Wow City Tour
Stadt mit Potenzialen: Städtebau und Tourismus am Fluss
Ludwigshafen. Wie schon anno dazumal Tausende von Arbeiter auf dem Weg zur Hafenschicht, radeln die Teilnehmer von „Germany“s Ugliest City Tours“ am Donnerstagabend durch den Hemshof zum Tor 6. Dort beginnt die Tour „Feuchtgebiete“, die Erlebniszonen am Fluss aufzeigt – und dabei Nostalgie und Zukunft verbindet. Denn die Sumpflandschaft und Weiher, die coolen Rheinuferplätze sowie die ehemaligen Hafenanlagen, in denen sich eine unverkennbare Industrieromantik zeigt, haben Potenzial zum Ausbau. Sie könnten durchaus als Weltwunder „gehandelt“ werden, so Helmut van der Buchholz.
Von Julia Glöckner
Er führt bei Germany“s Ugliest City Tours seit Jahren durchs Stadtgebiet. Weltwunder, weil die neuen Touren unter dem Titel „Die sieben Weltwunder von Ludwigshafen“ laufen. Nachdem die „Ugliest City Tours “ in den vergangenen Jahren die Gründe fürs fehlende Selbstbewusstsein der Stadt, aber auch Handlungsbedarfe aufzeigten, wollte der Eventpartner Wow City Tours „mal was Schönes “ machen.
Schon am Tor 6 kommt Hafen-Feeling auf, unweit der heutigen Werftanlagen, Logistikzentren und Containerterminals in Höhe des Kaiserwörthdamms. Denn man blickt auf das Hafengelände Mannheims. Am Tor 6 steht eine Hochwasserschleuse, die in den vergangenen 30 Jahren nur selten schließen musste. „Bei einem Hochwasser Anfang der 90er Jahre lief das Wasser mal bis in die Rheinuferstraße“, erzählt der Stadtführer. Infolge hoher Niederschläge seit den 90ern war einige Male zu erleben, dass der Rhein steigt und steigt - die Parkinsel stand mehrmals unter Wasser.
„In Deutschland haben wir ganz andere Beispiele gehabt. Wir hoffen, dass wir verschont bleiben“, fährt Buchholz fort. Die typischen Sommerniederschläge verlagern sich laut Klimaforscher durch die Erderwärmung immer mehr in den Herbst und Frühling.
Bis in die 80er war das Hafengelände einige Kilometer am Ufer entlang Richtung Süden mit Containertürmen, Firmen und Hafenlogistik zugebaut. „Man durfte es aus haftungsrechtlichen Gründen nicht betreten. Wollte man an den Rhein, musste man sich durchmogeln“, sagt Buchholz. Mittlerweile ist der Hafen hier vergessen, die Stadt hat sich zum Rhein hin geöffnet.
Die Tour führt vorbei an der Frischbetonfirma Dyckerhoff, die bis heute Kies mit dem Schiff heran schafft und das Wasser vor Ort hat. Sie führt an romantischen Industrieruinen vorbei wie dem historischen Getreidespeicher. Ehemals ruppige Hafenindustrie säumt moderne Bauten wie die Rheingalerie. „Wo heute das Einkaufszentrum steht, ankerten früher Schiffe zum Be- und Entladen an der Flussmauer. Als der Hafen Geschichte war, hatte man hier eine freie Fläche“, sagt Buchholz. Die Stadt fand einen Investor, der das Areal, das sogenannte Rheinmarktgelände, kaufte und die Rheingalerie baute. Für die Stadt entstanden damit keine Kosten. Damit habe sie aber auch in Kauf genommen, dass die Betreiber die Nutzung des Privatgeländes vor allem am Gewinn ausrichten, so der Stadtführer. „Im Winter führen majestätisch die Treppen hinunter zum Rhein und geben schon von oben den Blick auf den Fluss frei. Im Sommer steht hier die Beachbude“, erklärt er.
Potenzial: Nahtourismus
Ein Stück weiter den Rhein hinauf steht das sogenannte gelbe Haus, das Teil des vergessenen Hafens ist. Es beherbergte früher die Amtsstuben der Hafenverwaltung. Nach der Verkleinerung des großen Containerhafens und dem Wegzug der Hallen und Containertürme nach Süden, ließ die Stadt dem Häuschen Gas und Strom kappen. Damit bleibt es ein Relikt und erinnert an den ehemaligen leistungsfähigsten Hafen am Oberrhein, mit Potenzial für einen Liebhaber, der er restauriert.
Die Anlegestelle vor dem gelben Haus und der Kran gegenüber auf der Mannheimer Seite sollen nostalgische Gefühle wecken. Im Sinne des Nahtourismus dachte die Stadt in Kooperation mit Mannheim schon über eine Seilbahn zwischen Paradeplatz und Berliner Platz nach, auch um den vergessenen Hafen neugierigen Besuchern zugänglich zu machen. „Denkt man von den Finanzen her, ist dies aber nicht das, was man hier gerade noch so braucht“, sagt Buchholz und erinnert damit an die prekäre Situation im Stadtsäckel.
