Nach Streit um Pfälzer Weinhoheiten darf Munnemer Kerweprinzessin nicht sterben

Prinzessinnen aus den Weindörfern bei der Eröffnung der Hambacher Kerwe. Mit dem Ende der Weinhoheiten wäre so mancher Mädchentraum zerplatzt. | Foto: Eva Bender
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  • Prinzessinnen aus den Weindörfern bei der Eröffnung der Hambacher Kerwe. Mit dem Ende der Weinhoheiten wäre so mancher Mädchentraum zerplatzt.
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Ludwigshafen. Zunächst sollte die Pfälzer Weinkönigin beerdigt werden, nun trat bei der Munnemer Gockelskerwe erstmals keine Kerweprinzessin mehr an. Dabei sind Keweprinzessinnen in der Pfalz ein Brauchtum, das seit den 70ern besteht. Die Arbeitsgemeinschaft Mundenheimer Vereine (AGM) will es pflegen und steuert dem Ende des Prinzessinnenamts entgegen.

Von Julia Glöckner

Die zauberhafte, frische, quirlige Figur mit Krone und in Abendgarderobe gibt es in Mundenheim schon seit 46 Jahren. 1978 führte die AGM die Prinzessin mitsamt Insignien und Zeremonien direkt nach ihrer Gründung ein. Die Prinzessin repräsentiert die Karnevals-, Sport- und die weiteren Mundenheimer Vereine ein Jahr lang auf einigen wichtigen Stadtteilevens. Ihre Auftritte, Reden und Grußworte machen nicht nur die Kerweeröffnung, sondern auch die Jubiläen, Vereinsfeste und Ehrungen traditionsgeladener und festlicher. Nun gab es zum ersten Mal seit 46 Jahren keine Interessentin für den Posten, der bislang immer gut gefragt war. Ohne Prinzessin wird etwas vom Kerwezauber verloren gehen. Schon die Krönung bei der Eröffnung durch bekannte Gesichter aus Kommunalpolitik, Wirtschaft oder der Stadtspitze entfällt ohne Prinzessin. Brauchtumspflege wird vor allem in der Pfalz sehr geschätzt. Dort gibt es auf einigen Kerwen eben schon seit Jahrzehnten Prinzessinnen.

Die AGM sucht nach den Gründen und versucht entgegenzusteuern. „Im Leben junger Menschen gibt es heute andere Schwerpunkte. Denn seit der Bologna-Reform ist das Studium deutlich straffer. Viele suchen sich zweckgebundene Ehrenämter, etwa in Klimabündnissen. Ein ganzes Jahr lang Kerweprinzessin zu sein, ist für manche gefühlt zu lang“, sagt Holger Scharff, Vorsitzender der AGM. „Dabei ist der Zeitaufwand relativ klein. Es gibt fünf Jubiläen oder kleine Vereinsfeste im Jahr“, so Scharff.

Ehrenamt trägt vieles

Gerade solche Ehrenämter in den Freizeitvereinen halten die Gesellschaft zusammen, sorgen dafür, dass Menschen zusammenkommen. Der Trend ist insgesamt sichtbar: Junge Menschen sind bereit, sich für andere einzusetzen. Sie für das Ehrenamt oder gar ehrenamtliche Führungsaufgaben zu begeistern, fällt Verbänden schwer. Früher war der Verein die Freizeit, heute haben junge Menschen unzählige Mittel der Freizeitgestaltung. Dabei läuft es in der Gesellschaft ohne Ehrenamt nicht. Vieles wird vom Ehrenamt getragen. Es ist wichtig, die Vereinsbindung wieder zu stärken. Denn das Freizeitangebot im Netz ist kurz- und schnelllebig. Freundschaften, die im Netz zustande kommen, halten im Schnitt zehnmal kürzer als solche, die sich aus dem Vereinsleben ergeben. Dort begegnet man sich anders, lernt sich erst kennen, bevor man Freundschaften eingeht. Und man teilt von Anfang an dieselben Interessen. „Die Parteien erleben ähnliche Nachwuchsprobleme. Zum Studium gehen viele jungen Leute weg und kommen auch danach nicht mehr zurück. Das Berufsleben erfordert heute Flexibilität“, sagt Scharff.

Sterben Pfälzer Hoheiten aus?

Auch für den Posten der Weinhoheit gab es in der Rebenregion Pfalz für 2024 nur zwei Bewerber:innen und einen männlichen Interessenten. Der Verein Pfalzwein, dem 130 Winzer:innen angehören, entschied deshalb, das Amt neben Frauen zudem für Männer zu öffnen und unter dem Titel Weinbotschafter zu führen. Auch weil die Aufmachung mit Krone und Abendkleid nicht mehr zu dem passt, was die Fachfrauen heute alles darstellen und können – Fachkompetenz, politische Expertise, selbstbewusstes Auftreten und oft mehrere Fremdsprachen – sollte der Bewerberkreis auch Männer einbeziehen. Statt Krone sollte es eine Anstecknadel geben. Viele junge Winzerinnen waren für die Modernisierung des Amts.

