Glück trotz Krisen: Wie richtig reagieren, um in Balance zu bleiben?
Ludwigshafen. Glücklichsein in turbulenten Zeiten ist herausfordernd. Es kommt dabei auf den richtigen Umgang an – mit den großen Krisen unserer Zeit, aber auch mit persönlichen Krisen. Mit Dr. Michael Kötz, Intendant des "Festival des deutschen Films", hat Wochenblatt-Redakteurin Julia Glöckner über Krisenresilienz, den Glauben an sich selbst und Selbstwirksamkeit gesprochen.
Wissenschaft und Kunst setzen sich seit zehn Jahren damit auseinander, was die existenziell bedrohlich wirkenden Krisen wie etwa die Klimakrise mit den Menschen machen. Dabei lassen sich verschiedene Persönlichkeitstypen unterscheiden, darunter gibt es viele Wechseltypen: Der dominante, kämpferische Typ reagiert mit zielstrebigen Ideen und Plänen für die Zukunft. Er ist mutiger Initiator für Pläne aus der Krise – das sind die Politiker und Macher unter uns.
Der ängstliche Typ reagiert mit Wut, Verzweiflung, manchmal auch Ignoranz.
Der resiliente Typ reagiert gelassen mit einem hoffnungsvollem Sich-treiben-lassen. Dieser Typ erlebt sich dennoch als selbstwirksam, indem er im Rahmen des ihm Möglichen handelt, politische Lösungen zumindest zum Teil annimmt, um die Krise zu bewältigen. Dazu gehören die meisten unter uns.
Herr Kötz, was hilft gegen das Gefühl des Krisenmodus in der Multi-Krise?
Michael Kötz: Gegen Gefühle helfen selten vernünftige Gedanken. Man braucht eher Gegengefühle – vielleicht durch Autosuggestion? Durch Wunschbilder an die eigene Zukunft? Man muss wieder eine Balance herstellen, innerlich. Denn selten ist ja wirklich alles schlecht.
Was macht uns resilient gegen die großen Krisen? Wie schafft man es, nicht ins Grübeln, in Unzufriedenheit oder Ängste zu verfallen?
Kötz: Ich glaube, wer gern grübelt und sich das Schicksal als übermächtig vorstellt, der mag das auch so. Manche sind ja regelrecht verliebt in ihre Ängste, haben sich wunderbar darin eingerichtet, die Welt schlecht zu finden. Das ist eine Form radikaler Selbstliebe, getarnt als angeblicher Realismus angesichts der schlechten Welt. Aber die macht da Gott sei Dank nicht mit und ist noch nie einfach nur schlecht gewesen.
Erfolgreiche Städte haben immer Bürger, die sich aktiv beteiligen, wie Studien belegen. Politik und Wirtschaft konnten reagieren, weil sie einen kollektiven Willen sahen. Könnte so etwas in Ludwigshafen auch klappen?
Kötz: Das kann überall gelingen, wo Menschen sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden, sondern es ändern wollen. Allerdings ist es dabei wichtig, dass der Einzelne sich nicht als Einzelner sieht, sondern als das, was wir Menschen ohnehin sind, nämlich Herdentiere. Sich als Teil von Vielen zu fühlen, wertet einen als Einzelnen nicht ab, sondern auf. Wirkliche Individualität gründet immer darin, sich als Teil einer Gemeinschaft zu sehen. Gibt es genug, die so denken, geht es los mit der Politik.
Was bräuchte es noch dafür?
Kötz: Es braucht nichts außer der Entschlossenheit des Einzelnen, wenn diese Entschlossenheit keine einsame ist.
Was geben Sie also Menschen mit, die sich politisch selbstwirksamer erleben wollen?
Kötz: Es beginnt immer damit, dass man im kleinen Kreis nicht nur über die Dinge redet, die einen alleine betreffen, sondern die auch den anderen wichtig sind, den vielen fremden Menschen um uns herum. Dann beginnt schon das Politische, keineswegs nur "bei denen da oben". Denn Politik ist kein Beruf, sondern eine Einstellung gegenüber der Welt. Wer sich nicht für Politik interessiert, hat ganz schlechten Karten, damit auch glücklich zu werden. Weil eben niemand alleine lebt und weil man sich deshalb entweder einmischt oder von anderen durchgemischt wird. Eines von beiden.
