„Es ist Putins Krieg, nicht der der Russen“
Auch im Raum Kaiserslautern greift die Russenfeindlichkeit um sich
Von Ralf Vester
Gesellschaft. Der nunmehr seit vier Wochen andauernde Krieg in der Ukraine eint viele Menschen in Europa und weltweit in ihrem Zorn auf Russlands Machthaber Wladimir Putin. Dass die politische Führung zur Zielscheibe des vielfach geäußerten Grolls und der Kritik wird, ist durchaus verständlich und sicher in aller Regel nachvollziehbar. Doch schon kurz nach Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts war auch hierzulande eine wachsende Russenfeindlichkeit zu beobachten, die sich in Form von Pauschalisierungen, Ressentiments und Anfeindungen gegenüber russischstämmigen Menschen in Deutschland äußert.
Zum Hintergrund: Laut Mikrozensus des Jahres 2020 leben in Deutschland einschließlich der zweiten Generation – also auch den in Deutschland geborenen Kindern von Russlanddeutschen – rund 3,5 Millionen Menschen, die auf unterschiedlichem Niveau Russisch sprechen. Migrationsforscher gehen davon aus, dass rund 2,2 Millionen in Deutschland lebende Erwachsene Russisch als Muttersprache haben oder es fließend sprechen.
Bereits mehrere Übergriffe in Deutschland
Allein schon, wenn sich diese Menschen auf Russisch unterhalten, werden sie seit kurzem mitunter mit abschätzigen Blicken und Beschimpfungen überzogen. Doch das ist längst nicht alles. Es gab in Deutschland bereits regelrechte Eklats. So wurden in Nordrhein-Westfalen beispielsweise die Scheiben eines Geschäfts für russische Produkte eingeworfen und beschmiert. In Baden-Württemberg wiederum schloss ein Restaurant Gäste mit russischem Pass aus, und an der Universitätsklinik München lehnte eine Professorin gar die Behandlung russischer Patienten ab. In den sozialen Netzwerken werden Russinnen und Russen für den Krieg verantwortlich gemacht. Nicht selten wird zum Boykott russischer Geschäfte aufgerufen. Hate Speech macht die Runde.
Auch im Raum Kaiserslautern greift die Russenfeindlichkeit um sich
Derartige Auswüchse gibt es nicht nur anderswo, sondern auch im Raum Kaiserslautern. Davon weiß Alina K. zu berichten. Wir haben ihr versprochen, ihren richtigen Namen aus Sorge vor eventuellen Repressalien nicht zu nennen, ebenso ihren Berufszweig. Traurig genug, im Jahr 2022 zu solchen Maßnahmen greifen zu müssen. Alina, die seit den 1980er Jahren in Deutschland lebt, akzentfrei Deutsch spricht und seit Jahrzehnten bestens in der Bundesrepublik integriert ist, hat die neue Russenfeindlichkeit bereits am eigenen Leib erlebt.
Hasserfüllte Botschaften am Auto
In dem Ort im Landkreis Kaiserslautern, in dem sie wohnt, fand sie an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen morgens einen Zettel an ihrem Auto mit der unmissverständlichen Botschaft: „Wir wollen keine Russen in unserer Nachbarschaft! Russen raus!“ Von der in Erwägung gezogenen Kündigung ihrer langjährigen Wohnung konnte sie ihr Vermieter zum Glück abbringen. Auch beruflich hat die aufkeimende Anti-Russland-Stimmung ihre Auswirkungen. Das Unternehmen, in dem sie arbeitet, hat sich zum Beispiel bei Stellenausschreibungen absichtlich den sonst üblichen Passus verkniffen, dass auch russisch-sprachige Bewerber willkommen sind.
„Diesen Krieg befürwortet kein normaler Mensch“
Für Alina ist eines klar: „Kein Deutscher aus Russland heißt den Krieg in der Ukraine gut. Das befürwortet kein normaler Mensch. Alle, die ich kenne sind empört, viele davon engagieren sich sozial für humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge aus der Ukraine. Wir haben alle die gleichen Ängste. Wir sind Bestandteil des deutschen Systems. Putin ist nicht unser Präsident, sondern Olaf Scholz ist unser Kanzler“, stellt sie nachdrücklich klar. Dieser Tage bekommt sie von Bekannten öfter zu hören, dass sich die Russen doch viel mehr gegen ihren Präsidenten erheben sollten, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Denjenigen entgegnet sie konsterniert: „Für Putin sind wir doch nur Atome, kleine Moleküle. Das prallt alles an ihm ab.“
Politiker verurteilen parteiübergreifend die unsägliche Russenfeindlichkeit. „Wir wehren uns ganz entschieden dagegen, dass Menschen aufgrund ihrer russischen Herkunft oder Sprache angefeindet oder diskriminiert werden“, betonte jüngst die Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
„Es ist Putins Krieg, nicht der der Russen“
„Es ist schlimm, dass mittlerweile auch russischstämmige Kinder in Schulen und manchmal sogar schon in Kindergärten angefeindet oder mit abschätzigen Blicken bedacht werden. Sie können doch überhaupt nichts dafür und wir Erwachsenen auch nicht. Es ist Putins Krieg und nicht der der Russen. Das muss unbedingt aufhören“, bittet Alina. Diesem Wunsch ist rein gar nichts hinzuzufügen. rav
Weitere Informationen:
Betroffene, die unter den Diskriminierungen zu leiden haben, können Hilfe bei der Antidiskriminierungsstelle Rheinland-Pfalz erhalten: https://mffki.rlp.de/de/themen/vielfalt/antidiskriminierungsstelle/
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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