Offener Brief der Kundeninitiative KVV
an die Fraktionen im Gemeinderat Karlsruhe

   | Foto: Kundeninitiative KVV

Offener Brief an die Gemeinderatsfraktionen in Karlsruhe
Betr.: Einforderung eines niederschwelligen Zugangs zu undatierten Tickets bei VBK, AVG und KVV

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Geschäftsführung von VBK u. AVG hatte zugesagt, in den zuständigen Gremien über den Automatenverkauf von Tickets zum Selbstentwerten entscheiden zu lassen. Bisher hat der KVV seine Zusagen eingehalten und inzwischen eine sinnvolle Auswahl undatierter Tickets eingeführt.
Nach der VBK-Aufsichtsratssitzung wurde jedoch ohne Entscheidung dort der Automatenverkauf von VBK/KVV unerwartet abgelehnt, obwohl man vorher Offenheit dazu signalisiert hatte, wenn der Aufsichtsrat zustimmt!

Antrag zum Automatenverkauf undatierter Tickets im Karlsruher Gemeinderat

Die FDP-Fraktion hat deshalb einen Antrag in den Gemeinderat eingebracht, in dem der VBK-Aufsichtsrat aufgefordert wird, positiv über den Automatenverkauf zu entscheiden.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie diesen Antrag rein von der Sache her beurteilen und unterstützen.
Der nächste Tagungstermin des Karlsruher Gemeinderats ist am Di 19.9.2023.
Der ÖPNV muß als öffentliches Unternehmen der Daseinsvorsorge allen Kundengruppen einen einfachen Zugang zu seinem Ticketangebot bieten. Natürlich begrüßen wir zusätzliche digitale Angebote.
Es ist eine Entscheidung der Kunden, ob sie ihr Smartphone zum Ticketing zur Verfügung stellen wollen/können. Es muss aber auch einen niederschwelligen Zugang für die übrigen Gelegenheitskunden geben. Das ist für viele auch eine Frage der Teilhabe.
Es ist deshalb nicht zu vermitteln, dass eine bestehende Automatenverkaufsstruktur nicht für den Ticketverkauf auch undatierter Fahrscheine genutzt werden kann!
Wir bitten Sie deshalb, im Gemeinderat und über ihre Vertreter in den Aufsichtsräten den Automatenverkauf der Tickets zum Selbstentwerten einzufordern!
Mit ÖPNV- und kundenfreundlichen Grüßen
Hans-Joachim Dorn
Sprecher der Kundeninitiative KVV
- eine Initiative von KVV-Gelegenheitskunden -

Anlage: Zusatzinformationen

Obwohl an allen Automaten bereits die unflexiblen vordatierten Tickets mit festem Datumseintrag angeboten werden sieht sich der KVV nicht in der Lage, auch die undatierten Tickets dort flächendeckend anzubieten. Er war aber bereit, zumindest in seinem Einflussbereich bei VBK und AVG den Automatenverkauf einzurichten, bis er zurückruderte oder zurückrudern musste.

Karlsruhe könnte beim Automatenverkauf undatierter Tickets  voran gehen 

Gerade Karlsruhe hätte eine wichtiges Kriterium gehabt, hier voranzugehen. Über 50% der VBK-Tram-Haltestellen haben noch keinen Automaten. Besonders für mobilitätseingeschränkte Personen mit und ohne Rollator, Elternteile mit Kindern u. Kinderwagen, junge Schüler, Radfahrer, ... ist es nicht möglich / zumutbar ein Ticket in der Bahn zu kaufen. Deshalb benötigen sie undatierte Tickets, die sie aber auch leicht auf ihren Fahrten erwerben können müssen. Die weiten Wege zu den wenigen Verkaufsstellen bedeuten eine Zusatzhürde, die für viele nicht tragbar ist. Auch Betreuungspersonen, die z.B. für Termine von Senioren / Behinderten die undatierten Tickets besorgen, sind bereits genug belastet, als dass sie noch mit großen Aufwand zum Ticketkauf zu den begrenzten Öffnungszeiten beaufschlagt werden sollten.

