Durch ruchlose Hand
Mord in Grünstadt

Der Schillerplatz in Grünstadt um 1915. Im Vordergrund rechts ist der Kolonialwarenladen von Anna Mehle. | Foto: Archiv Richarda Eich
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Grünstadt. Die Kolonialwarenhändlerin Anna Mehle wurde vor über 90 Jahren ermordet. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt.

Als die alte Dame um Hilfe schrie, würgte sie der Täter. Doch Anna Mehle riss sich los und lief in den Hof. Der Täter eilte hinterher, es gab ein Handgemenge, die schwere Farbmühle kippte um, doch der Täter griff das Beil und schlug ihr auf den Kopf. Nun gab die Frau Ruhe. Sie war tot. So oder so ähnlich mag sich der Mord an Anna Mehle am Samstag, 14. Juli 1928, abgespielt haben.
Mit der heutigen Kriminaltechnik wäre der Mord problemlos aufzuklären. Denn einer der Täter hat DNA-Spuren am Tatort zurückgelassen. Da ist sich Joachim Specht sicher. Der Grünstadter Polizeibeamte und Vorstand des Altertumsvereins hat die Geschichte um den Raubmord nachrecherchiert. Er hat ein besonderes Interesse an der Tat, da sein Eltern- und Wohnhaus in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen Kolonialwarenladens von Anna Mehle am Schillerplatz 7 lag, wo sie ermordet wurde. Er hatte von der Tat quasi aus „erster Hand“ von seiner Großmutter erfahren.

Obduktionsbericht

Nachbarn fanden die Leiche der Geschäftsfrau in den Abendstunden des 14. Juli. Die Ladentür war verschlossen, obwohl das Geschäft üblicher Weise zu dieser Zeit noch geöffnet war. Herbeigerufene Verwandte und die Polizei stellten den Tod der 65-jährige Anna Mehle fest, die laut Obduktionsbericht eine elf Zentimeter lange und fünf Zentimeter breite Wunde an der Stirn und einen eingeschlagenen Schädelknochen aufwies und zuerst gewürgt und dann erschlagen worden war.
Bereits am nächsten Vormittag rückte eine Kommission des Landgerichts Frankenthal an mit Ermittlungsrichter, Staatsanwalt und mehreren Kripobeamte sowie Professor Georg Popp, damals der bekannteste Kriminalist im Land. Er gehört zu den Begründern der naturwissenschaftlichen Kriminalistik und der modernen Rechtsmedizin in Deutschland und hatte unter anderem 1908 einen Mord in Falkenstein am Donnersberg spektakulär aufgeklärt.
Die Kriminalisten entdeckten im Hof ein Beil, mit dessen stumpfer Rückseite der Schädel der Frau eingeschlagen worden war. Außerdem fanden sie einen so genannten Totschläger, den der Mörder offenbar verloren hatte, sowie die umgestürzte Farbenmühle neben der Leiche. Schnell führten die Ermittlungen zu zwei Tünchern, Vater und Sohn aus Bad Dürkheim, die kurz zuvor bei der Geschäftsfrau Malerarbeiten durchgeführt hatten. Es war ein größerer Geldbetrag verschwunden, von dem neben Mehle nur die beiden Tüncher und der Geldbriefträger wussten. Die Tatverdächtigen wurden intensiv vernommen und ihr Wohnhaus in Bad Dürkheim durchsucht, was jedoch zu keinen handfesten Beweisen führte. Und obwohl beide die Tat bestritten, erfolgte Anklage gegen sie.

Aus Mangel an Beweisen

Am 4. Dezember 1928 begann am Landgericht Frankenthal die Schwurgerichtsverhandlung unter Vorsitz des geachteten Juristen Landgerichtsrat Joseph Guggemos. Zahlreiche Zeugen wurden vernommen, ohne den Sachverhalt befriedigend aufzuklären. Eine neue Spur, die zu einem entfernten Verwandten der Ermordeten nach Eisenberg führt, verlief ebenfalls im Sande, da sich der Verdächtige zwischenzeitlich das Leben genommen hatte. Der angeklagte Maler aus Bad Dürkheim wurde am 8. Dezember 1928 aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt. Anna Mehle war am 17. Juli 1928 unter großer Anteilnahme auf dem Grünstadter Friedhof beigesetzt. In der Todesanzeige hieß es: „... durch ruchlose Hand plötzlich entrissen“. jlk

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