Hochstraßen und Rathaus Ludwigshafen
Verschwenkung mit Vorteilen

So nah wie selten: Die riesigen Baugeräte sind durch Größe und Kraft beeindruckende Werkzeuge. Auch beim Abriss der Hochstraße Nord werden sie zum Einsatz kommen | Foto: Kim Rileit
  • So nah wie selten: Die riesigen Baugeräte sind durch Größe und Kraft beeindruckende Werkzeuge. Auch beim Abriss der Hochstraße Nord werden sie zum Einsatz kommen
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Ludwigshafen. Bauabläufe werden vereinfacht und dadurch die verkehrliche Leistungsfähigkeit während der Bauzeit verbessert: Die Idee, durch eine sanfte Verschwenkung der Stadtstraße deutliche Vorteile während der Bauphase und des Abrisses der Hochstraße Nord zu erzielen, habe einer intensiven technischen Prüfung standgehalten. Das teilte die Stadtverwaltung am Montag, 3. Mai, mit. Die Verkehrsbeeinträchtigungen werden deutlich geringer ausfallen als bei der ursprünglichen Führung. Zugleich sorgen klare Bauabläufe für mehr Übersichtlichkeit und eine gute Orientierung für die Verkehrsteilnehmer*innen. Zur Zeitersparnis kommen wirtschaftliche Vorteile, heißt es weiter.

Die Idee und ihre Prüfung

Die Idee, die Stadtstraße leicht verschwenkt Richtung Süden zu bauen, hatte sich im Spätsommer und Herbst 2020 ergeben. Nachdem eine politische Mehrheit den Abriss von Rathaus und Rathaus-Center unterstützt hatte, konnte die planende Verwaltung das dann freiwerdende und unmittelbar an die Straße angrenzende Areal in ihre Überlegungen aktiv einbeziehen. Erste und vorsichtige Prüfungen ergaben, dass eine sanfte Verschwenkung mehrere Vorteile mit sich bringen könnte: Bauzeiten könnten entzerrt und – als wesentliches Kriterium – Bauabläufe deutlich vereinfacht werden. In der Folge würden die Verkehrsbelastungen spürbar reduziert werden. Zudem könnte diese Variante wirtschaftlicher gebaut werden, da bestimmte Kostenfaktoren entfallen würden. Davon ausgehend und mit einem Votum des Stadtrates im Rücken, haben Stadtverwaltung und beauftragte Ingenieur*innen diese Überlegungen vertieft. Ergebnis: Die verschwenkte Stadtstraße ist technisch machbar, sie ist für die Anwohner*innen verträglich, für die Ökologie neutral, die erwarteten Verbesserungen, vor allem die Entlastungen für die Verkehrsteilnehmer*innen und damit für Stadt und Region sowie die verkürzten Bauphasen, können umgesetzt werden.

Die Vorteile der Verschwenkung

Die leichte Verschwenkung ermöglicht nach dem Rückbau des Rathaus-Centers ab 2025 ein zunächst relativ freies und unabhängiges Bauen der südlichen Fahrbahnen der Stadtstraße. Zuvor begannen ab 2023 die Arbeiten an der neuen Brücke über die Bahnanlagen. Damit wächst diese Brücke von Westen (Autobahnanschluss 650) beständig nach Osten (Richtung Kurt-Schumacher-Brücke), um im Jahr 2027 die Stadtstraße zu erreichen. Eine wichtige Zäsur stellt die Fertigstellung der Hochstraße Süd dar. Die Verkehrsfreigabe gibt den Startschuss für die massiven Arbeiten an der Hochstraße Nord. Nun geht es Schlag auf Schlag, die ersten Fahrzeuge können jetzt die südlichen vier Fahrspuren der Stadtstraße benutzen. Der südliche Teil der Hochstraße Nord wird ab der Heinigstraße bis zum Rhein gesperrt und kann in einem Ruck zurückgebaut werden. Wie schnell das geht, wissen die Ludwigshafener*innen bereits von der Pilzhochstraße. Parallel hierzu kann der Verkehr die nördliche Fahrbahn der Hochstraße Nord nutzen. Da durch den Platzgewinn nunmehr nicht mehr kleinteilig und Stück für Stück gebaut, abgerissen und umgeleitet werden muss, sind die Bauabläufe deutlich entzerrt und übersichtlicher. Vor allem die in der ursprünglichen Stadtstraßen-Variante erwartete Bauphase mit erheblichen Verkehrsbelastungen von viereinhalb Jahren kann deutlich reduziert werden, da nunmehr alle wichtigen Verkehrsbeziehungen größtenteils offen sind. Sprich: Entweder fährt der Verkehr noch "oben" oder bereits "unten" – je nach Fahrziel. Über Provisorien ist die Fahrt Richtung BASF und über den Rhein (und jeweils zurück) möglich. Der Beginn des Jahres 2026 wird anspruchsvoll. Festzuhalten ist jedoch, dass durch die Fertigstellung der Hochstraße Süd und des südlichen Teils der Stadtstraße deutlich mehr Verkehr abgewickelt werden kann als heute.

