Unausgeschöpfte Potenziale beim Aufstocken? Emissionsarme Bauweise gilt als zukunftsweisend

Das wohl renommierteste Aufstockungsprojekt Ludwigshafens. Das Creation Center ist eine Designfabrik für Materialentwicklung. Die Metallrekonstruktion hat der Architekt Humpert geplant. Sie steht auf einem Bunker.  | Foto: Patrick Humpert / ps
  • Das wohl renommierteste Aufstockungsprojekt Ludwigshafens. Das Creation Center ist eine Designfabrik für Materialentwicklung. Die Metallrekonstruktion hat der Architekt Humpert geplant. Sie steht auf einem Bunker.
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  • hochgeladen von Charlotte Basaric-Steinhübl

Architektur. Auf die Baubranche entfallen 40 Prozent der Treibhausgase, 55 Prozent des Müllaufkommens und 50 Prozent des Rohstoffverbrauch. Gleichzeitig ist die Wohnungsnot groß, Bauland fehlt. Wie kann die Bauwende gelingen? Nachverdichten soll das Problem lösen – durch Gebäudeaufstocken, Dachausbau und Anbau.

Um Inspiration, Information, Interesse wecken ging es am Gesprächsabend Anfang April im Zentrum für Baukultur – mit Vertretern aus Politik, privaten Bauherren, Architekten und Stadtplanern. Die Zahl der Neubauprojekte geht zurück. Nachverdichten liegt im Trend. „Nach einer Umfrage der Bundesstiftung für Baukultur bewerten 80 Prozent der Bevölkerung den Erhalt und Umbau von Bestand positiv“, zitierte Timm Helbach, Büroleiter und Architekt bei Mamuth.

Bei Gebäudeaufstockung und Dachausbau werden im Unterschied zur klassischen Nachverdichtung keine weiteren Flächen versiegelt, sie sind ressourcenschonender und emissionsärmer. Einerseits sind Städte wie Bremen, Frankfurt, München offen dafür. Sie legen Kampagnen fürs Aufstocken auf, um private Bauherren anzusprechen. Diese Kampagnen machen niederschwellige Angebote, zeigen, wie man staatliche Förderung nutzt, damit Aufbau und Dämmung sich rentieren. „So nimmt man Menschen die Unsicherheiten und macht Vorteile der staatlichen Förderungen durch Aufstockung nutzbar“, sagte Helbach. Solche Städte erhalten auch Bestandsmieten. 

Wunsch nach Aufstockung – zähe Genehmigungsprozesse

Doch in manchen Städten gibt es formale Hürden und Hemmnisse beim Aufstocken und Dachausbau. Stadtplanungsämter, Entwicklungs- und Ratsausschüsse wollen mitreden. Es ist gut, dass sich am typischen Gesicht von Straßen und Quartieren möglichst wenig verändern soll. Dass sich allerdings die Gebäude mit Aufstockungsdach perfekt in die Umgebung einpassen sollen, führt manchmal zu harten Bedingungen für Architekturbüros und kann einen monate- oder sogar jahrlangen Austausch zwischen Behörden und Architekten mit sich bringen. Auch die Bauordnung wirkt bremsend, weil seit Jahrzehnten immer neue Regeln hinzukommen und nichts gestrichen wurde. Beteiligte, auch Bauherren, wünschen sich in solchen Fällen mehr Effizienz. Die Länder arbeiten daran. Rheinland-Pfalz und Hessen entbürokratisierten im November 2024 die Bauverordnungen. Einerseits sichern die vielen Regeln faire Entscheidungsprozesse und schützen den einzelnen, andererseits macht zu viel Regelwerk die Genehmigungs- und Beschlussprozesse zäh. Die Hemmnisse sind aus Sicht vieler Befürwortern der Aufstockung immer noch zu groß, Verordnungen zu komplex, vor allem die Holzbaurichtlinien.

„Aktuell wird die Bauordnung weiter überarbeitet“, sagte Marc Derichsweiler, ehemaliger Abteilungsleiter bei der unteren Bauaufsicht in Mainz. Bei Aufstockung würde es künftig keine weiteren Stellplätze geben. Dies wirkte oft strangulierend, weil Fläche dafür fehlte. Auch beim Aufzuganbau außen sollen künftig Abweichungen von den Abstandsregeln zum Nachbargrundstück möglich sein. Bei Aufstockung gelten außerdem bald die Regeln beim Schallschutz, die Bewohner der unteren Etagen auch haben. Für das neue Geschossgilt gibt es also keinen Neubaustandard mehr, so Derichsweiler.

