Zurück zur Natur
Wild, Wilder, Wildnis
Dehäm. Ein Wochenende im Wald, ohne Handy? Was sich wie der Anfang eines Horrorfilms anhört ist der Luxus eines Abenteuercamps, für kleine und große Abenteurer.
Es regnet, als wir mit unserem vollgepackten Rucksack zum vereinbarten Treffpunkt am Wald laufen. Isomatte, Schlafsack, Wechselklamotten, Hygieneartikel und feststehendes Messer standen auf der Liste für das geplante Wildnis-Erlebniswochenende im Wald.
Seit gefühlten drei Monaten brennt die Sonne vom Himmel und ausgerechnet heute regnet es. Eine Gruppe von 15 Leuten im Alter von 20 bis etwa 50 steht bepackt im Regen. Fünf Teilnehmer mit kleinen Rucksäcken sind die Tagesgäste. Sie dürfen heute Abend im weichen Bett schlafen. Warum nochmal bin ich heute dabei, frage ich mich? Ach ja, stimmt, war ein Geburtstagsgeschenk. Zu diesem Zeitpunkt beschließe ich, meinen Geburtstag nie wieder zu feiern. Wie 70 Prozent aller anderen Teilnehmer, die haben das Wochenende auch zum Geburtstag geschenkt bekommen. Rafael Hilser, unser Guide und Bushcrafter, führt uns ins Trockene, einem Camp mitten im Wald das auch für Indianer-Treffen und von anderen Abenteurern genutzt wird. In einer großzügigen Holzhütte verstauen wir unseren Kram und nach einer kurzen Vorstellungsrunde werden wir nach unseren Erwartungen gefragt. Grenzerfahrung meint ein junger Mann, für Pflanzenkunde interessiert sich meine Freundin Ute. Erfahrungen sammeln wollen alle, bestimmt auch die vier Jungs aus Frankreich und England, nur sprechen sie leider kein Wort Deutsch und Rafael kein Wort Englisch. „Passt schon!“ meint dieser und wir machen uns schon auf zu unserer ersten Aufgabe: Feuer machen. Nach einem kurzen Gang durch den Wald, teilt uns Rafael in vier Gruppen auf. Wir sollen mal zeigen was wir können. Feuer verstehen auch unsere französisch-englischen Nachbarn. Wir bekommen drei Streichhölzer und die Dynamik in den Gruppen ist nicht zu bremsen. Unser Feuer gleicht mehr einem verunglückten Adventskranz mit getrockneten Baumnadeln und Tannenzapfen, aber siehe an, nach dem dritten Streichholz entfacht sich ein Feuer. Es wird direkt ausgetreten. Wir bewegen uns zu jedem Zeitpunkt respektvoll gegenüber Natur und Tier im Wald und unser Abenteuer-Guide ist eine echte Koryphäe was Wald und Outdoor angeht.
Die nächste Aufgabe ist Shelter bauen. Wir sollen uns tatsächlich unsere Unterkunft für heute Nacht selbst bauen. Vor dem Projekt Shelter stärken wir uns alle am Lagerfeuer mit leckeren Bio-Würstchen und aufgebackenem Fladenbrot. Die Kälte schwindet und die Stimmung ist gelöst. Alle freuen sich auf die nächste Aufgabe, auch wenn wir keine Ahnung haben, wie wir vorgehen sollen. Unsere Gruppe findet einen gestürzten Stamm im Wald und wir benutzen ihn als Gerüst für unser Nachtlager. Stämme werden angeschleift, aufgeschichtet und in die richtige Größe zersägt. Dabei benutzen wir natürlich nur altes Holz aus dem Wald. Als Dach und zur Isolierung benutzen wir Laub und Zweige und tatsächlich, Platz genug ist für fünf Personen. Vielleicht etwas beklemmend, da unsere Unterkunft nicht besonders hoch gebaut ist, dafür bekommen wir aber am Ende ein Extra-Lob vom Spezialisten. Unser flaches Lager kann die Wärme besser speichern und somit werden wir heute Nacht weniger frieren.
Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit erlernen von Feuer und der Handhabung von Feuersteinen und welche guten Zündmaterialien wir in der Natur finden. Außerdem erfahren wir wie wichtig es ist, ein Tampon und ein Kondom im Outdoor-Survial-Kit mitzuführen. Ein Tampon ist nicht nur praktisch, um ein Feuer zu entfachen: Rafael hatte einen üblen Messerunfall, konnte sich das Tampon in die Wunde stumpfen, was die Blutung stoppte. Das Kondom hatte er sich über die Wunde gezogen und so bis zum Krankenhaus einen 1A Verband.
Die Zeit vergeht wie im Fluge und wir machen uns ans Abendessen. Jeder hat eine Aufgabe, jagen gehört jedoch nicht dazu. Früher hatte er seine Teilnehmer Tiere jagen lassen, die Überwindung das Fleisch zu essen war jedoch so hoch, da beschloss er damit aufzuhören. Er töte keine Tiere, um sie dann wegzuwerfen. Aus Kartoffeln, Mais, Zucchini und Bisonfleisch bereiten wir eine leckere Western-Pfanne auf dem Lagerfeuer zu. An der frischen Luft schmeckt das Essen einfach noch besser und wir haben es uns auch wirklich verdient. Nach dem Essen gibt es noch ein Schluck Whisky aus dem Flachmann des Franzosen und alle fläzen sich um das flackernde Lagerfeuer. „Keine Müdigkeit vortäuschen, es wird gemorst!“ ruft Rafael. Die letzte Aufgabe für heute, dann klingt der Abend gemütlich am Feuer aus. Die Nacht wird hart im Shelter, zu viele ungewohnte Geräusche und dann wieder diese unbekannte Stille, Ute und ich packen unsere Sachen und flüchten ans Lagerfeuer im Camp.
Am nächsten Morgen werde ich von Gemurmel am Lagerfeuer geweckt. Ich habe geschlafen wie ein Stein, meine Kollegen zum größten Teil leider nicht. Die meisten haben böse gefroren und wärmen sich mit frischem Kaffee am Feuer auf. Eier mit Speck und Marmelade- und Salamibrötchen gibt es zum Frühstück, dann geht es auch schon wieder los. Die Sonne strahlt durch die Bäume als wir uns auf den Weg zur Schlucht machen. Seil- und Brückenbaukunde steht auf dem Programm. Und auch das meistern wir im Team großartig. Alle schaffen es die Schlucht zu überqueren. Wie tief die Schlucht war, bleibt unser Geheimnis.
Den Tag über beschäftigen wir uns mit Seilkunde, Bogenschießen und bauen einen großartigen Wasserfilter, der uns tatsächlich braunes Wasser astrein filtert. Stolz und müde verabschieden wir uns am späten Nachmittag von unserem Wildnisführer, Scout und Outdoor-Survival-Experten Rafael. Es war eine tolle Erfahrung, da sind sich alle einig und auch dieses Wochenende hat gezeigt, dass man Sprachbarrieren in einer guten Gemeinschaft mit einer Leichtigkeit überwinden kann. (cat)
Mehr Infos: Bushcraft bedeutet in der Wildnis erfolgreich klarzukommen und die Aneignung von Wissen und Fähigkeiten, die dies ermöglichen. Wildnis-Erlebnisse findet man in der Vorderpfalz über das Hashtag #Bushcraft oder Wildnis-Wochenende auf Facebook oder im Netz. Vom wilden Campen und Abenteuerausflügen auf eigene Faust raten wir ab. Es ist für alle und die Natur besser mit erfahrenen Bushcraftern auf Tour zu gehen.
Autor:Dehäm Magazin aus Ludwigshafen | |
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