Quartier City West ist Projekt der Superlative: Erste Flächenkonzepte im Bürgerdialog
Ludwigshafen.Gemessen an städtebaulichen Potenzialen, die deutsche Großstädte sonst haben, ist das neue Quartier City West ein Projekt der Superlative. Um die neue Kohl-Allee werden 39 Hektar Fläche frei. Dafür liegen nun erste Flächenkonzepte vor. Diese stellten die Architekturbüros, die am Planungswettbewerb teilnehmen, gestern beim Bürgerdialog im Bloch-Zentrum vor.
Von Julia Glöckner
Um die Kohl-All entsteht in den nächsten 30 Jahren ein Quartier zum Wohnen, Leben, Arbeiten, mit Bildungseinrichtungen und Gewerbe. Um das Quartier zu entwickeln, hatte die Stadt sich für ein Werkstattverfahren entschieden. Dabei erarbeiten drei Architekturbüros Flächenkonzepte – unter Einbezug von Hinweisen von Städtebauprofessoren, GAG, Ortsvorstehern, Stadtspitze, Stadtrat und Verwaltung. „Die Beteiligten nähern sich den ersten Vorstellungen, wie die Stadtlandschaft aussehen soll“, sagte Juror und beratender Städtebauprofessor Markus Neppl. „In einem Werkstattverfahren versucht man in kleinen Schritten zusammenzukommen – anstatt die Pläne von Planern und Verwaltung lange überdenken und zeichnen zu lassen, bis der Vorhang aufgeht. Ein solches Verfahren ist viel Dialogarbeit.“ Dazu gehöre auch ein mehrstufiges Bürgerbeteiligungsverfahren, bei dem Lob und Kritik aus der Bevölkerung von den Architekturbüros aufgenommen und in die Pläne eingearbeitet werden.
Nach dem ersten Online-Bürgerdialog Anfang September hatte man einige erste Ziele festgeklopft: Ein Mehr an Frischluftschneisen; der Ausbau von Grünflächen und damit die Verbesserung des Stadtklimas; die Entwicklung von Stadtteilverbindungen zwischen Hemshof und Innenstadt sowie die Verbindung von Generationen; die Anknüpfung an Identitäten wie das Rheinufer und die grünen Parks und Plätze der Stadt. Seitdem arbeiten Politik, Verwaltung und beratende Experten in einem intensiven Dialog zusammen, um den drei Planungsteams weitere Impulse zu geben.
Der Fokus lag dabei unter anderem auf Straßenverbindungen und weiteren Lösungen für die Anbindung der Stadtteile City, West, Hemshof, Westend. „Dabei wollte man keine Brücken, Tunnel und Unterführungen, sondern ein verträgliches, umsetzbares Maß an Verbindungen realisieren“, sagte Neppl. „Die neuen Flächen bergen für die weitere Entwicklung große Potenziale und viele Möglichkeiten. In vielen anderen Großstädten Deutschlands sind die Flächen dagegen schon aufgebraucht und man bemüht das furchtbare Wort ‚Nachverdichtung‘ für die weitere Entwicklung. Das neue Quartier wird zudem den Einzelhandel in der City verändern. Es könnte sogar dazu beitragen, dass die Fachplaner und Planer darauf aufbauend zu einer ganz neuen Idee für die City kommen.“ Dialogarbeit sei aber keine Realisierung von Wunschzetteln. Am Ende des Wegs stehe die Einigung auf ein Strukturkonzept. Nicht alle Anregungen könnte man mitdenken und aufnehmen, aber jede müsste geäußert werden.
Die Flächenkonzepte der Planungsbüros
Die drei ausgewählten Architekturbüros skizzierten gestern die Eckdaten ihrer vorläufigen Strukturkonzepte. Nach dem Konzept von ADEPT soll der Friedenspark sowie das Rheinufer erweitert werden. So sollen weitere Grünverbindungen zwischen den angrenzenden Stadtteilen wachsen – mit attraktiven Orten der Begegnung an den Wegekreuzungen im Park. Die Bismarckstraße soll als begrünter Nachbarschaftsboulevard zur Verbindungsstraße sowie zu einem urbaner Ort werden – genauso wie die Kohl-Allee, an die die Stadt durch attraktive Bebauung mit grünen Innenhöfen als Orte sozialen Lebens heranwächst. Die Kohl-Allee soll künftig Hemshof und City anhand von urbanen sowie grünen Räume verbinden. Gleichzeitig führt die neue Stadtstraße an den Rhein. Die Querungen der stark befahrenen Allee gelte es weiter auszuarbeiten.
„Durch Entsiegelung bebauter Flächen ergibt sich eine Verbesserung der aktuellen klimatischen Situation, etwa um den Europaplatz und Friedenspark“, erklärte Anne Raff von Adept. Im Friedenspark sollen Aufenthaltsräume für Aktivitäten und Erholung entstehen. „Hier entstehen Orte, wo Bewohner sich entspannen, Sport treiben oder sich an Hitzetagen abkühlen können“, ergänzte Telma Dethlefsen. Unzugängliche Zonen im Park gelten der Biodiversität.
Das Konzept sieht die Ausweitung des Friedensparks vor, zum Bahnhof hin und ans Westendviertel heran. Westend würde so zu einem Ort urbanen Lebens.
Entlang der großen Straßen entstehen natürliche Lärmschutzwände durch bepflanzte Grünflächen und höhere Gebäude, die verkehrsberuhigte, geschützte Zonen in den einzelnen Randstraßen schaffen.
