Rehbachtal wird zum Kleinod und Rückzugsort für bedrohte Arten
Rheingönheim.Das Areal entlang des Rehbachs ist ein beliebtes Erholungsgebiet. Der Landkreis wies es wegen seines Artenreichtums und seltenen Pflanzen und Vögeln vor einigen Jahren als Naturschutzgebiet aus. Die Nachtführung der Tourist-Info zeigt das Auwäldchen in neuem Licht.
von Julia Glöckner
Die Augen haben sich schnell an die Dunkelheit gewöhnt. Je länger man unterwegs ist, desto besser sieht man vom Weg aus die scharfen Umrisse der Bäume. Das Auenwäldchen erstrahlt im fahlen Vollmondlicht überraschend hell. „Es gab kaum eine Nachtführung, bei der wir niemandem begegnet sind“, erzählt Naturführerin Annette Wetzel. Sie führt am späten Sonntagabend durch den Auenwald. „Mal war es der Förster, mal ein Radfahrer. Hier ist nachts mehr los, als man glaubt“, ergänzt sie.
Im nächtlichen Wald herrscht absolute Stille. Vögel und andere tagaktive Tiere schlafen, sobald es dunkel wird, wie Wetzel erklärt. Forstwissenschaftler wie Peter Wohlleben hätten in den letzten Jahren auch den Schlaf der Bäume immer besser erforscht. So zeigen Messungen, dass Bäume ihre die Äste senken. Die nächtlichen Jäger sind an die Stille perfekt angepasst: So ist das Flügelschwingen der hier lebenden Eulen und Käuze lautlos.
Das Kleinod Rehbachtal liegt am Südende der Stadt, teils auf Ludwigshafener und Neuhofener Gemarkung. Schon 1989 wurden Teile des Areals geschützt, mit der Ausweisung der Pfälzischen Rheinauen als Landschaftsschutzgebiet. Denn die dort vorkommenden Pflanzengemeinschaften mit seltenen Vertretern wie Silberweide und der Stiel-Eiche sind besonders artenreich. Dazu kommen 100 dort lebende Vögel, darunter rund dreißig bedrohte Arten.
Eine Idee von Forst und Naturschutzverbänden ist, den begradigten Rehbach in seinen Verlauf mit Windungen und Schleifen zurückzubauen. Kern des Areals, die 25 Hektar große Rehbachmündung in den Rhein, ist heute Naturschutzgebiet, wo bedrohte Flussbodenbrüter wie der Flussregenpfeifer Rückzug finden. Es ist einer der wenigen Orte, wo die bis vor einigen Jahren als ausgestorben geltende Essigrose noch wächst. Die wilde auenwaldtypische Weinrebe tritt in großen Beständen auf.
Annette Wetzel und die zweite Naturguide Katja Engelmann führen oft Gruppen hierher. Bei Nachtführungen lässt die Dunkelheit ihre Erzählungen vom Aberglauben um die hier lebenden Tiere im Mittelalter noch finsterer wirken. Sie handeln vom Zeitgeber Mond, vom Mysterium Werwolf, von der Fledermaus ‒ und vom Totenvogel Waldkauz, dessen Ruf auf der Beutejagd in der Nähe von Wohngebieten die Menschen als „Komm mit“ deuteten, besonders wenn jemand im Sterben lag.
„Der Wolf ist in der Pfalz angekommen“, erklärt Wetzel. Man geht davon aus, dass er sich auch hier ansiedeln wird. Denn die in Deutschland lebenden Rudel nehmen zu. Die Jahrtausende alte Mythologie um den Wolf macht den Streit um die friedliche Koexistenz nicht einfacher. Dass diese mit Weideschutz und streng reglementiertem Abschuss gelingt, bezweifeln vor allem Bauern und Jäger. „Während bei Naturvölkern eine Faszination für Stärke und Schnelligkeit des Wolfs, der 70 Stundenkilometer erreicht, in der Mythologie überliefert ist, jagte man ihn im Mittelalter ab dem 15. Jahrhundert. Grund waren vor allem Konflikte mit der Weidewirtschaft“, erklärt Wetzel. „Im 16. Jahrhundert kam der Mythos Werwolf auf. Die Wissenschaft geht von verschiedenen Gründen davon aus, dass der 30-jährige Krieg und die Seuchen Ängste schürten. Zudem waren Giftpflanzen wie der Fingerhut mit halluzinogenen Eigenschaften weder ausreichend erforscht noch bekannt. Mütter mit unehelichen Kindern und Waisen überlebten in den Wäldern, die zu Outlaws heranwuchsen, ohne die Fähigkeit zu sprechen. Sie banden sich gegen Kälte Pelze um.“
Heute fürchtet sich im Rehbachtal keiner mehr. Es ist nicht mit gefährlichen Begegnungen zu rechnen, weil der scheue Wolf sich vor Menschen zurückzieht. Wer im Ausnahmefall auf einen Wolf trifft, soll ruhig stehen bleiben und laut sprechen, um auf sich aufmerksam zu machen. jg/ps
Weitere Informationen:
https://naturfuehrer.wixsite.com/vierauwaeldler
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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