Drei Monate lang keine direkte Durchfahrt
Da kommt Freude auf: Verkehrsversuch in der Sophienstraße

Auch wenn es auf dem Foto nicht danach aussieht: Die Kreuzung von Sophien- und Lessingstraße wird für einen Verkehrsversuch temporär umgestaltet - und hat wohl gravierende Folgen für Anwohner, Bürger, Senioren, Handwerker, Unternehmen und Lieferdienste | Foto: Stadt Karlsruhe, Monika Müller-Gmelin
  • Auch wenn es auf dem Foto nicht danach aussieht: Die Kreuzung von Sophien- und Lessingstraße wird für einen Verkehrsversuch temporär umgestaltet - und hat wohl gravierende Folgen für Anwohner, Bürger, Senioren, Handwerker, Unternehmen und Lieferdienste
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Karlsruhe. Anwohner, Händler, Lieferdienste, Pflegeeinrichtungen und Rettungskräfte sind etwas beunruhigt: Ab 1. Juli ändert sich die Verkehrsführung für den Kraftfahrzeugverkehr in der Sophien- und Lessingstraße, das sorgt für Änderungen bei Abläufen und Fahrwegen. Grund dafür ist ein etwa dreimonatiger Verkehrsversuch in zwei Phasen: "Mit dem Verkehrsversuch soll der Kfz-Durchgangsverkehr in den beiden Straßen reduziert und die Verkehrssicherheit erhöht werden", schreibt die Stadt Karlsruhe in einer MItteilung.

Warum wieder nur "Schönwetter-Zahlen"?
Voraussichtlich endet dieser "Versuch" am 7. Oktober! Aber dieser Zeitraum steht auch in der Kritik: Warum erfolgt wieder ein Verkehrsversuch im Sommer, wenn viele offensichtlich mit dem Rad unterwegs sind? Warum werden nicht belastbare Zahlen im Winter erhoben, wenn das Wetter schlechter ist, wenn deutlich mehr Menschen mit dem Pkw unterwegs sind, wenn die Menschen wohl kaum in Gruppen gemütlich in der Kälte sitzen? Immerhin soll es ja - so der Ansatz - um "belastbare" Zahlen gehen, die aber auch in diesem Fall wohl nur "Schönwetter-Zahlen" sein werden!

Zuerst eine "Diagonalsperre"
In einer ersten Phase wird an der Kreuzung der Sophien- mit der Lessingstraße eine sogenannte Diagonalsperre eingerichtet. Das bedeutet, dass Poller gesetzt werden, die nur noch dem Radverkehr die Durchfahrt ermöglichen. Gleichzeitig wird in der Lessingstraße die Einbahnstraßenrichtung umgedreht. Kraftfahrzeuge können dann nur noch von der Reinhold-Frank-Straße kommend in die Lessingstraße nach Norden fahren. Neue Fahrstrecken für Anwohner oder Liefernaten: Wer mit Kraftfahrzeugen von Westen kommt, kann dann nur noch nach rechts in die Lessingstraße nach Süden abbiegen – oder umgekehrt.

Poller am Gutenbergplatz - keine Durchfahrt von West nach Ost!
Gleichzeitig wird am Gutenbergplatz ab der Gutenbergstraße auf der südlichen Fahrbahn vor dem Lessinggymnasium durch Poller die Durchfahrt für Kraftfahrzeuge von Westen nach Osten unterbunden. Zwar gibt es dort keine direkten Anwohner, doch wer nebenan wohnt, ist betroffen; Radler können aber weiterhin durch.

In einer zweiten Phase wird ab 26. August am Gutenbergplatz zusätzlich auf der nördlichen Fahrbahn ab der Nelkenstraße durch Poller die Durchfahrt für Kraftfahrzeuge von Osten nach Westen unterbunden. Auch hier soll die Durchfahrt für den Radverkehr weiterhin offen bleiben. Dann ist der gesamte Bereich "abgehängt".

Zwar seien Ziele in der Sophien- und Lessingstraße "nach wie vor mit Kraftfahrzeugen erreichbar", so die Stadt Karlsruhe, nur müssen eben Umwege - städtisch verordnet - in Kauf genommen werden. Also mehr Kosten, mehr Abgase, mehr Co2! Dazu kommt noch die Streichung von 25 Stellplätzen, die von der Stadt quasi nur in einem Nebensatz erwähnt werden - aber für die es auch keine Alternativen gibt! Und das in einer Gegend mit Parkdruck!