Informationsdefizit zu den Tickets zum Selbstentwerten

Bisher wurde vom KVV weder in seine Kundenzeitschrift „BWEGT“, noch in seinem Internetauftritt eine Information über das aktuelle Angebot an undatierten Tickets veröffentlicht. Auch werden die Tickets nicht einmal an den Verkaufsstellen im südlichen Verbundgebiet angeboten. Deshalb kann man auch nicht mit niedrigen Verkaufszahlen argumentieren – wobei das in Bezug auf die Teilhabe der besonders betroffenen Kundengruppen keine Rolle spielen darf.
Aber auch für viele Gelegenheitskunden ist es – wie für Zeitkarteninhaber – eine Frage der Attraktivität, ob man vor jeder Fahrt den Ticketkauf einkalkulieren muss oder direkt mit undatierten Tickets direkt in eine einfahrende Bahn einsteigen kann.

Digitale Angebote sind gut - aber bisher nicht niederschwellig

Selbstverständlich begrüßen wir den sinnvollen Ausbau digitaler Angebote. Der KVV bietet jedoch bisher kein niederschwelliges derartiges Angebot an! Deshalb engagieren wir uns jetzt schon fast 2 Jahre, um wenigstens ein akzeptables niederschwelliges Angebot undatierter Tickets zu erreichen. Ein niederschwelliges Angebot nützt wenig, wenn es keinen niederschwelligen Zugang dazu gibt.

KVV war offen für den Automatenverkauf 

Der KVV hat bereits bei Einführung der undatierten Tageskarten zum 1.8.2022 seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, die undatierten Tickets auch an Automaten anzubieten. Nachdem man uns erklärt hat, dass man das nicht flächendeckend umsetzen könne (?!) kam das Angebot, zumindest im VBK/AVG-Bereich den Automatenverkauf einzuführen, wenn die Aufsichtsräte zustimmen:
Schreiben KVV/VBK-Geschäftsführung an die Kundeninitiative KVV vom 16.05.2023 (Auszug):
… ausschlaggebend für das weitere Vorgehen werden die Entscheidungen im Aufsichtsrat der VBK am 12. Juli sein, zum Einen hinsichtlich der Organisation des Kundenzentrums im Weinbrennerhaus am Karlsruher Marktplatz wie auch in Hinblick auf eine mögliche Umsetzung der undatierten Tickets zum Selbstausfüllen an den Fahrkartenautomaten von VBK und AVG.
Wir hatten die Initiative der KVV/VBK-Geschäftsführung begrüßt, da so zumindest in Karlsruhe ein wichtiger Schritt für die Gelegenheitskunden in greifbarer Nähe war.

Warum rudern VBK/KVV zurück?

Nachdem das Thema entgegen der Zusage nicht im VBK-Aufsichtsrat entschieden und offensichtlich gar nicht behandelt wurde schrieb uns der KVV/VBK-Geschäftsführer am 13.07.2023:
… Bezüglich des Verkaufs von undatierten Tickets in Fahrkartenautomaten wurde keine Entscheidung getroffen. Was uns aktuell davon abhält, ist die Frage, ob die Kunden verstehen werden, dass es die undatierten Fahrscheine nur an VBK und ausgewählten AVG Automaten geben würde, da wir im KVV Gebiet auch Automaten anderer Anbieter haben, die dieses Angebot voraussichtlich nicht aufnehmen würden.
Das war aber bereits vor der Aufsichtsratssitzung klar. KVV/VBK haben selbst vorab darauf hingewiesen, dass so kein flächendeckendes automatenbasiertes Angebot entsteht.

Kein flächendeckender Verkauf in den Verkaufsstellen

Wir mussten zusätzlich überrascht feststellen, dass der KVV nicht einmal in den Verkaufsstellen den Zugang flächendeckend zu den undatierten Tickets gewährleistet, obwohl es in der KVV-Pressemeldung vom 22.07.2022 heißt:
Vertrieb in Kundenzentren, Verkaufsstellen oder per Post: Die KVV-Geschäftsleitung informierte den Aufsichtsrat darüber, dass diese Tageskarten zum Selbstentwerten analog zu den Einzelfahrkarten in den Kundenzentren und KVV-Verkaufsstellen in der Region von den Kund*innen erworben oder per Post bestellt werden können.
Im ganzen Süden des KVV-Gebiets (Baden-Baden, Rastatt, Durmersheim, …) werden die Tickets jedoch in den Verkaufsstellen überhaupt nicht angeboten! Nach Auskunft von Verkaufsstellen dort fragt oft jeder 2. Ticketkunde – besonders auch Schüler - nach den undatierten Tickets!
Auch im nördlichen Landkreis sieht es nicht unbedingt besser aus, wie der Weingartener Ortsseniorenrat an die Geschäftsführung geschrieben hat: „So gibt es beispielsweise in Spöck die einzige Verkaufsstelle für ganz Stutensee, im südlichen Bereich von Eggenstein die einzige für Eggenstein-Leopoldshafen, und in Walzbachtal und Weingarten gar keine - zusammengefasst 2 (zwei!) Verkaufsstellen für mehr als 62.000 Menschen, über die undatierte Fahrkarten erworben werden können!“