Entwurf von Hähnig Gemmeke aus Tübingen
Auch das Konzept des Tübinger Planungsbüros sieht die Stärkung des Friedensparks als zentrale grüne Mitte vor. „Hier entsteht ein Ort der Entspannung, des Wohlfühlens und gleichzeitig ein sozialer Treffpunkt. Dabei schaffen höhere Gebäude eine besondere Qualität für den Grünraum: Sogenannte Raumkanten entstehen durch Neubebauungen entlang des Parks. Sie erzeugen ein Raumgefühl im Grünbereich sowie geschützte Aufenthalts- und Wohnräume“, erklärte Jana Heinsohn. Gleichzeitig geben Freiräume den Blick frei auf die neue Kohl-Allee. Hohe Architektur an Übergängen, wo Straßen zusammenlaufen, geben Orientierung. Denn dort sind belebte Schnittstellen, also Übergänge, geplant.
Der Friedenpark erhält Naturspielzonen, Wasser- und Waldgärten. Die Kohl-Allee ist im Entwurf geprägt vom Leitgedanken, über Öffnungen und Verbindungen eine Stadtnaht zu generieren. „Wichtig war uns auch das Thema Umstieg auf andere Mobilitätformen. Denn man soll ohne Auto unterwegs sein können“, sagte Heinsohn. Im Konzept sind Mobilitätstationen berücksichtigt, etwa dort, wo heute das Rathauscenter steht. Dort soll der Umstieg auf Straßenbahn, Bus, Rad oder Auto möglich werden – genauso wie am Hauptbahnhof.
Am Rheinufer entsteht eine besondere Freiraumqualität direkt vor der Haustür. Zwischen Hemshof und Ludwigshafen soll eine zentrale Schnittstelle entwickelt werden, ebenso am Danziger Platz, der in Nähe der neuen Kohl-Allee liegen wird. Ein besonderer Fokus liegt auf den Wegen. Ihre Begehung soll „Spaß machen und den Leitgedanken ‚Von der autogerechten zur grüngerechten Stadt‘ umsetzen“, so Heinsohn. Ein grüner Boulevard wird die Grüne Mitte und Rathausplatz verbinden.
Rheinflügel Severin/Club L94 Landschaftsarchitekten
„Das Areal ist prominent, so dass die richtigen Eingriffe die Identität der gesamten Stadt positiv verändern können“, sagte Professor für Städtebau Björn Severin. „Potenzial hat die Entwicklung und Erweiterung des Friedensparks. Er soll seinen Hinterhofcharakter verlieren und zugänglicher gemacht werden. So lässt sich ein großer Bürgerpark entwickeln, wovon Hemshof, Westend, West und die Innenstadt profitieren.“ Bisherige Hauptknotenpunkte, die S-Bahnhaltepunkte Hauptbahnhof, die Verkehrsknotenpunkte entlang der Stadtbahnlinien und der neu zu schaffende Haltepunkt am Rathauscenter sollen für die Verdichtung genutzt werden. Bereiche, die nicht gut angeschlossen sind, lassen sich dagegen als Freiräume entwickeln.
Das Konzept sieht zudem vor, die Grünräume Ebertpark, Rheinufer und Sportpark zu vernetzen und den Friedenspark um weitere Inseln zu ergänzen, die bislang durch die überflüssig gewordene Infrastrukturtrassen aufgefressen wurden. Aus der Allee des Friedensparks wird ein Rundweg entwickelt, von dem aus eine Fußgängerbrücke über die Schienen führt. Damit lässt sich eine Vielfalt an Grünräumen etablieren. Das gesamte neue Areal wird stark durchgrünt und es entstehen Flächen für Flora und Fauna, ein Klimawald sowie ein Spiel- und Sportpark. Der im Park integrierte Kletterbunker bleibt erhalten. An der Benckiser Villa entsteht ein Kulturgarten. Auch der Europaplatz soll ausgebaut, seine Grünentwicklung gestärkt werden.
Die Bahnhofstraße soll an Bedeutung gewinnen, um das Westendviertel und den Bahnhof neu zu beleben. In dem durch Nachkriegsmoderne geprägten Straßenzügen um die Benckiser Villa in Westend werden allmählich neue Gebäude entstehen. Die denkmalgeschützten Backsteinzeilen in Westende bleiben aber erhalten. Der Bahnhofsplatz wird entsprechend mit neuen Hotels und Geschäften urbanisiert. Ein Fußgängerweg führt zum Platz am BASF Gelände.
Die Bismarckstraße, die durch Plätze und Begrünung eine Aufwertung erfährt, wird an die Kohl-Allee herangeführt. Von der neuen Stadtstraße werden Übergänge zum Carl-Wurster-Platz und der Prinzregentenstraße geschaffen, im Nordosten entsteht ein weiterer Platz am alten Kornspeicher. Einen Block weiter, dort, wo heute das Rathauscenters steht, entsteht die Straßenbahnhaltestelle. Wie im Planungsentwurf von Hähnig und Gemmeke sind einige Hochpunkte, also Hochhäuser, geplant.
Entscheidung fällt im Januar
Ein Fachgremium aus Städtebauexperten wird sich im Januar für einen Strukturkonzept entscheiden oder für eine Kombination von Entwürfen verschiedener Teams. Auch GAG und Stadtspitze werden ihren Favoriten nennen. Der verfeinerte Plan wird später in Baurecht umgesetzt. Auch in der Baurechtsphase wird die Stadt immer wieder in den Dialog mit Bürgern gehen. Der Bau wird allerdings Jahre bis Jahrzehnte dauern. Die Tunnel unter dem Danzinger Platz werden aufgeschüttet. Auch sieht keines der Konzepte bislang eine unterirdische Straßenbahnführung beim Rathausplatz vor. Die Bahntrasse wird künftig ebenerdig geführt. jg
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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