Bildungsforschung made in Landau
50 Jahre zepf
Landau. PISA, IGLU, TIMSS & Co. – Generationen von Lehrern und Schülern kennen diese vergleichenden Schulleistungsstudien. Der Grundstein für die objektive Bewertung von Schülerleistungen in Schulen wurde vor 50 Jahren in Landau mit der Gründung des Zentrums für Empirische Pädagogische Forschung (zepf) gelegt. Seither ist die Sicherung und Entwicklung von Qualität in Schule und Unterricht ein wesentliches Anliegen der zentralen Forschungseinrichtung an der Universität in Landau. Die Vergleichsarbeiten VERA in den Klassenstufen 3 und 8, die von Landau aus in sechs Bundesländern durchgeführt und ausgewertet werden, sind ein Beispiel dafür. Sie sind ein Baustein der Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring der Kulturministerkonferenz.
zepf vor 50 Jahren an Erziehungswissenschaftlicher Hochschule Landau verankert
Professor Dr. Karlheinz Ingenkamp gründete vor 50 Jahren das zepf an der damaligen Erziehungswissenschaftlichen Hochschule Landau und heutigen Universität Koblenz-Landau und bewies damit Weitblick: Er verankerte empirische diagnostische Verfahren in der pädagogischen Forschung und Ausbildung angehender Lehrkräfte, seinerzeit ein Novum. „Innovativ und ein Zeichen von Pioniergeist war auch seine Entscheidung, unter einem Dach pädagogische wie auch psychologische Forschung zu vereinen“, unterstreicht Professor Dr. Ingmar Hosenfeld, Mitglied der kollegialen Leitung des zepf. „Erziehungswissenschaftliche Forschung war zu jener Zeit in Deutschland vor allem noch philosophisch orientiert, empirisches Vorgehen unüblich“. Am zepf forschen heute rund 25 Erziehungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Psychologinnen und Psychologen an vielfältigen Themen der empirischen pädagogischen Forschung.
In seiner Forschung hatte zepf-Gründer Ingenkamp die großen Unterschiede bei der Bewertung von Schülerleistungen durch verschiedene Lehrkräfte aufgedeckt und begründete damit die Forderung nach objektiven Bewertungsverfahren in der Schule. „Mit der Begründung der empirischen und somit objektiven Bewertung von Schülerleistungen hat Ingenkamp Standards geschaffen, die heute selbstverständlich sind“, hebt Hosenfeld die wegbereitenden Leistungen des zepf-Gründers und die Bedeutung Landaus für die Bildungsforschung hervor.
Mit dem schlechten Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler bei den Internationalen Leistungsstudien TIMSS und PISA um die Jahrhundertwende wurde der Nimbus der Überlegenheit des deutschen Schulsystems gebrochen. „Die Politik sah sich gefordert, den von Ingenkamp festgestellten Problemen der Leistungsbewertung etwas entgegenzusetzen und etablierte die regelmäßige Überprüfung von Leistungsständen in den Schulen“, so Hosenfeld.
Sicherung und Entwicklung von Qualität in Schule und Unterricht
Die Sicherung und Entwicklung von Qualität in Schule und Unterricht ist auch heute noch ein Hauptbetätigungsfeld des zepf. Alle 3.- und 8.-Klässler in Deutschland und einige im deutschsprachigen Ausland kennen die Vergleichsarbeiten (VERA3 und VERA8), die unter anderem von Landau aus in sechs Bundesländern durchgeführt und ausgewertet werden. Der langjährige Landauer Professor Dr. Andreas Helmke hatte zusammen mit Hosenfeld 2002 die ersten Vergleichsarbeiten in Rheinland-Pfalz entwickelt. Mit ihnen wird der Entwicklungsstand von fachspezifischen Kompetenzen in den Kernfächern Deutsch und Mathematik in Bezug auf die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz der Bundesländer (KMK) ermittelt und mit verschiedenen Vergleichswerten den Schulen zur Weiterarbeit zur Verfügung gestellt. „Diese Werte sind vor allem für die Schulen selbst aufschlussreich und stellen daneben in zusammengefasster Form auch für die Bildungsverantwortlichen in den Ministerien wichtige Grundlagen dar, um Lehren und Lernen weiterentwickeln und den Erfolg der pädagogischen Arbeit besser einschätzen zu können“, so Hosenfeld. „VERA bietet somit Lehrkräften die Möglichkeit der Selbstreflexion und Selbstvergewisserung über den eigenen Unterricht“. Einen Anteil an der Verbesserung der Qualität von Schule zu haben, ist seit der Gründung ein Anspruch des zepf: „Das Bildungssystem in Deutschland ist sehr komplex mit vielen unterschiedlichen Stellschrauben“, unterstreicht Hosenfeld. Unermüdlich arbeitet das Team im zepf daran, an diesen Stellschrauben erfolgreich zu drehen und somit an der Optimierung des Bildungssystems mitzuarbeiten.