Verkehrszählungen und Befragungen
Hintergrund des Verkehrsversuches ist ein Gemeinderatsbeschluss vom Oktober 2023, der damals keine breite Zustimmung fand! Er sieht die "versuchsweise Sperrung der Sophienstraße am Gutenbergplatz für den Kfz-Durchgangsverkehr" vor. Gleichzeitig soll die Aufenthaltsqualität der Flächen im Mittelstreifen vor dem Lessinggymnasium gestärkt und für mehr "nichtkommerzielle Nutzungen" zur Verfügung stehen. Hier könnten sich auch Initiativen, Vereine und Bürger einbringen. Warum dort? Der Gutenbergplatz ist daneben, bietet schon genügend Raum, ist Platz für ein Miteinander, für Märkte, für Events.

Die Verwaltung hat vor dem Versuch den Durchgangsverkehr in verschiedenen Abschnitten der Sophienstraße durch ein Fachbüro ermittelt. Gemeinsam mit Mitgliedern des Gemeinderates, dem Bürgerverein, ansässigen Unternehmen, Verbänden und Schülervertretern des Lessinggymnasiums wurden in einem Workshop "Maßnahmen erarbeitet". Die Kritik aus dem Bürgerverein war hörbar!

Warum werden nicht alle Betroffene befragt?
Nach Ende des Verkehrsversuchs soll eine "Befragung der Bewohnerinnen und Bewohner und der unmittelbar vom Verkehrsversuch betroffenen Geschäfte in der Weststadt zu dem Verkehrsversuch stattfinden". "Unmittelbar"? Da stellen sich etliche Fragen: "unmittelbar" impliziert, dass das Geschäft direkt daneben liegt. Aber auch andere sind von diesen Maßnahmen betroffen, "mittelbar":

  • Zu einem Weinhändler kommen in der Regel auch Kunden, die nicht nur "nebenan" wohnen, vielleicht ein paar Kisten kaufen. Die werden wohl kaum mit Kisten unterm Arm bis zu einem Parkplatz in Mühlburg laufen?
  • Was ist zum Beispiel mit Handwerkern, Pflegediensten, Paketlieferanten oder anderem Zielverkehr, der ein Anliegen dort hat, der ein Ziel dort ansteuert? 
  • Was ist mit Mobilitätseingeschränkten, mit Senioren oder mit Besucherinnen und Besuchern, die zu einer Arztpraxis oder einem Lokal wollen?
  • Wo sind Ausgleichsplätze?
  • Wo sind alternative Haltestellen für Lieferanten oder Pflegedienste?
  • Wer zahlt eventuelle Mehrkilometer für Anfahrten oder bei Taxifahrten?

All das wird von der Verwaltung nicht erwähnt! Doch viele in der Stadt trifft diese zentrale Maßnahme: Ein Manko bei diesem "Versuch"! Wenigstens werden die verkehrlichen Auswirkungen des Verkehrsversuches untersucht, denn es wird wohl zu einem veränderten Fahrverhalten führen, doch nicht so, wie sich das die Mehrheit im Gemeinderat dachte, sondern es bringt wohl auch mehr Verkehr in angrenzenden, bislang meist etwas ruhigeren Nebenstraßen.

Die Zahl der Pkw steigt seit Jahren
Noch einmal zur Erinnerung, auch wenn sich das einige im Karlsruher Gemeinderat wohl nicht vorstellen können: Die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge steigt auch in Karlsruhe seit Jahren. Ein schneller Blick auf die aktuellen statistischen Zahlen der Stadt Karlsruhe reicht dazu. Aktuell: 303.989 Bewohner, 172.687 Haushalte - und 167.624 Kraftfahrzeuge (vor 5 Jahren: 163.169, vor 10 Jahren: 155.878) Alle Zahlen unter https://web6.karlsruhe.de/Stadtentwicklung/statistik/atlas/). Dabei hat die Weststadt - bedingt durch zentrale Lage und Angebot - schon weniger Kraftfahrzeuge (8.062) als Haushalte (12.207).

Doch auch die Paketlieferungen und entsprechende Fahrten haben massiv zugenommen - und Päckchen kommen schließlich nicht in die Haushalte geflogen, dazu wird die Bevölkerung immer älter, braucht mehr Pflege - und schon heute gibt es Handwerksbetriebe, die gewisse Bereiche in der Stadt nicht mehr bedienen, da sie bestimmte Adressen nicht mit Werkzeug und Material erreichen oder dort parken können. Aber offensichtlich werden diese Aspekte bei einer solchen Maßnahme ausgeblendet!

Infos: Die "Ergebnisse" - zuständig ist das Stadtplanungsamt, https://www.karlsruhe.de/stadt-rathaus/verwaltung-stadtpolitik/aemter-dienststellen/detailseite/39-stadtplanungsamt?no_cache=1, werden dem Gemeinderat Anfang 2025 vorgestellt. Dieser entscheidet dann, ob es zu einer dauerhaften Veränderung in der Verkehrsführung kommt.

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Autor:

Jo Wagner

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