Dachaufstockung ist nicht unumstritten – viele Studien, widersprüchliche Ergebnisse

Die Architekten Timm Helbach von Mamuth und Tim Driedger äußerten sich überrascht über eine maßgebliche Studie für die Stadt Mainz, die Nullpotenzial beim Dachgeschossbau ausweist. „Das deckt sich nicht mit der Wahrnehmung vieler Architekturbüros. Einige andere Studien, etwa das der Berg Uni kommt zu einem widersprüchlichen Ergebnis für die Mainzer Neustadt“, sagte Helbach. Tim Driedger, Architekt bei Indesign, fügte hinzu: „Nach Tichelmanns Studie der TU Darmstadt zeigt sich ein Aufstockungspotenzial auf 4,3 Millionen Gebäude, davon auf 2,3 bis 2,7 Millionen Nicht-Wohngebäuden. Dort könnte man die nachgefragten 400.000 Wohnungen bauen, ohne ein Neubaugebiet auszuweisen.“ Angesichts der Nachfrage nach immer mehr Wohnfläche pro Person brauche man beim Neubau auf der grünen Wiese auch immer mehr Kitas, größere Busliniennetze. Das verbrauche Energie und Baustoff.

Auch Siedlungen bergen Potenziale bei der Aufstockung. Dort ermöglicht Modulbauweise schnelles und wirtschaftlich günstiges Bauen, wie sich in der Frankfurter Fritz-Kissel-Siedlung zeigte. „Laut der Studie für Mainz haben Siedlungen, die im Rahmen eines städtebaulichen Gesamtkonzepts aufgestockt werden könnten, kein Nachverdichtungspotenzial, was uns etwas überraschte“, sagte Helbach. 

Mamuth entwirft seit Jahren dennoch Aufstockungen für Gebäude in Mainz, ein Projekt davon hätte er für die Kaiserstraße "durchgeprügelt", das derzeit wegen der hohen Zinsen nicht realisiert werden kann. Manche Aufstockungen haben pionierhafte Züge.

Städte wie Ludwigshafen haben Potenzial für Aufstockungen

„Vor allem die Potenziale der Nachkriegsarchitektur gilt es zu entdecken“, so Helbach. „Viele Gebäude aus den 50er, 60er, 70er Jahren haben keine ausgebauten Dächer. Das betrifft Mainz genauso wie Ludwigshafen und Saarbrücken, wo 80 Prozent der historischen Bausubstanz zerstört wurde. Nach 60,70 Jahren sind die Dächer ohnehin fällig. Das Dachpotenzial solcher Städte ist ein exklusiv. Umso verwunderlicher ist es, dass dieses aus der Studie für Mainz ausgeklammert wurde.“

Holzbauweise setzt sich bei Bestandsaufbau mehr und mehr durch. „Die Statik vieler Gebäude ist leicht genug, um die leichten Aufbauten zu tragen und sie lassen sich vorfertigen“, sagte Tim Driedger. Aus dem Publikum kam die Frage, ob Nachkriegsgebäude sich tatsächlich häufig nicht aufstocken lassen, wie Baubehörden oft auf Antrag hin erklären. Driedger erklärte: „Teils ist es schlichtweg nicht möglich. Teils liegt es auch am Willen und der Ideologie der Tragwerksplaner. Viele lassen mit sich diskutieren, helfen beim Rausrechnen von Lasten, indem man etwa eine Deckenschiene rausnimmt. Der Schlüssel ist der Versuch, im Dialog gemeinsam einen Weg zu finden. Es geht nicht darum, einen Paragrafen oder die Norm zu finden, die das Projekt verhindern.“ Er wisse inzwischen, welchen Tragwerksplaner er ansprechen müsse, wenn er will, dass der Bestand bleibt und welchen, wenn er wegkommen soll. Renommierte Architekten wie Driedger haben großen Vertrauen in den Verwaltungen.

Die Kostenkalkulationen des Baukosteninformationszentrums (BKI) zeigen, dass Neubau teurer ist als Aufstockung, gemessen an den Kosten pro Quadratmeter Fläche. Dachaufbau ist aber teurer als Anbau, an vierter Stelle folgt der Dachausbau.

Künftig wird es vor allem darum gehen, investitionsbereite Privatleute aufzuklären und ihnen die richten Ansprechpartner an die Hand zu geben. Denn Aufstockung, gerechnet auf den Quadratmeterpreis für neue Wohnfläche, ist günstiger als Neubau, wenn auch teurer wie Anbau und Dachausbau. jg

Zukunftsgewandte Baukultur: Aufstockung in der Praxis aus Mainz und Frankfurt

Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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