In den vergangenen fünf Jahrzehnten sind neben den objektiven Bewertungsverfahren weitere Profilbereiche im Arbeits- und Forschungsfeld des zepf hinzugekommen. Ein Schwerpunkt liegt heute auch auf dem Thema Gesundheit und Wohlbefinden, der sich aktuell insbesondere der Lehrergesundheit widmet. „Die Frage, wie ich Stress, Erschöpfung und Burnout vorbeugen kann, hat in den vergangenen Jahren durch die starke Belastung im Arbeitsalltag zunehmend an Bedeutung gewonnen“, bekräftigt Privatdozentin Dr. Gabriele E. Dlugosch. Ihr Arbeitsbereich geht in gesundheitspsychologischen Studien u. a. der Frage nach, welche prophylaktische Wirkung Selbstfürsorge, Achtsamkeit und Stressbewältigung entfalten können. Ende Oktober startete eine Studie speziell für Lehrkräfte. Darin wollen Dlugosch und ihr Team die präventive Wirksamkeit ihres erprobten Seminarkonzepts im Online-Format für Lehrkräfte prüfen. Das Seminar „Besser leben! Selbstfürsorge für Lehrkräfte“ zielt darauf ab, arbeits- und stressbedingten Belastungsfolgen vorzubeugen. Die wissenschaftliche Begleitung wird vom Bundesforschungsministerium gefördert.
Eine wichtige, und in Zukunft noch bedeutsamer werdende Rolle im Hinblick auf die Forschung zur Qualitätssicherung und -steigerung im Bildungswesen spielt auch die Professionalisierung der verschiedenen Akteure. Diesem Feld widmet sich am zepf u.a. Professor Dr. Josef Strasser, dessen Forschungsschwerpunkt im Bereich der pädagogischen Beratung liegt. „Mit den allgegenwärtigen gesellschaftlichen Veränderungen, wie der Digitalisierung oder der zunehmenden Diversität kommen auf Schule und Lehrkräfte neue Herausforderungen zu, auf die sie nicht immer gut vorbereitet sind“, erklärt Strasser. Längst beschränkt sich professionelles schulisches Handeln nicht mehr nur auf den guten Unterricht im Klassenzimmer. Eine zunehmend wichtigere Rolle spielt etwa die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus. „Doch gerade hier sind Defizite festzustellen“, so Strasser.
Wie sich in einer aktuellen Interviewstudie zeigte, fühlen sich Lehrkräfte im Kontakt mit Eltern oft belastet und sehen sich ungenügend dafür gerüstet, die Kommunikation mit Eltern professionell zu gestalten. Deshalb geht Strasser mit seinem Team aktuell der Frage nach, worin die Schwierigkeiten der Lehrkräfte beim Führen von Elterngesprächen begründet liegen und wie sie besser auf diese Aufgabe vorbereitet werden können. Wie sich in der Befragung von erfahrenen Lehrkräften und Lehramtsstudierenden erwies, scheinen mangelnde Erfahrung mit und Vorbereitung insbesondere auf schwierige und konflikthafte Gespräche zentrale Faktoren zu sein. In simulierten Beratungsgesprächen gelang es angehenden und erfahrenen Lehrkräften oft nicht, adäquat die Perspektive der Eltern wahrzunehmen und im Gespräch zu berücksichtigen. Aktuell werden am zepf Trainingskonzepte entwickelt und erprobt, die helfen sollen, Lehramtsstudierende schon frühzeitig mit typischen und schwierigen Gesprächssituationen vertraut zu machen und sie aus verschiedenen Perspektiven zu erleben. kt
Autor:Thomas Klein |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.