Filmfestival in der Landeshauptstadt
Die Magie des indischen Kinos feiern

Foto: IFFSTUTTGART

Mit einem vielfältigen Programm zeigt das 21. Indische Filmfestival Stuttgart, warum es nicht nur Europas größtes indisches Filmfestival, sondern auch für den weltgrößten Filmmarkt eine wichtige Adresse ist. So startet das Filmfestival am Mittwoch, 17. Juli 2024, mit dem Drama ‚Narayaneete Moonnaanmakkal – Three Sons of Narayani‘ von Sharan Venugopals, in dem drei Brüder nach langer Zeit am Sterbebett der totkranken Mutter wieder aufeinandertreffen, alte familiäre Gräben wieder aufbrechen und ein Flirt die Situation auf die Spitze treibt.

Das Publikum darf sich zudem auf eine besondere Weltpremiere freuen: Babil Khan, Indiens angesagter Filmstar, Trendsetter und Sohn des unvergessenen Schauspielers Irrfan Khan, bringt indisches Mainstream-Kino nach Stuttgart. Sein neuer spektakulärer Influencer-Thriller ‚Logout‘ von Amit Golani läuft am Schultag (vormittags am 18. Juli und abends am 19. Juli).

Nahezu 70 aktuelle Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme bringen bis 21. Juli 2024 das neue indische Kino mit weiteren Premieren in die baden-württembergische Landeshauptstadt. Die Fans erwartet ein cineastischer Indien-Trip, der mit einer Mischung aus Realismus und großen Kino-Momenten begeistern wird: zauberhaft, engagiert, authentisch. Zum Abschluss werden die in Indien begehrten Filmpreise ‚German Star of India‘ im Gesamtwert von 7.500 Euro verliehen.

Superstar Babil Khan als Influencer in Todesangst

Gespannt sein darf das Publikum auf große Spielfilme, die bereits auf internationalen Filmfestivals liefen. So der von Manoj Shinde geschriebene und inszenierte Marathi-Spielfilm ‚Valli‘ (77. Festival de Cannes) und ‚Bhera – The Deaf‘ von Shrikant Prabhakar, ein weiterer Marathi-Spielfilm aus Cannes, oder der Berlinale-Beitrag ‚In The Belly of a Tiger‘ von Regisseur Siddartha Jatla, der 2018 mit dem Director‘s Vision Award des Indischen Filmfestival Stuttgart ausgezeichnet wurde. Neben der Weltpremiere von ‚Logout‘ verspricht das Programm mehrere europäische und deutsche Arthaus- und Independent-Premieren. „Einmal mehr zeigt sich, wie einzigartig, spektakulär und unterhaltsam indisches Kino ist. Die vielen kleinen und großen Heldinnen und Helden, an deren Geschichten wir teilhaben können, haben eines gemeinsam: Sie versuchen, ihr Leben zu meistern, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und das Glück zu finden“, hebt Festivalleiter Oliver Mahn hervor.

Schicksale, Leichtigkeit und Komödien

Die Kategorie Spielfilm glänzt mit einer abwechslungsreichen Mischung aus tragischen Schicksalen, unverhoffter Leichtigkeit und amüsanten Komödien. Gleich am zweiten Festivaltag (Donnerstag, 18. Juli 2024) entert Indiens Topstar Babil Khan die Leinwand. Sein neuer Thriller ‚Logout‘ thematisiert den diesjährigen Schultag. Babil Khan spielt den 26-jährigen Influencer Pratyush aus Delhi, der von fast 10 Millionen Followern verehrt wird. Nachdem ein besessener Fan Pratyushs Handy erbeutet hat, verbarrikadiert sich der von Todesangst geplagte Influencer in seiner Wohnung. Was hat der durchgeknallte Fan mit ihm vor?

Valli flieht aus seiner Jogta-Identität

Auch die anderen Spielfilme fesseln, berühren, bewegen, werfen einen ungeschminkten Blick auf das wahre, einzigartige Indien. ‚Valli‘, eine Deutschlandpremiere, dreht sich um den jungen Valli, der in den ländlichen Regionen des westlichen Maharashtra nach der Jogappa-Tradition jede Nacht als Verehrerin einer Hindu-Göttin den Menschen Segen spendet. Valli, der wegen dieser Wandlung von  den anderen Dorfjungen verachtet wird, will deshalb seine Jogta-Identität aufgeben. Regisseur Manjoj Shinde hält Vallis Flucht mit der Verbündeten Tara in emotionalen Szenen fest.

Streit und Flirt am Sterbebett

In Sharan Venugopals Drama ‚Narayaneete Moonnaanmakkal – Three Sons of Narayani‘ streiten sich drei Brüder, während sie auf den Tod der Mutter warten. Dann kommt es auch noch zu einem familiären Skandal am Sterbebett, ausgelöst durch den Sohn eines Bruders und seiner Cousine.