Warum gibt es so wenige Menschen, die bei politischen Lösungen mitdiskutieren wollen oder mit Politikern tauschen wollen?
Kötz: Wer dauernd auf Lösungen wartet, die "die da oben" für ihn schaffen sollen, der hat noch nicht verstanden, dass er in einer Demokratie lebt. Da gibt es "die da oben" nämlich gar nicht oder jedenfalls nur solange, wie wir sie da oben lassen. Sie sind von uns abhängig, wir umgekehrt von ihnen nur eine Zeit lang. Dann kommt die nächste Wahl. Wir sind also alle Politiker.
Was sind die Mechanismen des Wandels in einer Demokratie? Wie kann man die Zukunft der Kommune in die eigenen Hände nehmen?
Kötz: In einer demokratischen Gesellschaft geschehen alle Veränderungen nur dann, wenn eine Mehrheit sie haben will, jedenfalls letzten Endes. Würde aber die Mehrheit in direkter Demokratie spontan entscheiden können, was sich ändern soll und was nicht, also keine Volksvertreter wählen, sondern immer direkt abstimmen, dann wäre das ein Problem. Und zwar ein großes. Denn Menschen, die sich mit den Dingen in Wahrheit nicht wirklich befassen, die blicken auch wortwörtlich nicht durch – und wenn sie dann entscheiden sollen, dann tendieren sie geradezu instinktiv dazu, am besten alles beim Alten zu belassen, also bei dem, was sie kennen, was sie sich aus Erfahrung auch zu beurteilen trauen. Daran aber würde die Gesellschaft zugrunde gehen, weil sie nicht weiterkäme. Es braucht also einen zeitlichen Spielraum, es braucht die Möglichkeit, dass Volksvertreter ein paar Jahre lang abweichen von dem, was die Mehrheit spontan gut finden würde. Aber eben auf Zeit. Ist das Neue halbwegs eingeführt, kann der Wähler besser entscheiden, weil es nicht mehr abstrakt ist, sondern konkret geworden ist. Nur so kommen wir weiter.
Wer nicht Politik machen will, kann bei sich selbst anfangen. Wer sich selbst ein schönes Leben schaffen kann, also weiß, was er im Leben will und sich darauf verlässt, dass er es erreichen kann, ist glücklicher. Was gehört für Sie dazu?
Kötz: Allein kann niemand sein Glück machen. Das geht nicht. Glück bekommt man, aber man macht es sich nicht selbst. Und wer bitte weiß denn, was er will im Leben? Viele fixe Ideen sollten besser nie Wirklichkeit werden, sonst wird es so traurig wie so oft bei den Lottogewinnern. Leben ist, was mit uns passiert, während wir dachten, es würde nach uns gehen. Nein, man kann sich nicht "selbst ein schönes Leben schaffen", dazu braucht es die anderen und glückliche Zufälle.
Glöckner: Naja, man kann sich natürlich auch zu zweit, als Familie oder in einem Mehrgenerationen-Wohnhaus ein schönes Leben schaffen. Man sollte wissen, was Freude macht, was man im Leben noch erreichen oder ausprobieren will und seine Interessen leben. Das gibt Orientierung. Andererseits machen manche Ziele am Ende sicher doch nicht glücklich, das stimmt. Auf jeden Fall soll Dankbarkeit für all das, was man schon hat, helfen beim persönlichen Glück. Glückstherapeuten empfehlen wöchentliche Dankbarkeitslisten. Dankbare Menschen, die nicht ständig hadern und meckern, sind nachweislich viel glücklicher als andere. Wie kann man sein inneres Glück beeinflussen?
Kötz: Indem man es nicht dauernd haben will, das Glück. Das mag das Glück nicht, da geht es stiften.
Herr Kötz hat in Philosophie promoviert und Politische Wissenschaften und Literaturwissenschaften studiert. jg/red
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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