Adventskalender-Türchen 20: Helmut van der Buchholz – Freikämpfer der Nörgelfront

Online-Adventskalender: Heute öffnen wir schon Türchen 20 | Foto: Wochenblatt-Redaktion
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Online-Adventskalender 2023. Helmut van der Buchholz ist aus dem Ludwigshafener Kulturleben nicht wegzudenken. Sein geschenkter Einsatz bringt Events hervor, die selbst die Nörgelfront optimistischer stimmen, Menschen aus dem Krisenmodus holen oder Relikte der Ludwigshafener Kulturszene wiederbeleben. Er ist Held des Alltags im Wochenblatt-Adventskalender, weil sein Feingefühl ihm zeigt, was die Menschen gerade brauchen.

Ich treffe Helmut van der Buchholz in seinem Atelier – in Leinenhose und Espandrilles und sein schelmisches Lächeln verrät „Der Tag wird gut“. Im Büro für angewandten Realismus, ein Großatelier im alten TWL Umspannwerk, treffen sich Freizeitkünstler wie Buchholz, um gemeinsam Projekte in Bewegung zu bringen oder einfach nur Kunst zu machen. „Jeder macht, was er will, niemand macht, was er soll, aber alle machen mit“, sagt Buchholz, der immer einen Scherz auf den Lippen hat.

Die Geschichte mit der Kunst beginnt für van der Buchholz schon früh: im Alter von 16 mit ersten Keramiken im offenen Atelier im damaligen Haus der Jugend. Mit 18 fängt er als Gitarrist in der Band Tropfsteine an, spielt später bei Stiebel Eldron, die in den 80ern in den Jazzkellern und Jugendclubs im Stadtgebiet auftreten. Nach einem Schnupperpraktikum beim Ludwigshafener Steinmetzbetrieb Thiele entscheidet sich van der Buchholz für die Bildhauerlehre. Danach schließt er ein Architekturstudium an. Er studiert mit Schwerpunkt Städtebau. Buchholz ist talentiert und hartnäckig. Er fängt kurz nach dem Abschluss im Hochbau als Architekt an. Derzeit arbeitet er im Ludwigshafener Hochbauarchitekturbüro „a|sh“, das auf die Planung von Krankenhäusern spezialisiert ist. Es entwarf das Haus D des Klinikums, die neue Endoskopie im Diakonissenkrankenhaus Speyer und Teile des Marienkrankenhauses. Zu den kleineren Projekten gehört die Kita am Ebertpark und die Kita der Bayreuther Straße. „Ich arbeite dort mit Schwerpunkt Brandschutz und Kostenermittlung und jongliere im Großraumbüro mit hohen, oft dreistelligen Millionenbeträgen“, sagt Buchholz. Seine Kreativität lebt er in der Freizeit.

Linoleumdruck "Spirale"  | Foto: Helmut van der Buchholz
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Ugliest City Tours

Zur Größe auf dem überregionalen Kulturmarkt wurde er durch sein Format „Germany’s Ugliest City Tours“, die bislang auch von den großen Rundfunksendern und den überregionalen Zeitungen Aufmerksamkeit bekommen hat. In der Extradrei Sendung wurde Ludwigshafen 2018 zur hässlichsten Stadt Deutschlands gekürt. „Ich sehe das Bild, das über den Fernseher flimmert, noch vor mir: Im Hintergrund liefen Städtenamen von Gelsenkirchen bis Salzgitter, die Mitstreiter waren“, erzählt van der Buchholz. „Bei der Verkündung des Siegers vor laufender Kamera passierte auch noch eine Panne. Man blendete irrtümlich Fotos von der alten Feuerwache und dem Mannheimer Neckarufer ein. Wir sind nicht in die Falle Eins getappt und haben angefangen zu jammern oder in die Falle Zwei und sind zum Anwalt. Wir haben uns gedacht: ‚Hurra, wir haben gewonnen und machen was draus‘.“

Juwel aus der Zeit des neuen Bauens in der Nachkriegsarchitekturzeit | Foto: Helmut van der Buchholz
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Seitdem inszeniert die Stadt sich mit van der Buchholz‘ Touren selbstironisch als Stadt mit hässlichen Ecken, um sie gegen die Nörgelfront zu verteidigen. „Dass es wie überall schlimme Orte gibt, reißt die Stadt nicht in den Abgrund. Die Politik hatte immer beste Absichten, aber es ist anders gekommen. Die bauliche Verdichtung ist ein Relikt der Bauweise aus den 60ern und 70ern“, erzählt Buchholz. „Mein Eindruck ist, dass die Ludwigshafener missmutig sind und es ihnen an Selbstbewusstsein fehlt. Das Beste, was man mit derlei Touren erreichen kann, ist, dass die Teilnehmer genauer hinschauen und der Stadt etwas mehr Selbstbewusstsein schenken. Ludwigshafen war in den 70ern eine blühende Stadt. Anfang der 80er Jahre gab man mit Gesetzen internationalen Konzernen neue Möglichkeiten, ihre Steuern auch anders zu bezahlen. Es ist kein Zufall, dass Leverkusen, der Sitz von Bayer, eine ganz ähnliche Entwicklung durchgemacht hat wie Ludwigshafen.“ Mainz habe jetzt mit Biontech das große Los gezogen, warum soll das Ludwigshafen nicht auch wieder gelingen?

