Ludwigshafener Stadtmuseum plant digitale Reihe
Persönliche „Corona-Erlebnisse“ gesucht
Von Charlotte Basaric-Steinhübl
Ludwigshafen. Im März 2020 hatte die Corona-Pandemie Deutschland erreicht, kurzerhand wurden Geschäfte, Kitas, Schulen oder Gaststätten geschlossen. Von einem Tag auf den anderen änderte sich für viele der Alltag in gravierender Weise. Plötzlich waren die Kinder nicht in der Kita oder Schule, sondern zuhause. Schulkinder sollten von den Eltern daheim unterrichtet werden, während diese gleichzeitig im Homeoffice arbeiten sollten. Die Corona-Krise führte vielerorts auch zu tiefgreifenden Veränderungen im sozialen Leben. Was plötzlich vor allem notwendig wurde, war der Rückzug von Familien oder alleinstehenden Menschen auf sich selbst – eine für das Leben im 21. Jahrhundert von heute auf morgen vollkommen ungewohnte und teilweise schwer zu bewältigende Situation.
Ab Mitte Mai, nach circa zehn Wochen, wurden die restriktiven Verhaltensregeln nach und nach gelockert. Verstärkt setzte die Diskussion um die mit den Lockerungen verbundenen Risiken, aber auch die Folgen der Einschränkungen ein. Die Debatte dauert aktuell, Mitte August 2020, noch an.
Dokumentation der Erlebnisse
Relativ früh begannen viele Stadtmuseen in Deutschland, die Bürger*innen ihrer Städte aufzufordern, individuelle „Corona-Erlebnisse“ möglichst zeitnah zu dokumentieren und diese für Bild-, Text- und Tonarchive ihrer Kommunen zur Verfügung zu stellen. Damit sollen auch künftige Generationen einen Eindruck von den Folgen der Virusausbreitung gewinnen können, der über die reine Statistik hinausreicht. Und wer sind die Experten für das Leben in ihrer Stadt? Natürlich die Bürgerinnen und Bürger, die dort wohnen.
„Luxus in LU?“
Das Stadtmuseum Ludwigshafen überlegte sich daher, wie man Eindrücke, Erlebnisse und Veränderungen aufgrund der Corona-Pandemie durch Beiträge von Bürger*innen Ludwigshafens sammeln könnte. Der Fokus sollte eher auf den möglichst positiven Aspekten des „Shut- oder Lockdowns“ liegen - nicht zuletzt, um Hoffnung zu machen und Zuversicht zu verbreiten.
So entstand die Idee, eine Dokumentationsreihe zu initiieren unter der Klammer „Luxus in LU? Persönliche Kostbarkeiten und individuelle Lebensqualitäten in Zeiten von Corona“.
„Hope“, die Mutterhefe
Den Anfang macht ein Beitrag von Giuseppina Goduto, die mit ihrer Familie im Stadtteil Hemshof wohnt und ursprünglich aus Italien nach Deutschland eingewandert ist. Ihr „Herzensthema“ war das Sicherstellen der ausreichenden Ernährung ihrer Familie bei sich zuhause, während sich Phänomene abspielten, die man sofort – in Anlehnung an den Zweiten Weltkrieg – als Hamsterkäufe bezeichnete, geradezu hysterische Zustände in vielen Supermärkten, als weite Teile der deutschen Bevölkerung innerhalb weniger Tage meinten, sich zuhause riesige Vorräte an Gegenständen wie Toilettenpapier, Seifen, Nudeln oder auch Essen in Dosen anlegen zu müssen, die für einen diffus langen Zeitraum ihre Angehörigen unabhängig von den Angeboten der Märkte „durchfüttern“ würden. So stieg beispielsweise im Hemshof, einem Stadtteil mit einer relativ hohen Dichte an Menschen unterschiedlicher Herkunftskulturen, der Preis für ein Stück Hefe mit teils grotesken Folgeerscheinungen.
Giuseppina Goduto, die bereits über Wochen die Schreckensnachrichten aus ihrem Heimatland Italien verfolgt hatte, fing daher schon im Januar mit den Versuchen an, ihre eigene Hefe herzustellen, um vor allem stets genügend Brot für ihre Familie zur Verfügung zu haben. Ende März klappte es dann und „Hope“, die Mutterhefe, war einsatzfähig.