Gefangen in der Covid-Zeit

‚Bhera – The Deaf‘ von Shrikant Prabhakar. eine Weltpremiere, spielt in einem abgelegenen Dorf in Lower Konkan und in Mumbai während der Covid-Zeit. Anibai, die allein an Rande des Dorfs lebt, wartet sehnsüchtig auf ihren Sohn Suresh, der während der Pandemie in Mumbai festsitzt. Anibai leidet an einer Blinddarmentzündung und der taubstumme Dorfjunge Vishnu ist ihre einzige Verbindung zum Rest der Welt.

Dorfbarbier als Heiratsvermittler

Die sehr amüsante Komödie ‚Chambal Paar – The Barber of Baadarpur‘ von Devendra Singh Parmar , eine Weltpremiere, stellt einen Dorffriseur vor, der traditionell auch die Rolle des Heiratsvermittlers übernimmt. Wie ein Spion sammelt er beim Haareschneiden Informationen über Heiratskandidaten. Selbst schwierigste Fälle bringt er mit Witz und Weisheit unter die Haube. Regisseur Siddartha Jatla stellt seinen Spielfilm ‚In the Belly of a Tiger‘ vor. Die Geschichte um einen älteren Bauern, der sich einem Tiger opfern will, um seine Familie aus der Armut zu befreien, ist eine außergewöhnliche Koproduktion aus Indien, USA, China, Indonesien und Taiwan. Das Sound-Design des Hindi-Films stammt vom mehrfachen Oscar-Gewinner Resul Pookutty (‚Slumdog Millionaire‘). Wie im Märchen mit der Wunderlampe: Glück durch Solarstrom Im fast schon märchenhaften Spielfilm ‚A Boy Who Dreamt Of Electicity‘ von Jigar Nagda, eine internationale Premiere, träumt der junge Bheru davon, das ärmliche abgelegene Elternhaus auf einem Hügel mit Strom zu versorgen. Aber nirgendwo findet er eine konventionelle Stromquelle. Als er in der Stadt eine Solarlaterne sieht, kommt ihm ein Geistesblitz. Bringt Solarstrom Licht und Glück in die bescheidene Hütte – und in sein Leben?
Jayant Digambar Somalkars Spielfilmdebüt ‚Sthal – A Match‘, eine Europapremiere, entstand mit Laiendarstellern aus dem Dorf des Regisseurs und handelt vom Kampf einer jungen Frau gegen patriarchalische Traditionen, die Frauen die Entscheidungsfreiheit nehmen, und arrangierte Ehen als einzige Option zur Selbstverbesserung. Das Publikum wird mit alltäglichen Ritualen, Stromausfällen, Frust und Freuden konfrontiert. Doch die Hoffnung auf einen Wandel ist spürbar.

Comedy-Drama über Schicksalsreise

In Harish Vyas Comedy-Drama ‚Hari Ka Om‘, eine Weltpremiere, stehen sich die beiden gefeierten Schauspieler Raghuvir Yadav und Anshuman Jha als Vater Hari und Sohn Om gegenüber. Beide trennen Welten. Nachdem der Vater, ein pensionierter Regierungsbeamter, Bhajan-Sänger und Freizeitastrologe, einen Herzinfarkt überstanden hat und die Sterne ihm ein baldiges Ende prophezeien, bricht er mit Om zu einer letzten Schicksalsreise auf, die von Bhopal nach Varanasi führt. Mit seinem Spielfilmdebüt ‚Mithya‘ (Deutschlandpremiere) erfüllte sich Regisseur Sumanth Bhat einen lang gehegten Wunsch. ‚Mithya‘ erzählt die ergreifende Geschichte eines elfjährigen Jungen, der die Wunden vom Verlust seiner Eltern verarbeiten muss. Mithun, der gerne Mithya genannt werden will, steht vor einer Identitätskrise. Der Waisenjunge zieht von Mumbai nach Udupi zu Onkel und Tante und kämpft darum, sich beiden zu öffnen. Problemtisch ist auch das Verhältnis zu den wenigen neuen Schulfreunden. Der Film endet mit einer Metapher; sie ist nur der Anfang von Mithyas Heilung.

Ein zauberhafter Abend mit der Ex

Bekannte Gesichter bringt Prasanth Vijays unterhaltsamer Malayalam-Liebesfilm ‚Ithiri Neram‘ – eine Weltpremiere - auf die Leinwand: Roshan Mathew ist neben Zarin Shihab, Nandu und Anand Manmadhan in der Hauptrolle zu sehen. Eigentlich wollte Anish am Vorabend der Taufe seiner Tochter mit Freunden feiern, doch der unerwartete Anruf von Anjana, einer früheren Geliebten, bringt alles durcheinander. Anish erlebt einen zauberhaften Abend mit seiner Ex. Eine einzige Umarmung und eine magische Nacht in einer konservativen südindischen Stadt. Die Regisseurin Rajni Basumatary besetzte für ihren Spielfilm ‚Gorai Phakhri – Wild Swans‘ (Europapremiere) Cast und Crew mit Frauen. Die Geschichte spielt in den Ausläufern von Bodoland an der indisch-bhutanischen Grenze und erforscht das Leben von Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft, die sich von jahrzehntelangen bewaffneten Konflikten zwischen dem Staat und separatistischen Gruppen erholt.

