Unterwegs in Mittelfranken
Von Himmelsteichen und Umzugskünstlern
Christkindlmarkt, Weinberge und Schäufele: Fränkische Highlights sind weit über Bayerns Grenzen bekannt. Aber wer denkt, der Landstrich kann nicht mehr bieten, wird staunen – nur ein Beispiel: Im Herzen Mittelfrankens findet sich eingebettet in sanfte Hügel und weite Wälder der Aischgrund, eine Teichwelt, die ihresgleichen sucht und seit Jahrhunderten das Leben der Menschen in der Region prägt.
Im kleinen Ort Poppenwind sind wahre Umzugskünstler zu Hause. In drei Jahren müssen sie vier- bis fünfmal ihre gute Stube wechseln. Zuvor steht aber erst einmal ein Paarungsgeplänkel im flachen Wasser an. „Dafür kommen drei Jahre alte Karpfen beider Geschlechts in sogenannte Laichteiche. Dabei stoßt das Männchen gegen die Flanken des Weibchens, die darauf ihre Eier abgibt und der Karpfen-Mann seinen Samen zur Befruchtung beisteuert.“ Was daraus heranwächst, so schildert Leonhard Thomann anhand seiner Schautafeln mit sichtlicher Freude, sind Hunderttausende geschlüpfter Fischlarven, „die allesamt auf einen Löffel passen.“
Vor über 1000 Jahren war das nicht anders. „Urkunden belegen, dass damals die Grundlagen für die bis heute existierende, kleinteilige Teichwirtschaft gelegt wurden“, ruft der 70-Jährige die Ursprünge eines bäuerlichen Gewerbes in Erinnerung, „welches es in dieser Art in ganz Europa nicht mehr gibt.“ Der Gäste-Guide, der als gelernter Landwirt gemeinsam mit seinem Sohn das Erbe der Fischzucht fortführt, ist regelmäßig im Aischgrund unterwegs, um Interessierten das einzigartige Naturparadies, ein Mosaik aus Ökosystem, Kultur und Tradition, näherzubringen. Neben den zahlreichen Wander- und Radwegen wie Lehrpfaden, die durch die idyllische Landschaft vorbei an malerischen Dörfern, historischen Mühlen und entlang der funkelnden Teiche führen, kann man mit ihm auch eine Kutschfahrt mit Haflinger-Gespann buchen – eine zweistündige Tour, die auf entspannte Weise Vergangenes und Heutiges vermittelt.
„Über die Jahrhunderte sind tausende Teiche, vereinzelt oder zu großflächigen Weiherketten ausgewachsen, entstanden, in denen mit dem Spiegelkarpfen eine ganz besondere fränkische Spezialität heranwächst“, zeigt er vom Wagen herab auf die in die satt-grüne Landschaft lose eingebetteten Kleingewässer nahe seines Heimatortes Poppenwind. „Zuerst wachsen die Fischlarven mit Beginn des Frühjahrs in seichten Aufzuchtteichen zu Jungfischen heran, bevor sie im Herbst in tiefere Überwinterungsteiche kommen und dann das darauffolgende Jahr in größeren Teichen leben, bis sie im Herbst des dritten Jahres eine zum Verkauf geeignete Größe erreicht haben“, stellt er die mühsame Arbeit der Fischbauern und deren Karpfen-Umzugsmanagement vor.
Dass sich dieses kleinstrukturierte Gewerbe, das im 1500 Jahrhundert seine Blüte erlebte, gerade in Mittelfranken entwickelte, liege ganz einfach an der Ressource Wasser. „Im wasserreichen Süden Bayerns bezogen die Menschen ihre Nahrung auch aus Flüssen und Bächen, in Nordbayern war das Nass knapper, somit war man schlichtweg auf die Teichwirtschaft an geeigneten Orten angewiesen.“ Doch das Fischereiwesen im Landstrich zwischen Bad Windsheim, Erlangen und Bamberg ist weit mehr als eine extensive Aqua-Kultur, hebt der Fachmann auf dessen klimatisch günstige Lage als Wärmeinsel in Nordbayern ab, die mit dazu beitrage, dass sich dort Pflanzen- und Tiergemeinschaften ansiedelten, die es sonst in Deutschland in dieser Vielfalt nicht mehr gebe.
„Gefährdete Arten wie das Rötliche Laichkraut, der Pillenfarn, die Zwergdommel oder der Purpurreiher sind hier noch anzutreffen und sind entsprechend ihrer Lebensräume als wichtige Biotope in unserer Agrarlandschaft zu sehen“, betont Leonhard Thomann, dass er und seine Kollegen sich nicht nur als Karpfen-Produzenten verstehen, „vielmehr als Bewahrer einer langen Tradition und als nachhaltige Hüter der Natur.“ Das damit entstandene Wissen und die Erfahrungen rund um die sorgfältige Pflege und umweltfreundliche Bewirtschaftung der über 7000 Teiche wollen sie daher an die nächste Generation weitergeben. „Es war schon immer so, dass wir mit unserem Wasser sparsam umgehen. Wir sprechen deshalb ja auch von Himmelsteichen, denn das Wasser kriegen wir von oben und wir müssen es buchstäblich nur auffangen“, macht er gegen Ende der Tour klar, dass die Menschen in der Region es schon seit jeher verstanden haben, nicht gegen die Natur, sondern in Symbiose mit ihr zu handeln.
„Damit ist der Aischgrund noch einer der wenigen Flecken bundesweit, an dem man die enge Verbundenheit des Menschen mit seiner Umwelt erlebt.“ Allerdings sei die Aufrechterhaltung dieser Balance eine ständige Herausforderung. Fischotter, Reiher und Kormorane – alle stehen unter Naturschutz – würden als natürliche Feinde der Karpfen die Fischbestände in den Teichen dezimieren, zudem grabe der Otter Löcher in die Teichdämme, was zu Wasserverlusten und erhöhtem Pflegeaufwand führe.
„Dass wir unser Erbe künftig fortführen können, dafür sind innovative Konzepte und ein ausgewogenes Management zwischen Naturbelangen und wirtschaftlichen Interessen vonnöten, die am Ende eine Lösung ergeben“, ist der lebensfrohe Fischbauer voller Zutrauen, dass die beteiligten Gemeinschafen vor Ort mit Behörden und Wissenschaftlern dafür eintreten, sowohl den Erhalt des jahrhundertealten Wirtschaftszweigs als auch den Schutz der faszinierenden Artenvielfalt und des ökologischen Reichtums „unter einen Hut zu bekommen“.
Text / Fotos: Daniel J. Basler
Auf folgenden Seiten gibt es jede Menge Infos und Ideen zu einem Aufenthalt in der Region Mittelfranken im Norden Bayerns: www.frankentourismus.de/gebiete/, www.steigerwaldtourismus.com, www.karpfenland-aischgrund.eu/einmalige-weiherlandschaft/ und www.museen-im-alten-schloss.de/
Autor:Daniel Basler aus Karlsruhe |
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