Anne Frank und ihre südpfälzische Verwandtschaft
Ein Tagebuch, das um die Welt ging
von Stadtarchivarin Christine Kohl-Langer
Landau. Heute wäre ihr 90. Geburtstag: Die von den Nationalsozialisten ermordete Anne Frank hat als Jugendliche ein Tagebuch geschrieben, das für Generationen zur Pflichtlektüre wurde und um die Welt ging. Weniger bekannt ist, dass die Vorfahren von Anne Frank aus der Südpfalz stammten und in Landau lebten.
Der Urgroßvater von Anne Frank, Zacharias Frank, wurde im Jahr 1811 in Niederhochstadt in der heutigen Oberkehrgasse 10 geboren. Die Familie war noch nicht lange in der Südpfalz ansässig, die Eltern von Zacharias stammten aus dem bayerischen Fürth. Vater Abraham war Lehrer und Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Hochstadt und hatte wie viele andere seiner Glaubensgenossen die Heimatstadt verlassen, um in der Fremde sein Glück zu finden.
Sohn Zacharias folgte in seiner Berufswahl nicht dem Vater, sondern wurde Bankier. Mit knapp 30 Jahren, im Jahr 1840, verließ er das Dorf und zog in die Festungs- und Garnisonsstadt Landau. Hier hoffte er für sich und seine Familie auf florierende Geschäfte und eine bessere Ausbildung seiner Kinder.
Mittlerweile war er verheiratet, die Beziehungen zum heimatlichen Fürth waren nach wie vor intakt, dort heiratete er auch seine Frau Babette Hammelfett. Deren herabwürdigender Nachname war das Resultat der judenfeindlichen Aktion eines bayerischen Beamten: Eigentlich hieß Babette Hammelburg, der Standesbeamte machte daraus das wenig schmeichelhafte „Hammelfett“.
Das erste Kind starb früh, bis 1855 kamen zehn weitere Kinder zur Welt, von denen acht überlebten. Im Jahr 1870 erwarb Zacharias Frank mit 59 Jahren den mittelalterlichen Vierflügelbau in der Landauer Kaufhausgasse 9, das heutige Frank-Loebsche Haus.
Die Kinder waren mittlerweile aus dem Haus, alle hatten der Pfalz den Rücken gekehrt, es zog sie nach Frankfurt, Paris, Luxemburg und in die USA. Von der Südpfalz in die Welt: Unter diesem Motto kann man zahlreiche jüdische Biografien beschreiben. Gut ausgebildet, suchte die junge jüdische Generation ihr Glück außerhalb der engen Grenzen der pfälzischen „Provinz“. Auch die Kinder von Zacharias Frank waren typische Vertreterinnen und Vertreter des deutschen emanzipierten und assimilierten Judentums, ausgestattet mit guter Ausbildung und der sicheren Hoffnung, durch persönliche Leistungsbereitschaft eine erfolgreiche berufliche Karriere zuwege zu bringen. Voraussetzung dafür war die Bereitschaft zu großer Mobilität, ein zentrales Merkmal, das jüdische Biografien von denen ihrer christlichen Nachbarschaft unterschied.
Zacharias und Babette blieben indes zurück. Zacharias starb am 27. Juli 1884, seine Frau am 10. Oktober 1891 in Landau.
Sohn Michael erbte das Haus in Landau. 1851 wurde er in Landau geboren, er ist der Großvater von Anne Frank. Früh zog es ihn nach Frankfurt, dort baute er ein florierendes Bankhaus auf, das zumindest bis 1929 bestand. Das elterliche Haus in der Kaufhausgasse 9 in Landau überließ er indes seiner Schwester Sophie. Sie heiratete Lion Loeb aus Trier, die Tochter Olga Loeb war die letzte jüdische Besitzerin des Hauses. Von dort wurden am 22. Oktober 1940 23 jüdische Hausbewohnerinnen und -bewohner in das südfranzösische Lager Gurs deportiert. Olga Loeb war zu diesem Zeitpunkt bereits nach Luxemburg geflüchtet. Von dort wurde sie nach Kriegsbeginn in das KZ Theresienstadt deportiert, das sie überlebte. Im September 1946 starb Olga Loeb in Luxemburg.
Als in den 1980er Jahren ein Name für das Haus in der Kaufhausgasse 9 gesucht wurde, stand auch kurz der Name Anne Frank zur Diskussion. Es gibt allerdings keinerlei Belege dafür, dass Anne Frank jemals in Landau war und ihre Großcousine besuchte.
Für die weitverzweigte Familie Frank war und ist Landau aber immer noch ein regelmäßiger Treffpunkt.
Autor:Thomas Klein |
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