Shakespeare ‚Othello‘ goes India

In ‚Athoi‘ verpasst Ana Mukhopadhyay Shakespeares ‚Othello‘ ein indisches Outfit und belebt den Theater-Klassiker mit zeitgenössischen Dialogen und im rasanten Quentin-Tarantino-Erzählstil zu einem 160-minütigen Leinwand-Spektakel.

Marathi-Spielfilm thematisiert Bodyshaming

Insgesamt 14 Spielfilme wählte das Programmteam – Festivalleiter Oliver Mahn und die beiden Kuratorinnen Therese Hayes (Palm Springs, USA) und Uma da Cunha (Mumbai, Indien) – aus. Dazu gehören auch das Marathi-Familiendrama ‚Sshort & Ssweet‘ von Ganesh Kadam (Weltpremiere), thematisiert Bodyshaming bei Kleinwüchsigen, um Akzeptanz zu fördern.

Bollywood-Evergreen made in Remseck

Jeder Blick, jede Geste und die Kameraperspektive – alles muss mit dem Original identisch sein, wenn Renè Lezar einen Bollywood-Song in der Region Stuttgart nachdreht. Diesmal covert der erfolgreiche Youtuber einen Klassiker aus dem Film ‚Don‘, 1978 mit Amitabh Bachchan und Zeenat Aman, 2006 mit Shah Rukh Khan, Priyanka Chopra und 2024 mit Renè Lazar und seiner Tanzpartnerin. ‚Khaike Pan Banaraswala‘ ist sein bislang größtes und aufwendigstes Projekt, das nun beim 21. Indischen Filmfestival Stuttgart dabei sein wird.

In den Dokus geht es auch ums Filmemachen

Elf Beiträge umfasst die Kategorie Dokumentarfilm. Gleich mehrere Produktionen widmen sich dem indischen Film. ‚A Filmmaker called Painter‘ von Lokesh Deshmukh (Deutschlandpremiere) setzt dem indischen Filmpionier Baburao Painter ein Denkmal. Der ehemalige Kulissenmaler gründete in den 1910er Jahren sein eigenes Filmstudio ‚Maharashtra Film Company‘ in Kolhapur, setzte als erster indischer Filmemacher Frauen in Filmen ein und drehte den ersten sozialrealistischen Film Indiens. ‚In Search of Rituparno‘ (internationale Premiere) portätiert Santosh Pathare den 2013 im Alter von 50 Jahren verstorbenen Schauspieler und Aktivisten Ritupanro Ghosh. ‚Parama: A Journey with Aparana Sen‘ (Deutschlandpremiere) von Suman Gosh blickt auf sechs Jahrzehnte im Leben der international gefeierten Regisseurin, Autorin und Schauspielerin Apama Sen zurück. ‚Dream Factory‘ von Aarushi Nigam (Weltpremiere) ist eine sozialkritische Auseinandersetzung mit der indischen Filmbranche

Marc Gegenfurtner, Leiter des Kulturamtes der Stadt Stuttgart:"Mit einem bunten Filmprogramm lädt das Filmbüro Baden-Württemberg im Juli wieder die ganze Stadt zum Indischen Filmfestival Stuttgart ein. Ich freue mich, dass der Gemeinderat der Landeshauptstadt mit einer deutlichen Erhöhung der städtischen Förderung diese Festivalausgabe noch einmal ermöglicht hat und nutze die Gelegenheit der Fa. Lapp für die jahrelange großzügige Unterstützung des Festivals zu danken. Das Indische Filmfestival lädt dazu ein, das bevölkerungsreichste und faszinierend widersprüchliche Land und seine vielen Gesichter aus der Perspektive seiner Filmschaffenden kennenzulernen und damit eine Sicht auf eine Welt zu bekommen, die viele Geschichten kennt. Multiperspektivische Angebote wie dieses sind zentral für eine Kulturmetropole wie die Landeshauptstadt."

Basic-Info: Das 21. Indische Filmfestival Stuttgart findet statt vom 17. bis 21. Juli 2024 in den Innenstadtkinos Stuttgart (Cinema und EM, Bolz-/Königstraße). Veranstalter ist das Filmbüro Baden-Württemberg e.V.. Ein Kinoticket kostet 9 Euro.

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