BriMel unterwegs
„Blinde Fenster“ und ein göttlicher Gitarrengenuss

Die drei "Köpfe" des Abends: Claus Boesser-Ferrari, Eleonore Hefner, David Emling | Foto: Brigitte Melder
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  • Die drei "Köpfe" des Abends: Claus Boesser-Ferrari, Eleonore Hefner, David Emling
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Ludwigshafen. Für den 5. Juni hatten der Kultur Rhein Neckar e.V. und die Stadtbibliothek Ludwigshafen zu einer weiteren Lesung in der Reihe LITMUS – Literatur und Musik in die Stadtbibliothek Ludwigshafen eingeladen. Es war die letzte Lesung der Reihe vor der Sommerpause und sie war sehr gut besucht. Die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen des Fördervereins LITMUS hatten Getränke und Snacks vorbereitet, wobei letztere im Nu vergriffen waren. Der Eintritt war frei, aber eine Spendenbox für diesen tollen Abend stand natürlich bereit, gefüttert zu werden. Die Moderation der Veranstaltung hatte die charmante Eleonore Hefner als Geschäftsführerin vom Kultur Rhein-Neckar e.V. übernommen.

Claus Boesser-Ferrari ist ein weltweit geschätzter Gitarrenmusiker, der an diesem Abend die ganze Bandbreite seines Könnens zeigte. Gemeinsam mit dem Autor David Emling diesen Abend zu gestalten war eine gute Idee, so dass nicht nur für jeden Geschmack etwas dabei war, sondern auch jeder der Künstler eine kleine Pause hatte.

Die Begrüßung erfolgte durch Tabea Krämer, die für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Bibliothek zuständig ist. Sie wies darauf hin, dass es eine kleine Pause geben würde und zum Abschluss die Möglichkeit zur Signierung der CDs und Bücher bestünde. Eleonore Hefner bedankte sich beim Förderkreis und begrüßte die Gäste, unter ihnen auch viele Stammgäste, die diese Reihe begleitet haben. In dieser Reihe werden Künstler:innen aus der Region Kurpfalz eingeladen – die Menge und Vielfalt von Schreibenden und Musikmachenden ist beeindruckend.

David Emling, geboren 1987, lebt mit seiner Familie im südpfälzischen Bellheim. Seit 2016 ist er Mitglied in der Darmstädter Textwerkstatt in der Gruppe von Martina Weber. M.A. am KIT Karlsruhe im Fach „Europäische Kultur- und Ideengeschichte“, sowie Soziologie; 2017 Promotion an der TU Dortmund zur „Gerechtigkeitskonstruktion im Alltag von Berufspolitikern“. Derzeit arbeitet er als Koordinator des Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ für die Landeszentrale für politische Bildung. 2016 bis 2020 war er Mitglied im „Zentrum junge Literatur“ der Darmstädter Textwerkstatt bei Martina Weber und Kurt Drawert. Emling ist zudem Mitglied der Neustadter Autorengruppe „TeXtur“, im VS (Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller) Rheinland-Pfalz / Saarland und seit Mai 2023 im PEN Deutschland.

Mit seinem Debüt „Daniels Hang“ war er für den Nachwuchspreis Pfalzpreis Literatur 2023 nominiert. David Emling las Passagen aus „Daniels Hang“ sowie Kurzgeschichten aus seinem neuen Buch „Letzter Gruß durchs blinde Fenster“, die alle um die Themen Abschied und Neuanfang kreisten und die Protagonisten bei ihrer Suche nach Zugehörigkeit begleiteten.