Erfolgreicher Verkauf undatierter Tickets von Seniorenrat

Der Bedarf für einen einfachen Zugang zu den undatierten Tickets wurde in Weingarten (Baden) eindrucksvoll nachgewiesen. Nachdem die Verkaufsstelle dort den Ticketverkauf eingestellt hatte, wurde vom Ortsseniorenrat in Kooperation mit der Gemeinde Weingarten (Baden) ein Verkauf undatierter Tickets während der monatlichen Sprechstunde organisiert. Regelmäßig werden in einer Stunde ca. 60 Tickets für rund 300 € verkauft, obwohl aus organisatorischen Gründen nur die drei vermutlich gängigsten Typen angeboten werden. Die Senioren und Betreuungspersonen von Behinderten wären froh, wenn sie das gesamte Sortiment (nicht nur) in Weingarten am Fahrkartenautomaten kaufen könnten!

Aufwand und Digitalisierungsstrategie als neueste Argumente

Im aktuellen Schreiben vom 11.8. wird zum Automatenverkauf undatierter Tickets zusätzlich noch mit hohen Kosten – in einer bestehenden Automateninfrastruktur! – sowie der Digitalisierungsstrategie argumentiert. Der Automatenverkauf undatierter Tickets an Automaten hindert niemanden daran, attraktive digitale Angebote des KVV zu nutzen! Und auch der KVV wird dadurch nicht daran gehindert, mittelfristig ein niederschwelliges digitales Angebot für die übrigen Gelegenheitskunden anzubieten.

Hier einige der Punkte, warum vielen Gelegenheitskunden der bedarfsgerechte Kauf von undatierten Tickets an Automaten so wichtig ist und auch dem KVV Vorteile bringt:

  • Es wird Reisezeit gespart, man kann spontan ohne Ticketkauf unmittelbar vor der Fahrt die Daten eintragen und einsteigen. Man kann so auch knapp erreichte Bahnen nutzen
  • Es werden Unsicherheiten vermieden, rechtzeitig an ein Ticket zu kommen
  • Das Ticket kann zuhause vorausgefüllt werden, direkt bevor man es nutzt
  • Man muss sich nicht unter Zeitdruck am Automaten für das richtige Ticket entscheiden
  • Bei Automaten nur in der Gegenrichtung spart man zusätzlich die Zeit für den Weg dorthin
  • Tickets können zu beliebigen Zeiten am Automaten gekauft werden – ideal auch für Eltern, Angehörige oder Betreuungspersonen
  • Eine kostenpflichtige Zusendung der Tickets ist kaum noch notwendig, da man bei den meisten Fahrten an Fahrkartenautomaten ohne Zusatzwege vorbeikommt.
  • Weite Wege zu den wenigen Verkaufsstellen entfallen
  • Tickets können in bedarfsgerechten Mengen an Automaten gekauft werden
  • Schlangen an Ticketautomaten verlieren ihren Schrecken
  • Man braucht nicht mit passendem Bargeld an den Automaten in den Bahnen anzustehen
  • Man kann auch an Haltestellen ohne Automaten mit gültigem Ticket einsteigen
  • Man kann sich sofort einen Platz suchen, was auch die Sturzgefahr reduziert
  • Man kann problemlos mit Kinderwagen, Fahrrad oder Rollator in Bus und Bahn einsteigen, ohne sich um ein Ticket am Automaten in der Bahn oder beim Busfahrer kümmern zu müssen
  • Man hält den Busfahrer und die Fahrgäste im Bus nicht mit dem Ticketkauf auf
  • Man hat immer ein Backup bei defektem Automaten oder Handyproblemen, was auch den Aufwand beim Kontrollpersonal reduziert
  • Man kann Familienmitglieder bei Bedarf mit Tickets ausstatten, ohne bei Terminausfall vordatierte Tickets mit Aufwand zurückzugeben oder verfallen zu lassen
  • Und nicht zu unterschätzen: der KVV zeigt Kundennähe und Verständnis!
Autor:

Hans-Joachim Dorn aus Karlsruhe

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