Zur Wohnsiedlung am Rheinufer führt van der Buchholz bei seinen neuen Stadtführungen | Foto: Julia Glöckner
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Seit 2023 gibt es Touren zu den schönen Orten. „Bei den Touren in diesem Jahr wurden die Potenziale der Stadt am Rhein deutlich, um zu zeigen, dass es bei der Stadtentwicklung trotz Haushaltsloch dank Mitteln aus Mainz weitergeht, dass die Stadt auch Grün kann und es Plätze mit hoher Aufenthalts- und Wohnqualität gibt – also dass vieles in die richtige Richtung geht.“ Jeder muss besser hinschauen lernen, denn die Stadt ist nicht die, zu der sie auf Facebook in Negativkommentaren gemacht wird.

Buchholz selbst hat einen Bezug zur Stadt. „Manche sagen, die Stadt sei gewöhnungsbedürftig. Ich komme mit der Stadt gut zurecht. Als ich in Darmstadt studiert habe, habe ich hier meine Leute gehabt“, erzählt er. Seine Eltern kamen hierher, als er sechs war. Sein Vater war Leiter des Grünflächenamts, seine Mutter hatte auch Gartenbau studiert. Van der Buchholz ist heute 63 Jahre alt und lebt mit Frau und 16-jähriger Tochter in Ludwigshafen Süd. Sein Bruder Martin macht nebenher auch Musik und Kunst.

Mystische Orte am Rhein zeigte Buchholz bei seinen Stadtführungen 2023 | Foto: Helmut van der Buchholz
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Bei van der Buchholz monatlichen Atelierabenden finden sich im Schnitt 90 Gäste im Umspannwerk ein. Die Themen sind nicht klar abgesteckt: Es ging schon um die Geschichte des Rock’n’Roll, Ludwigshafens Jugendbands aus den 80ern oder Architektur. Buchholz interessiert sich auch für die großen Menschheitsthemen unserer Zeit.

Im Januar soll es einen Atelierabend zum Thema Krisenmodus geben; bei vielen habe sich eine Art Dauerschleife aus schlechten Nachrichten, Gedanken und Gefühlen entwickelt. Es soll um Bewältigungsstrategien und Krisenlösungen gehen. Beim Klima zum Beispiel. Es sei möglich, „beim Klimaschutz noch die Kurve zu kriegen“, aber es gebe eine relativ große Menge an Leuten, die lieber rumnörgeln und alles mit Karacho an die Wand fahren lassen.

Buchholz selbst lebt das, was er sagt. Er verzichtet aufs Autofahren. Zu teuer, zu viel CO2. „Wenn man seriös rechnet, geht jeden Tag die erste Stunde nur fürs Autofahren drauf“, sagt van der Buchholz. Als Mitglied des VCD (Verkehrsclub Deutschland) ist er lieber mit dem Rad unterwegs – auch im Urlaub. Die knapp 1.000 Kilometer an den Gardasee legte er in einer Woche zurück. Die kürzeste Tagesetappe ging über 175 Kilometer.

„Damit ich die ganze Vielfalt dieser Stadt zeigen kann, sollte ich wahrscheinlich 120 Jahre alt werden“, scherzt er. Van der Buchholz will immer neugierig und unberechenbar bleiben, offen für Neues und fürs Neudenken – das Geheimrezept seiner Kreativität. Das offene Atelier trifft sich Woche für Woche zunächst bei Angelo im Lutherturm und danach im Umspannwerk. „Dort erzählen wir uns unsere Ideen und Erlebnisse und daraus entsteht dann die große Kunst“, erklärt van der Buchholz.

Das alte Umspannwerk ist heute Großatelier fürs Buero für angewandten Realismus | Foto: Helmut van der Buchholz
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Immer mit einer leichten Prise Humor

Das „Buero für angewandten Realismus“ will die „Gesellschaft vor nahenden Katastrophen bewahren“, was auch durch „Verdeutlichen von Missständen“ und „Aufwerfen unbequemer Fragen“ gelingt. Ein ernster Plan, den van der Buchholz meist leicht umzusetzen weiß ‒ oft mit einer Prise Humor. Sein größtes Ziel für die Zukunft: "Am 8. Juni 2024 planen wir, Gewinner bei der Spaß-Kunstweltmeisterschaft im Hack-Museum zu werden, den das Buero veranstaltet", scherzt Buchholz. Der Kern des offenen Ateliers besteht aus zehn Personen, regelmäßig kommen 20 bis 30 Leute. Jahr für Jahr gibt es das Abschlussfestival „Niveau unter Null“ im Kulturzentrum „das Haus“.

Fördermittel von Stadt und Land erlauben es van der Buchholz, seine Kulturevents kostenlos zu geben. „Ich mache das zu meinem großen Vergnügen und bin froh, wenn ich mit den Ausgaben bei der schwarzen Null lande“, sagt Buchholz. „Mit dem Kulturbüro pflegen wir eine freundschaftliche Zusammenarbeit. Reich wird man durch solche Förderungen nicht.“ jg

Helmut van der Buchholz | Foto: Helmut van der Buchholz
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Adventkalender Türchen 20: Verlosung von Karten für den Jahresrückblick von Urban Priol im Mannheim

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Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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