Die ehemalige Deutsche Weinkönigin Janina Huber, die Pfalzwein im Vorfeld zur Modernisierung des Amts beraten hatte, berichtete, dass sie sich mit dem Ding auf dem Kopf oft unwohl fühlte. Sie betrat im Ausland einen Saal mit Krone und im Cocktailkleid und wurde ausgelacht. Bei politischen Events hätte sie gespürt, dass niemand mit ihr wegen ihres Outfits das Gespräch suchte. Auch der Pfalzwein-Geschäftsführer Greilinger sprach von Vorurteilen, mit denen man den hochkompetenten König:innen begegne, nur weil die Aufmachung nicht mehr zeitgemäß sei. Das Amt mache eben heute viel mehr aus als nur von der Bühne zu lächeln und zu winken.

Andere ehemalige Weinhoheiten, Kommunalpolitiker aus der Pfalz und eine Petition mit rund 6.000 Teilnehmern sprachen sich für die Beibehaltung der märchenhaften Krone aus. Sie mache das Besondere am Amt aus.

„Dass unsere Kerweprinzessinnen sich bei den Events und Ehrungen unwohl gefühlt haben oder sie Vorurteilen ausgesetzt waren, gab es bislang noch nicht“, betont Scharff. „Sie tragen, was sie anziehen wollen. Bei ihren Festreden können sie im Hosenanzug und mit Krone die Bühne betreten und zum Kindernachmittag im Sommerkleid kommen. Auch sie müssten auftreten können, zu vielen Themen Tischgespräche führen. Ihre Reden, die sich vor 300 Leuten halten, schreiben sie selbst.“

„Unser Amt kann mit dem der Weinhoheit nicht verglichen werden. Für uns geht es um Brauchtumspflege und viel weniger darum, eine Marke oder gar die Weinagrarökonomik zu repräsentieren“, sagt die ehemalige Kerweprinzessin Marion I. 

Unter den Göckelsmädels, also den jungen Frauen im Karnevalsverein, ist das Ehrenamt so gefragt wie eh und je. „Alle im Verein, die in den letzten Jahren 18 wurden, waren schon Prinzessin. Nun soll es ausnahmsweise mal jemand sein, der nicht Tochter eines Vereinsmitglieds oder selbst Mitglied ist“, erzählt Marion I, die 1989 Prinzessin wurde. Ihr Vater war im Vorstand des MGV Liederkranz, ein Chor der später mit einem anderen Chor fusionierte. „Für mich war immer klar, im Abiturjahr mach ich das“, erzählt Marion. Auch für ihre Tochter Vivian I war klar, dass sie ein Jahr nach dem Abitur 2018 die Kerweprinzessin geben wird, sobald sie alt genug dafür ist. „Den Traum, einmal Prinzessin zu sein, gibt es noch bei vielen jungen Frauen“, sagt Annika I. „Wie oft im Leben hat man schon mal Gelegenheit, so ein Kleid zu tragen?“, ergänzt Marion I.

Kompetente Weinkönigin bleibt

Befürworter und Gegner der Weinkönigin haben sich inzwischen auf einen Kompromiss geeinigt: Männer sind als Bewerber zugelassen, tragen Anstecknadel und den Titel Weinhoheit. Frauen unter den Interessenten heißen weiterhin Königin und tragen Krone.

In Diskussionen auch mit Korne auf dem Kopf und im Dirndl seinen Mann oder seine Frau stehen können – das wird in unserer multidiversen, modernen Gesellschaft also erwartet. Vorurteile lassen sich nur entkräften, wenn man sich von dem Image und der alten Rolle löst. Statt der Weinkönigin muss man also den Glauben beerdigen, man könnte als Dekofigur degradiert werden, nur weil man ein schönes Kleid und eine Krone trägt. Was bleibt den künftigen Weinköniginnen angesichts der Erwartungen an die Frau von heute auch anderes übrig? Solche Vorurteile sind überkommender als die alten Insignien wie Krone und Weinpokal. Gefühle des Unwohlseins in der Aufmachung als Prinzessin oder Königin darf man demnach also gar nicht erst aufkommen lassen. 

Weitere Informationen:
Die AMG sucht weiterhin eine Prinzessin, die die Vereine im laufenden Jahr repräsentiert. Sie kann auch erst im Jahr 2025/26 antreten. Bewerber:innen melden sich gerne bei Holger Scharff unter holger.scharff@gmx.de. Um den Stadtteil zu repräsentieren, können sie auch zwischen 15 und 17 Jahre alte sein, solange die Eltern bereit sind, sie zu begleiten oder ihr Einverständnis für Eventbesuche zu geben, so Scharff. jg

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Prinzessinnen aus den Weindörfern bei der Eröffnung der Hambacher Kerwe. Mit dem Ende der Weinhoheiten wäre so mancher Mädchentraum zerplatzt. | Foto: Eva Bender
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Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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