Pilotprojekt in Ludwigshafen: Überwachungskameras im Kampf gegen illegale Müllecken
Ludwigshafen.Seit 15. August sind im Stadtgebiet Kameras aufgestellt, die illegales Müllabladen aufzeichnen. Dies ist zunächst ein Abschreckungsversuch. Verursacher sollen damit aber auch leichter ermittelt werden, damit Bußgelder verhängt werden können.
Ludwigshafen zählt zu den Städten, die in Sachen illegaler Müllablagerung ein besonders großes Problem haben. „Seit Jahren kämpfen wir mit zunehmenden Müllablagerungen und versuchen, ihnen Herr zu werden. Überwachung ist eigentlich nicht Mittel der Wahl, aber es ist das mit letzte Mittel, auf das wir noch setzen können“, sagt OB Jutta Steinruck beim Pressegespräch. „Wir hoffen, dass die Kameraüberwachung auf den Plätzen abschreckend wirkt. Letztendlich will die Verwaltung damit aber auch Verursacher zur Rechenschaft ziehen. Das ist das klare Signal in die Stadtgesellschaft. Denn der illegal abgelagerte Müll sorgt für viel Ärger und wir sind es den Bürgern schuldig.“ Durch die Räumung des Mülls fallen hohe Kosten an. Diese muss die Stadt nach aktueller Rechtslage an die Bürger abgeben.
Die Kameraüberwachung ist ein Pilotprojekt. Die Umsetzung in die Praxis gelang deshalb nur in enger Abstimmung mit Dieter Kugelmann, dem Landesbeauftragten für Datenschutz. Die OB berichtet: „Seit 2021 ist der Datenschutzbeauftragte im Austausch mit der Stadt. Die vielen Gespräche zielten darauf, Praxisfragen zu lösen, wie Kameradokumentation machbar ist, ohne dass wir hier die totale Überwachung haben.“
Der Landesdatenschutzbeauftragte Kugelmann erklärt: „Videoüberwachung ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Für Videodokumentation im öffentlichen Raum muss es also gute Gründe geben, etwa Gefahren für die Allgemeinheit oder für Allgemeingüter an vermüllten öffentlichen Plätzen. Bestehen diese, ist es Abwägungssache: Es ist also gerechtfertigt, Kameras an öffentlichen Plätzen aufzustellen, sofern man es richtig macht. Wesentlich dafür ist, dass es Entscheidung der Passanten bleibt, ob sie den videoüberwachten Platz überqueren.“ Das stellen Hinweisschilder auf die Videoüberwachung sicher.
Der Müll sorgt für unhygienische Zustände, er lockt Ratten und Ungeziefer an, es besteht erhöhte Unfallgefahr für spielende Kinder. Die Stadt wird zunächst vier Plätze überwachen, wo immer wieder auffällig viel Müll abgelagert wird.
Viele Maßnahmen, resistente Bewohner
Der Videoüberwachung gingen viele Maßnahmen voraus. Ihr Nutzen war bislang leider gering. 2023 lief eine großangelegte Aufklärungskampagne. Im Frühjahr hat sich der Abfallvollzugsdienst neu aufgestellt. So bestreifen jetzt sechs Müllsheriffs Tag für Tag das Stadtgebiet, besonders die Hotspots. Vor Monteurs Wohnungen wurde geprüft, ob die Mülltonnen ausreichen. „Der Vollzugsdienst kontrollierte, wo Mülltonnen im öffentlichen Raum abgestellt wurden und suchte das Gespräch mit Eigentümern. In Zusammenarbeit mit der Polizei, KVD, Ordnungsamt und Straßenverkehrsamt wurden Großkontrollen durchgeführt“, erklärt Sandra Knörr, die Leiterin der städtischen Abfallbehörde und Schutzbehörde für Wasser und Boden.
Vor allem während Corona stiegen die Zahlen von illegalen Müllecken sprunghaft: von 2063 im Jahr 2017 auf 4390 im Jahr 2019. Danach sanken sie wieder leicht auf 4393 in 2022, 2023 waren es nur noch 4042. Der deutlichste Rückgang zeigte sich in Nord. In Friesenheim sind dagegen deutliche Zunahmen zu verzeichnen.
Betroffen sind vor allem die Stadtteile Nord, Mitte, Süd, Friesenheim, Oggersheim und Mundenheim. Auch die Zahl der Ermittlungsverfahren steigt: 2023 waren es bereits 509, 339 mehr als 2022. Es wurde Bußgelder in Höhe von insgesamt 108.506 Euro verhängt. „So führen Aufkleber auf Möbeln zu den Verursachern. Oder Nachbarn, die der Vollzugsdienst befragt, erzählen von einem Umzug in den vergangenen Tagen“, sagt Sandra Knörr.
Gründe für VerstößeSeit längerem beobachtet der Abfallvollzug, dass die Müllecken langsam anwachsen: nachts wird Sperrmüll abgestellt, am nächsten Tag kommt etwa eine Küche hinzu, tags drauf Hausmüll. „Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass der Platz als inoffizieller Müllsammelplatz verstanden wird, auch aus dem kulturellen Hintergrund der Bewohner heraus – in vielen Herkunftsländern gibt es solche Müllplätze“, erklärt Umweltbürgermeister Alexander Thewalt. „Leipzig kämpfte in den 90ern mit demselben Problem und schaffte es Ende 90er, die Müllecken endgültig zu beseitigen.“
Die vielen Auflagen des Datenschutzrechts galt es bei der Planung der Videoüberwachung zu beachten. „Mit dem Datenschutzbeauftragten stimmten wir die genaue Ausgestaltung der Videoüberwachung ab, um sie rechtskonform zu machen“, erklärt Knörr. „Wir recherchierten, welche Technik in Frage kommt. Auch die Standorte, wo künftig die Kameras in mobilen Fahrzeugen Aufnahmen machen, mussten datenschutzkonform ausgewählt werden.“
Ab Mitte August sind drei Kameras an vier Plätzen im Einsatz. Sie werden Videos in einer Pixelauflösung machen, die sich gut auswerten lässt. Das Material wird danach gesichtet. Bei Verdacht auf Ablagerung, im Fall also, dass eine Videoaufzeichnung einen längeren Aufenthalt auf dem Platz dokumentiert, darf es entpixelt werden. Private Räume wie Fenster oder Spielgeräte sind auf dem Bildmaterial geschwärzt.
Das Pilotprojekt läuft zunächst für sechs Monate. Städte wie Berlin und Frankenthal fragen bereits bei der Verwaltung um Rat für den Schritt in die Praxis, haben Ratsbeschlüsse für die Kameras oder prüfen Auflagen. Ludwigshafen ist als erste Stadt im Bundesgebiet in der Umsetzung Die Stadt gibt die Plätze, wo gefilmt wird, nicht bekannt. „Auch wenn klar ist, dass sich nach und nach rumsprechen wird, wo die überwachten Plätze sind, lassen wir das noch offen“, sagt Knörr.
Weitere Informationen:
Bewohner können mithelfen, das Problem gemeinwohlorientiert zu lösen, indem sie Nachbarn als Verursacher bei der Verwaltung melden. jg
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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