Neuland ist das Areal um das Ostasieninstitut, das auf Stelzen gebaut möglichen Rheinhochwassern trotzt. Bis in die 90er war auch dies Teil des großen Hafens. Danach wurden ehemalige Werft- und Lagerhallen nicht mehr für ihre eigentlichen Zwecke verwendet. In der ungenutzten großen Halle, die damals vor der Walzmühle stand, gaben Veranstalter große Technopartys, die Leute aus nah und fern anlockten. „Für kurze Zeit hatte Ludwigshafen den Ruf, eine angesagte, moderne Stadt zu sein“, erzählt Buchholz, „bis die Walzmühle, eines der führenden Mühlenwerke Süddeutschlands um 1900, aus Denkmalschutzgründen saniert wurde. Dann war Schicht.“ Die Halle wurde nicht mehr gebraucht und abgerissen. Das frei werdende Areal wurde in eine Grünfläche umgewandelt.
„Gegenüber in dem roten Haus mit den weißen Fenstereinfassungen neben der Walzmühle wird der Nachlass von Ernst Bloch aufbewahrt, dem stolzen Sohn der Stadt“, so Buchholz. Bloch habe eine zwiespältige Beziehung zu seiner Heimatstadt gehabt, über die er gesagt habe: „Orte wir Ludwigshafen sind die ersten Seestädte auf dem Land, fluktuierend, aufgelockert, am Meer einer unstatischen Zukunft.“ Das trifft bis heute auf die Stadtentwicklung zu.
Aufwertende Siedlung
Vom Ostasieninstitut aus verläuft der Rheinradweg zwischen Fluss und einem Kilometer Grünstreifen bis zur Schneckennudelbrücke. Von dort aus führt er auf die Parkinsel. Die Insel war bis vor 15 Jahren noch Sitz eines Stahlwerks sowie des Containerbahnhofs. Dieselloks fuhren jahrzehntelang von dort aus ein und aus. Nach der Stilllegung des Werks und des Bahnhofs war die Insel zunächst Ödland. Danach wuchs hier schnell eine moderne Wohnsiedlung aus Ein- und Zweifamilienhäusern auf Grundstücken zu immensen Preisen. Das Wohnviertet wertet heute Lebensqualität und Image des Stadtteils Süd noch mehr auf. Heute lockt das Festival des deutschen Films oft bis zu 100.000 Besucher aus nah und fern an den Rhein unter die Platanen.
In der Hafenstraße liegt eine 2,6 Hektar große Freifläche. Sie entstand 2013 nach dem Großbrand einer Lagerhalle voller Styropor, die den Hafenbetrieben gehörte. „Die Fläche liegt in bester Lage und schon zankt man sich über ihre Nutzung“, erzählt Buchholz. Die Stadt will dort das Wohnbauprojekt fortsetzen, das in Süd am Rheinufer so gut funktioniert. Stadtrat und SGD Süd haben bereits einen Bebauungsplan beschlossen. Dagegen wehren sich die Hafenbetriebe vor dem Bundesverwaltungsgericht. Ihnen gehört die Fläche und sie wollen sie als Hafengelände erhalten.
Die Gruppe radelt an der Kammerschleuse vorbei, die nach ihrer Fertigstellung die Parkinsel vor rund 125 Jahren zur künstlich angelegten Insel machte. Industriedenkmäler wie das ehemalige Silo der Firma Heppes säumen den Weg. In der Lagerhausstraße erinnert ein Schild daran, dass das Areal um den Mundenheimer Altrheinhafen und den Kaiserwörthhafen bis heute den Hafenbetrieben gehört. Die Dieseltanks dort beeinflussen die Diskussion um die Wohnbebauung in der Hafenstraße, sagt Buchholz. Denn sie bergen laut Hafenbetriebe Gefahrenpotenziale.
Ein Stück weiter auf Höhe des Kaiserwörthdamms ist der Firmensitz des Containerbetreibers Contargo. „Wenn man den Leuten etwas zeigen will, was man woanders nicht sehen kann, führt man sie zum verstecktesten Kunstwerk der Stadt“, sagt Buchholz und zeigt auf die Weltkugel vor dem Eingangstor zum Containerhafen. „Hier darf der Hafen noch Hafen sein“, ein Ort, an dem Nostalgie auf Zukunft trifft. Moderner Hightech steht hier neben klassischen Backsteinstuben, die zeitlos scheinen. Geblieben sind auch die Diskussionen über Größe, Bedeutung und Lage der Hafenbetriebe. Denn das Rheinufer birgt viele Potenziale. jg/red
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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