Lautern liest
Offene Lesung im WebEnd zeugt von großer literarischer Vielfalt
Kaiserslautern. Daphne Landenberger vom Kulturtreff "am WebEnd" lud am 20. Juni nach längerem zeitlichem Abstand wieder zu einer offenen Lesung ein, diesmal im Rahmen von „Lautern liest“. Völlig ungezwungen und ohne Anmeldung konnten Autor*innen erscheinen und kurze Texte aller Art vortragen. Das Konzept kam gut an und bot für literarisch Interessierte einen Blick auf die lokale Szene. Passend dazu die lockere Atmosphäre mit Wohlfühl-Charakter. In den Räumlichkeiten ist die aktuelle Ausstellung mit Werken von Lala Movsumova zu besichtigen. Landenberger verwies auf den heutigen längsten Tag im Jahr aufgrund des Schaltjahres. Folgte nun ein Sommernachtstraum mit allerlei Irrungen, Wirrungen und überraschenden Wendungen? Oder gewann der Realismus die Oberhand? Sieben Frauen und ein Mann fanden sich hierzu ein und nahmen die Gäste mit auf eine abwechslungsreiche Reise, die bisweilen in Abgründe führte – aber mit Niveau.
Die Künstlerin, Autorin und Sozialarbeiterin Roswitha Vogel las aus ihrem 2023 erschienenen Kriminalroman „Mannstod im Pfälzer Wald“, Teil einer Trilogie. Das Cover zeigt die Burg von Frankenstein vor romantischer Mondkulisse. Der Kommissar Jan Sanders und sein Kollege befassen sich in diesem Fall mit einem Doppelmord. Die Spannung baut sich sukzessive auf.
Vogel, welche eine schwere Zeit während der Corona-Epidemie hatte, beschäftigt sich derzeit thematisch mit der Macht des Alkohols und hochsensiblen Menschen.
Renate Demuth, bekannt für ihre Erfolge als Mundartdichterin, trug diesmal Kurzprosa auf Hochdeutsch vor. Ein Naturbursche entfesselt seine Leidenschaft für Alexandrine, kann seine Erregung kaum noch dämpfen. Eifersucht kommt auf, er wetzt sein Messer, um sie im Garten einer Jugendstilvilla zu erstechen…
Die Geschichte endet nach geschickter Irreführung der Hörer mit einer sehr gelungenen Pointe.
Die Lyrikerin Bettine Wagner-Friedewald, die kürzlich auf der Freinsheimer Lese mitwirkte, brachte zwei Gedichte mit. Sie beschreibt im Ersten die trügerische Idylle am Strand, doch unweit werden Migranten ertrunken angespült. Sind sie zu schnell vergessen? Wagner-Friedewald nutzt die Metapher mit der ablaufenden Sanduhr, um uns die Lebenswichtigkeit nahezubringen.
Die Autorin veröffentlichte bisher drei Gedichtbände.
Die Verwaltungsangestellte und Hobbyautorin Christina Kadel titelte ihre Geschichte mit „Endlich“. Mit viel Lust am Detail schildert sie ein Ehepaar, welches scheinbar in einem klischeebehafteten typischen Rollenverhalten feststeckt, doch die Handlung nimmt einen schwarzhumorigen bis bitterbösen Verlauf. Das Publikum wusste es zu honorieren.
Nicole Leonhart las Artikel aus dem Zeit-Magazin. Launig und lustig dreht es sich um Liebe. Die Autorin erzählte u.a. eine autobiografisch gefärbte Szene aus frühen Zeiten. Ein junger Mann bringt unerwartet einer Frau auf der Dune de Pilat (größte Wanderdüne Europas) mühsam ein Eis auf den hohen Kamm mit der wunderschönen Aussicht auf das Meer und Umgebung. Daraus entwickelte sich eine jahrelange Fernbeziehung, die schließlich mit einem urkomischen, erfolgreichen Antrag endete.
„Im Leben gefangen“, so lautet das neueste Werk von der in Krickenbach lebenden Sigrid Stemler. Überwiegend spielt die Handlung in Berlin. In einer Passage erwischt Franziska ihren Mann in flagranti beim Sex mit einer attraktiven Frau, dem dann nichts Besseres zur Entschuldigung einfällt als: „Es ist nicht so, wie Du denkst!“ Daraus folgte aber die konsequente Entscheidung, trotz Schwangerschaft. Ein Entwicklungsroman, bei dem die Selbstbestimmung im Kampf gegen allerlei Widrigkeiten eine große Rolle spielt.
Ursula Dörler, wohnhaft in Stelzenberg, überraschte in ihrer Kurzgeschichte „Schrödingers Katze“ mit dem Spiel von Wahrscheinlichkeiten. In Schrödingers berühmten Gedankenexperiment dreht es sich darum, inwieweit sich Quanteneffekte auf die körperliche Dimension auswirken. Ist die Katze im geschlossenen Kasten lebendig oder tot aufgrund der Vergiftungsoption? Schrödinger betont die Gleichzeitigkeit des Zustands, niemand kann näheren Einblick nehmen, ohne das Experiment zu beeinflussen. In einem subtilen, witzigen und hinterhältigen Dialog bringt eine Katze einen Goldfisch dazu, aus dem Glas zu springen, direkt vor ihrer Schnauze.
Aus dem Publikum kam viel Beifall für das kurzweilige Format, eine Fortsetzung wäre wünschenswert. Lobenswert, dass keiner seine Lesezeit unmäßig überdehnte.
Fünf der vertretenen Autor*innen sind Mitglieder des Literarischen Vereins, auch fanden sich einige von der leider aufgelösten Gruppe der Mitternachtsschreiber ein. Ein bekanntes Mitglied war Martina Berscheid, die am folgenden Samstag im Thalia ihren neuen Erzählband "Fremder Champagner" präsentierte.
Im Anschluss stellte Kai Lorenz Gästen sein Buch „Von Krieg und Frieden“ vor.
Autor:Peter Herzer aus Kaiserslautern |
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