfiziert worden. „Es hat keine einzige Ansteckung gegeben, die mit dem TV in Verbindung gebracht werden könnte“, versichert sie.

Dass Profisport stattfinden kann findet die Vereinssportlerin in Ordnung. „Wenn Leute zuhause sitzen müssen wollen sie Sport sehen.“ Sich in größerer Zahl umarmende Profisportler und Funktionäre, wie im Fernsehen regelmäßig vor allem beim Liga-Fußball zu beobachten, hätte sie anfangs schockiert. Mittlerweile würde sie das hinnehmen. Die hätten wohl andere Möglichkeiten und würden getestet, mutmaßt Rosemarie Dorst. Der Profisport würde gegenüber den Amateuren bevorzugt, lautet ihr Fazit.

Wenn das noch lange so geht, werden manche Vereine nicht überleben
Der Bestand des Vereins sei ausschließlich den Mitgliedern zu verdanken, die ihre Beiträge entrichten obwohl es keine Gegenleistung gibt, sowie den vielen passiven Mitgliedern. Einnahmequellen wie Veranstaltungen oder Beteiligung an unter anderem der Kerwe (Kirchweih) oder dem weithin bekannten zuvor jährlichen „Bauernmarkt“ in Hinterweidenthal entfielen. Andererseits liefen die Kosten weiter. Größter Brocken seien die Versicherungen. Die vereinseigene Halle und Nebenräume müssten auf Sparflamme beheizt werden. Gebühren für Strom, Wasser, wenn auch in geringerem Maß, fielen weiterhin an, ebenso die Grundsteuer und Wiederkehrende Beiträge (regelmäßige Abgabe an die Gemeinde).

Ersatzzahlungen habe man bislang keine bekommen. Von den Corona-Hilfen habe keine gepasst, diese seien auf gewerbliche Betriebe zugeschnitten. Man müsse sich jeweils selbst schlau machen. Anträge könnten gegebenenfalls laut Vorbedingung nur von Steuerberatern und Rechtsanwälten oder entsprechend gestellt werden, was wiederum Kosten verursache. „Vielleicht kann ich in einem halben Jahr sagen, ob wir etwas bekommen haben“, so Rosemarie Dorst. „Es fehlt ein spezielles Programm für Vereine. Wenn das noch lange so geht, werden manche Vereine nicht überleben“.

„Wenn man sich die Vereine wegdenkt, wer soll dann diese Aufgaben übernehmen“, stellt Rosemarie Dorst zur Debatte. Der Breitensport sei für die Gemeinwesen immens wichtig. Viele Ortschaften würden sonst zu reinen Schlafstätten.
   „Vereine leben vom Ehrenamt und die Bereitschaft ist groß. Wenn die gesamte geleistete Arbeit, nicht zuletzt mit der und für die Jugend, aus Steuermitteln bezahlt werden müsste, würde man sich vielleicht bewusst was Vereine wert sind. Das gilt auch für die Aktivierung von Computerspielern" , betont Rosemarie Dorst. „Auch Kinder aus Flüchtlingsfamilien haben die Möglichkeit bei uns Sport zu treiben und wir helfen bei der Beschaffung von Sportkleidung“.

Studie der Deutschen Sporthochschule Köln: Es geht sozialer Kitt verloren
„Je länger Sportvereine ihrem Zweck nicht nachkommen dürfen, desto schwächer wirken sie als stabilisierendes Element der Gesellschaft. Es geht sozialer Kitt verloren, der gerade in einer individualisierten Zuwanderungsgesellschaft von Bedeutung ist. Damit treffen die Folgen nicht nur die Vereinsmitglieder sondern die gesamte Gesellschaft“, kommentiert Studienleiter Professor Christoph Breuer die Vorabauswertung der in Arbeit befindlichen Fortschreibung des Sportentwicklungsberichtes der Deutschen Sporthochschule Köln.

Der Turnverein 1904 Hinterweidenthal e.V. (THV)
Organisiert und betrieben wird Leichtathletik für alle Altersgruppen (in Hinterweidenthal und auch in Dahn), Tanz und Singen sowie Theater und Veranstaltungen. Im Leistungssport gilt die THV-Sportlerin Anne Meier im Lang- und Crosslauf als herausragende Athletin.
   Angeboten wird „Mutter/Vater und Kind Turnen“ (Kinder zwei bis vier Jahre), „Kinderturnen“ (vier bis sechs Jahre), „Bubenturnen“ (verschiedenen Altersgruppen - Spaß an Bewegung und Freizeitaktivitäten), verschiedene Mädchentanzgruppen (Showtanz), zwei unterschiedliche Damen-Showtanzgruppen, eine Damengruppe „Tanz und Gymnastik“ (nimmt auch an Wettkämpfen teil), eine Damenturngruppe „Aerobic, Stepaerobic, Bauch - Beine - Po“ sowie eine Damengymnastikgruppe 50plus (dürfen auch jünger sein).
   Seit fast 20 Jahren veranstaltet der Verein jährlich den Wettbewerb „Martinslauf“, einen Wertungslauf der „WASGAU-CUP“ Laufserie. (Musste vergangenen Frühsommer eine Woche vorher abgesagt werden. 250 Läufer hatten sich angemeldet, weitere waren auf Warteliste. Ende April bis Anfang Mai könnte der nächste stattfinden.) Dem Chorgesang widmen sich die „Turnerlerchen“, die auch auftreten.
   Zu Fastnacht wären eigentlich wieder drei Prunksitzungen veranstaltet worden, die Kinderfastnacht sowie an Aschermittwoch das Heringessen.
   Der Verein umfasst derzeit rund 600 Mitglieder. Davon wohnt knapp ein Viertel außerhalb Hinterweidenthal.

Kontakt
Turnverein 1904 Hinterweidenthal e.V., 66999 Hinterweidenthal, Turnstr. 16, Telefon 06396/677, E-Mail: Webmaster@TV-Hinterweidenthal-04.de; Internet: www.TV-Hinterweidenthal.de

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Autor:

Werner G. Stähle aus Hauenstein

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