Aufgewachsen in der Südpfalz lebt Claus Boesser-Ferrari jetzt in der Kurpfalz. Nach musikalischen Angängen in der Rock-Musik, entwickelte er über klassische Gitarre, Folk und Jazz seinen Stil, der das Vokabular der Akustik-Gitarre erweitert: „Step across the Border“ stellt das New York Jazz Records Magazine fest, von „Avant Groove“ spricht das kalifornische AcousticGuitarMagazine.“Spannend wie Märchen mit unverhoffter Wendung und unsicherem Ausgang“ findet die F.A.Z. sein Spiel. Neben percussiven Elementen und klanglichen Verfremdungen stellt der Gitarrist lyrischen Melodien abstrakte Geräusch-Skulpturen gegenüber. Die SZ beschreibt seine Performance als „eine künstlerische Pioniertat, gleichsam eine grandiose Grenzerweiterung“ und ist begeistert von sphärischer Klangästhetik und effektvollen Verfremdungen. Neben Auftritten rund um den Globus (Ralph Towner, Frith, Marc Ribot, Jutta Glaser u.v.a.) macht er auch Musik für Film und Theater (u.a. für die Schaubühne Berlin, das Schauspielhaus Hamburg, die Theater Zürich und Basel).

Zuerst stimmte der Gitarrist Claus Boesser-Ferrari mit seiner außergewöhnlichen Gitarre mit zwei Stegen auf den Abend ein. Er entlockte ihr ganz besondere wohlklingende Töne, die manchmal fast unwirklich klangen, wie von einer anderen Welt. Ein wahrer Gitarrenmeister! Er hatte schon oft mit dem Autor David Emling gemeinsame Auftritte, der ihn nun abwechselte. Es las ein Kapitel aus der Novelle „Daniels Hang“ und anschließend aus seinem neuesten Buch „Letzter Gruß durchs blinde Fenster“ die Geschichte mit dem „Magnesium“. Aus der Perspektive eines engagierten Familienvaters wird sein Familienleben geschildert und sein Ritual, jeden Morgen eine Tüte Magnesium in einem Wasserglas aufzulösen und zu sich zu nehmen. Er schaue gerne der sich bildenden Schaumkrone auf der Oberfläche zu. Er sieht es nicht als Medizin sondern als Ritual. Er arbeitet nur zu 55 % und kümmert sich den Rest um seine beiden Mädchen (1 und 3 Jahre alt). Für Sport hätte er Zeit, aber keine Lust, also kündigte er seinen Fitnessvertrag. Er denkt immer an seine beiden Kinder, auch als er mit seinem Freund Michael unterwegs war. Ob seine Frau daran gedacht hat, die Kuscheltiere mit ins Bett zu legen?

Nach der Pause bemerkte David Emling, dass alle Besucher*innen noch da waren, was ihn freute und las aus dem Kapitel „Fenster“. Dieses Mal wurde aus der Perspektive einer unglücklichen Frau erzählt, die nach der Geburt ihres Kindes nur noch glückliche Erinnerungen, aber eine unzufriedene Gegenwart hatte und eigentlich von ihrem Mann wegwollte. Die Beschreibung dieser Geschichte ging unter die Haut und auch Eleonore Hefner, die sich anschließend mit dem Autor an einen Tisch setzte, um darüber zu diskutieren, gab zu, dass sie sich die ganze Zeit gruselte. Sie sprachen über den Terror der monogamen Zweierbeziehung und den Terror des Alltags. Ihn interessiert der Moment, wenn sich plötzlich der Abgrund auftut. Es kann auch etwas ganz Banales sein, ein schleichendes Grauen und dann ist es vielleicht zu spät. Diese Geschichte hätte man vor 40 Jahren so nicht schreiben und lesen können, da es eine andere Generation war. Die Sehnsucht nach Sicherheit haben wir mitbekommen. Er sprach von schwachen Männern und Schwäche zeigenden Männern. Es gab immer eine Frauenbewegung und komischerweise nie eine Männerbewegung.

Zum krönenden Abschluss gab es noch einmal feine Musik auf die Ohren, die in einem großen Applaus endete. Was für ein wunderschöner Abend war das bitteschön! (mel)

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Autor:

Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim

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