Kraft fürs Umkrempeln: Künstler richtet den Blick aufs Positive an LU
Ludwigshafen. Alles ist relativ, auch der Blick auf Ludwigshafen. Der Künstler Andreas Hilgert rückt innerstädtische Orte in seinen Filmen in ein schönes Licht und ist damit auf Social Media Teil einer ganzen Community. Seine Botschaft: Pauschalisierungen vom hässlichen Underdog sind was für Meckerer. Und Meckern bringt weder einen selbst, noch die Stadtgesellschaft weiter.
Von Julia Glöckner
In Hilgerts Kunst offenbart sich eine tiefe Liebe zur urbanen Ästhetik Ludwigshafens. Bei dem selbstständigen Tanz- und Kampfkunstlehrer hat sich der Perspektivwechsel beim Blick auf LU schon vor Jahren vollzogen. „In der Rückerinnerung höre ich mich von 15 Jahren noch sagen, dass Ludwigshafen keine schöne Stadt ist. Bei der Suche nach Motiven veränderte sich mein Blick völlig“, erzählt Hilgert. „Ich habe daher zwar immer noch Verständnis für diese schlechte Meinung, dennoch glaube ich, dass ihre Vertreter Ludwigshafen gar nicht so richtig kennen.“
Von Vorurteilen geprägt
Viele Kurpfälzer und Pfälzer sind morgens und abends als Pendler auf der Hochstraße unterwegs. Ihr Bild ist geprägt von dem, was man von dort aus oder am Hauptbahnhof sehen kann: Beton und Hochhausplattenbau. Auch die City zeigt sich mit viel Nachkriegsarchitektur. Was bleibt, sind viele Vorurteile, ohne dass man die Stadt wirklich kennt.
„Voreingenommenheit entsteht immer dann, wenn man eine Meinung übernimmt, ohne zu wissen, worum es wirklich geht“, sagt Hilgert. Er macht sich seit Jahren auf die Suche nach schönen Ecken. Obwohl er drei Viertel seiner Lebenszeit in Oggersheim verbrachte und seine Eltern sowie sechs seiner acht Geschwister die Stadt seit jeher ihre Heimat nennen, erlebt er immer wieder, dass man sie neu entdecken kann. Vor zwei Wochen stieß er auf den versteckt liegenden Skulpturengarten, an dem er jahrelang vorbei gelaufen war. „Pauschalisierungen hört man meist von Leuten, die nicht genau hinschauen und nicht suchen“, stellt Hilgert fest.
Auf Facebook zeigt sich anderes Bild von LU
Zu den Vorurteilen trägt etwa der Wettbewerb des Satiremagazins „extra drei“ bei. Dieser kürt Ludwigshafen immer wieder zur hässlichsten Stadt Deutschlands. Diese Beurteilung locker hin zu nehmen und sich mit dem Titel selbstironisch zu inszenieren, ist nicht jedermanns Sache. Auf Facebook starten Bürger und Geschäftsleute ihre eigene Kampagne. Dort hat sich eine Community gebildet, die anhand von Fotografien, Filmen und Beiträgen zeigt, wie schön LU ist. Auch, um dem Spott entgegenzuwirken.
Die hässlichen Klischees von der Industriestadt und den Menschen, die dort ins Abseits geraten sind, kamen erst allmählich. Viele Städte, die durch die Nachkriegsarchitektur der 60er, 70er und 80er geprägt sind, die den Kostenfaktor stets im Blick hatte, weisen ebenso Bausünden, Vernachlässigung und Leerstände auf – etwa Teile Frankfurts, Duisburgs und Berlins. Auch dort ist der Anteil der Menschen, die nicht auf der Sonnenseite leben, hoch. Dort wird das jedoch nicht so sehr zum Thema gemacht. „Eine Stadt besteht nicht nur aus Gebäuden. Wenn man über eine Stadt redet, redet man auch über die Menschen, dir dort leben“, sagt Hilgert.
So viele Potenziale
„In der Wahrnehmung der Umgebung zeigt sich, wie man drauf ist“, sagt Hilgert. „Besonders in Ludwigshafen wird ständig Negatives thematisiert. Wichtig ist aber, dass man lernt, den Blick aufs Schöne zu richten.“ Erst dann habe man die Kraft, sein Leben zu bewältigen und damit auch zur Lösung der städtischen Probleme beizutragen.“ Hilgert hat das so kultiviert, weil er selbst schon durch Krisen gegangen ist und feststellen musste, dass der negative Blick nur in eine Abwärtsspirale führt.
„Sobald man die guten Dinge sieht, ein schönes Gespräch oder Erlebnis, verändert sich die Perspektive.“ Rummosern hat noch keinem geholfen.
Es laufen viele Projekte in Sachen Städtebau und Stadtentwicklung. Ludwigshafen bekommt eine neue Hochstraße, die Heinrich-Pesch-Siedlung wird in den nächsten Jahren gebaut, der Berliner Platz soll in neuem Glanz erstrahlen, große Teile von LU-Mitte sind Stadtentwicklungsgebiet. Der Marketingverein hat im Bürgerdialog eine Vision für die City mit Hochhausbegrünung und Kunstviertel bis 2053 entwickelten. Ziel ist eine belebte Innenstadt mit Aufenthaltsqualität. Bis dahin will Hilgert in einem großen Videoarchiv Eindrücke von Ludwigshafen im Wandel bewahren: Bilder von Gebäuden wie dem Rathauscenter, mit denen Alteingesessene Erinnerungen und Gefühle verbinden.
Weitere Informationen:
Hilgert ist unter anderem auf Youtube unter seinem Namen zu finden.
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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