Im Gespräch mit Stadtmuseumsleiterin Regina Heilmann berichtete Giuseppina Goduto in einem Anfang Mai geführten Interview von ihren Erfahrungen mit Mutterhefe, brachte diese in Gläsern mit verschiedenen Wachstumsstadien als Studienobjekte mit, stellte ihre Facebook-Seite zur Verfügung und fertigte ein Back- und Kochbuch an, das auf Rezepte speziell mit Mutterhefe fokussiert ist. Das Ergebnis ist ein rund 18-minütiges Video, das nach dem chronologischen Ablauf einer Facebook-Seite von der Vergangenheit in die Gegenwart „gescrollt“ wird und den Zeitraum von Ende März bis Mitte Mai umfasst. Dort ist allerdings noch kein Ende der neuen Leidenschaft von Giuseppina Goduto in Sicht. Das Video kann unter www.ludwigshafen.de/lebenswert/stadtmuseum angeschaut werden.
Geschichten gesucht
Das Stadtmuseum richtet sich mit diesem ersten Beitrag an die Bürger*innen Ludwigshafens und ruft dazu auf, sich mit eigenen Geschichten zu melden. Diese können die unterschiedlichsten Themen betreffen: Es kann etwas ganz etwas Intimes sein, was durch Corona entstanden ist oder wieder entdeckt wurde (beispielsweise Fotos oder Briefe, die man beim Schränke aussortieren entdeckt, oder Kinderzeichnungen, die einem die Enkel in dieser Zeit des „nicht treffen-Könnens“ geschickt haben), etwas was neu passiert ist - oder auch durchaus Träume, die in dieser Zeit entstanden sind und nun auf den Weg gebracht wurden, um vielleicht in Zukunft wahr zu werden. Einfach besondere Erlebnisse während dieser Zeit seit circa März 2020, die interessant, berührend und der Allgemeinheit berichtenswert erscheinen. Dabei können sich Einzelpersonen melden, Familien oder Gruppen. „Wichtig ist uns, dass nicht gejammert und geschimpft wird. Der Fokus sollte auf etwas Gutem im Unguten, Glück im Unglück liegen, in den kleinen Freuden des Lebens, die einem diese schwere und ungewisse Zeit erträglich gemacht haben,“ so Museumsleiterin Dr. Regina Heilmann.
Videos oder Podcasts
Das Team des Stadtmuseums freut sich über Menschen aus Ludwigshafen, die sich mit Geschichten melden. Man benötigt dafür auch keine Facebook-Seite oder Fotoserie, wie Giuseppina Goduto sie hatte. Man kann die Geschichte dem Museumsteam erzählen und mit diesem gemeinsam entscheiden, was daraus wird: ein Podcast, ein Video, ein gestalteter Textbeitrag oder eine Fotoserie - Möglichkeiten gibt es viele. Podcasts oder Videos sollten am Ende eine Länge zwischen 15 und 25 Minuten haben. Für die Gestaltung entstehen keine Kosten, es gibt aber auch keine Honorare. Dafür erhält man am Ende eine Kopie des fertigen Mediums.
Veröffentlichung und Archivierung
Für das Projekt ist eine Laufzeit von circa einem Jahr eingeplant. Alle Beiträge werden veröffentlicht und am Schluss alle als Gesamtpaket gesammelt dem Stadtarchiv für die Zukunft übergeben.
Kontaktaufnahme
„Interessierte können sich im Stadtmuseum melden. Entweder vereinbaren sie telefonisch unter 0621 504-2574 einen Termin, melden sich per E-Mail an stadtmuseum@ludwigshafen.de oder sie kommen einfach vorbei,“ lädt die Museumschefin die Bürgerinnen und Bürger ein, bei dem Projekt mitzumachen. Da sich das Team des Stadtmuseums vom 18. bis 29. August in der Sommerpause befindet, freut man sich über eine Kontaktaufnahme ab dem 1. September. bas
Kontakt und Öffnungszeiten:
Stadtmuseum Ludwigshafen
E-Mail: stadtmuseum@ludwigshafen.de
Telefon: 0621 504-2574 (während der Öffnungszeiten des Stadtmuseums, dienstags bis samstags von 10 bis 17 Uhr)
Vom 18. bis 29. August hat das Stadtmuseum Sommerpause.
Autor:Charlotte Basaric-Steinhübl aus Ludwigshafen |
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