Nach Klage vor Bundesfinanzgericht: Stadt braucht zweiten Nachtragshaushalt
Ludwigshafen.Dass 2023 ein zweiter Nachtragshaushalt notwendig wird, damit hatte bei der Stadtverwaltung niemand gerechnet. Das Finanzamt hatte die Gewebesteuer fürs größte Unternehmen Ludwigshafens im Jahr 2001 sowie in den Jahren 2010 bis 2020 zu hoch angesetzt. Der größte Gewerbesteuerzahler hat nun erfolgreich vor dem Bundesfinanzgericht gegen die zu hohe Besteuerung geklagt.
Von Julia Glöckner
Kämmerer Andreas Schwarz spricht beim Pressegespräch nur ungern von einem „historischen Tief“. „Wir sind bei den Gewerbesteuereinnahmen damit jetzt auf dem Niveau einer Kleinstadt angelangt. Andererseits stehen wir vor der Herausforderung, Leistungen für Urbanität in dieser Größe zu erbringen“, sagt er.
Das größte Unternehmen Ludwigshafens erhält Gewerbesteuer in Höhe von 101 Millionen Euro zurück. Den Gewerbesteuermessbetrag hatte das Finanzamt für elf Kalenderjahre nicht korrekt berechnet. Zu diesem Urteil kam das Bundesfinanzgericht nach einer steuerlichen Prüfung. Auf Grundlage der hohen Steuervorauszahlungen ergibt sich jetzt die Rückzahlungspflicht. Dafür muss die Stadt einen Kredit aufnehmen. Im Haushalt bedeutet das ein Defizit von weiteren 126 Millionen – inklusive Zinsen. Nach dem ersten Nachtragshaushalt muss nun ein zweiter verabschiedet werden. Mit beiden Nachtragshaushalten ist mit einem Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben in Höhe von rund 200 Millionen Euro zu rechnen.
Gewerbesteuereinnahmen im Tief
Unterm Strich stehen der Stadt im Jahr 2023 nur noch Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 11,8 Millionen Euro zur Verfügung. Ursprünglich waren mal rund 150 Millionen Einnahmen aus Gewerbesteuer für 2023 kalkuliert. Die 11,8 Millionen ergeben sich nach Berücksichtigung der beiden Nachtragshaushalte. In der letzten großen Wirtschaftskrise nach der Lehman-Pleite 2009 hatte die Stadt nur 67,6 Millionen Euro Einnahmen aus Gewerbesteuer, im Corona-Jahr 2020 74,9 Millionen Euro, wobei der Bund 2020 durch Kompensationszahlungen das Defizit teils wettmachte. „Ganz klar sind aber diese 11,8 Millionen Euro nicht aussagekräftig für die Wirtschaftskraft Ludwigshafens, sondern ergeben sich eben aus den beiden Nachtragshaushalten“, ergänzt Schwarz. Hinzu kommt die stagnierende Wirtschaft.
Schuldenschnitt greift
Die gute Nachricht: Zwar würden die Gesamtschulden durch die 200 Millionen Defizit eigentlich von 1,5 Milliarden auf 1,7 Milliarden steigen. Doch das Entschuldungsprogramm des Landes greift in 2024 bereits. Mit ihm übernimmt das Land von den Kommunen Jahr für Jahr Schulden in Millionenhöhe. 2024 wird es 500 Millionen von der Stadt Ludwigshafen übernehmen, so dass bei der Stadt nur noch 1,2 Milliarden Schulden bleiben.
Nachdem einige Maßnahmen mit dem Entschuldungsprogramm des Landes im Mai dem Rotstift zum Opfer gefallen waren, um überhaupt ein ausgeglichenes Zahlenwerk verabschieden zu können, seien weitere Kürzungen nicht zu befürchten. „Der Stadtrat wird bei weiteren Kürzungen von Maßnahmen nicht mitgehen“, sagt Schwarz. „Weitere Einsparungen sind nicht machbar.“
Zudem soll das neue Defizit laut Stadt nur Effekte auf den Finanzhaushalt 2024 haben, also auf die Geldzuflüsse in Form von Einnahmen und Abflüsse in Form von Krediten und Ausgaben. Auf den Ergebnishaushalt, also den Verwaltungshaushalt, der die tatsächlich zur Verfügung stehenden Ressource beschreibt, soll sich der entstandene Fehlbetrag aus 2023 nicht auswirken.
Konjunkturerwartungen
Ob man in den nächsten Jahren mit einer Entspannung der Wirtschaft, mehr Gewerbesteuerreinnahmen und damit mit mehr Handlungsspielraum durch Aufnahme von Maßnahmen rechnen kann, ist nicht absehbar. Laut Kämmerer Schwarz gibt es gegenläufige Trends. Einerseits gebe es eine gewisse Erwartungshaltung, dass die Wirtschaft sich stabilisiert und man damit angesichts des eingeschlagenen Konsolidierungspfads mehr Spielraum hat. Andererseits bringe das neue Wachstumschancengesetz Steuerausfälle in Milliardenhöhe für die Kommunen mit sich. Denn durch die Steuerentlastungen für die Unternehmen kommt es auch zu Mindereinnahmen der Kommunen.
„Ein Minus in dieser Größenordnung aus einem Nachtrag nach einer steuerlichen Prüfung ist künftig nicht mehr zu erwarten“, betont Schwarz. Dagegen sorge man künftig vor.
Neuer Haushalt 2024 kurz vor dem Beschluss
Nachdem der Haushalt 2024 nun von Montag, 30. Oktober, bis Donnerstag, 16. November, für die Bürger zur Einsicht ausliegt, wird er im November im Finanzausschuss beraten und im Stadtrat im Dezember beschlossen werden. Danach wird sich der ADD der Prüfung annehmen. jg
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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