Eine besondere Herausforderung stellt nach wie vor der Abriss des Nordbrückenkopfes dar, also der große Komplex mehrerer miteinander auf unterschiedlichen Ebenen verwobenen Straßen, Ab- und Auffahrten vor der Kurt-Schumacher-Brücke. Ab 2026 setzen hier die Abrissbagger an. Damit trotzdem Autos fahren können, werden zuvor Provisorien gebaut. Und: Zu diesem Zeitpunkt wird die Hochstraße Süd wieder komplett aufgebaut und befahrbar sein. Hier tritt also eine große Entlastung ein. Unterstützend hat die Stadtverwaltung zu diesem Zeitpunkt ebenso das Umweltsensitive Verkehrsmanagementsystem (UVM) in Betrieb genommen und mit dem "3-Zonen-Konzept" verknüpft. Damit kann der Verkehr digital und intelligent gesteuert werden.

Weitere Bausteine, die zu diesem Zeitpunkt aktiviert werden, sind die Verbesserungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mit ihren neuen Expresslinien, das verbesserte Radpendler-Wegenetz mit der neuen Radschnellverbindung unter der Hochstraße Süd als Rückgrat, die zusätzlichen Park-and-Ride-Anlagen im Umland und im Stadtgebiet, die bessere Verknüpfung von ÖPNV und Leihrad beziehungsweise -roller an den wichtigen Haltestellen sowie die deutliche Ausweitung der Fahrradabstellmöglichkeiten. Dennoch gelten die Jahre ab 2026 hinsichtlich Abriss- und Baugeschehen als die herausforderndsten für Stadt und Region. Die Stadtverwaltung hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, im Zuge der weiteren Planung Entlastungsmöglichkeiten zu prüfen. Sie hält damit ihr Versprechen aus dem Bürgerdialog: Die Planungen werden immer wieder im Licht der Hinweise aus der Bürgerbeteiligung, der örtlichen Industrie und der Politik betrachtet. Je nach Planungsfortschritt kann die Verwaltung dann mögliche Anpassungen prüfen oder auch noch einmal zur Diskussion stellen. Aus dieser Logik entstand auch die Idee der Verschwenkung. Denn: Im Zuge der Bürgerbeteiligung hatten Bürger*innen, aber auch Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft immer wieder ihre Sorge vor langen und zugleich schwierigen Bauzeiten geäußert. Die verkehrliche Leistungsfähigkeit des Hochstraßensystems lag den Teilnehmenden ebenso am Herzen wie – auf der anderen Seite – die Entwicklungschancen für Ludwigshafen insgesamt.

"Entscheidend für uns war und ist, dass wir die Belastungen durch die Großbaustelle so gering wie möglich halten. Daher haben wir im September vergangenen Jahres diese Planungsvariante vorgeschlagen, nachdem sich die Möglichkeit dazu ergab. In einem derart langen und komplexen Planungs- und Bauprozess kommt es naturgemäß immer wieder zu Anpassungen. Dabei ist es immer unser Ziel, wie jetzt, Entlastungen für die Menschen und die Wirtschaft in Stadt und Region zu erreichen. Der Planungsprozess steht also nicht allein und lässt sich nicht an einzelnen Kriterien festmachen, sondern funktioniert im Wechselspiel und im Dialog mit den Bürger*innen, der Politik und allen unterschiedlichen Anspruchsgruppen", erklärte Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck. Die OB hatte im Spätsommer 2020 die Initiative ergriffen und die Optimierung der Planungen aufgrund der Entwicklung um das Rathaus angestoßen. Ebenso entscheidend sei es, den Überblick über die Gesamtplanung zu wahren: "Ich habe immer gesagt, man muss die Gesamtzusammenhänge sehen, auch wenn sie sehr komplex sind: Der gut begründete Beschluss, das Rathaus mit Center abzureißen, hat uns die Tür für maßgebliche Verbesserungen geöffnet. Aber auch hier denken wir bereits weiter. An der Stadtstraße wiederum können wir – Stichwort. Entwicklungschancen – ein ökologisches und nachhaltiges Stadtquartier bauen. Und noch ein Blick auf die Hochstraße Süd: Die Pilzhochstraße ist Geschichte. Wir blicken nach vorne: Der Lückenschluss an der Hochstraße Süd erfolgt pünktlich. Wir fangen am Nordbrückenkopf erst an, wenn die Hochstraße Süd wieder komplett befahrbar ist. Wir haben in den vergangenen Monaten und Jahren tatsächlich vieles erreicht- und wir haben Entscheidungen mit Tragweite getroffen, die begründet und nachvollziehbar sind. Stadtentwicklung funktioniert im Dialog und mit einer Portion Mut, am Ende des Dialogs auch zu entscheiden" erklärt die OB.

Umweltgutachten stützen Planung

Die leichte Verschwenkung der Stadtstraße hatte es erforderlich gemacht, dass die für die Stadtstraße vorliegenden Umweltgutachten noch einmal mit Blick auf die Anpassungen geprüft werden. Die Gutachten hatten in der Vergangenheit bereits ergeben, dass die Belastungen für Ludwigshafen unter den Grenzwerten liegen. Auch mit Blick auf die verschwenkte Stadtstraße bleibt es dabei: So sind unter dem Aspekt Lärm keine negativen Auswirkungen zu erwarten. Für die Bürger*innen und Anlieger*innen nördlich der Stadtstraße stellt die Verschwenkung eher eine Entlastung dar. Ebenfalls keine größeren Veränderungen gibt es beim Grundwasser und den Altlasten; ebenso für die Tier- und Pflanzenwelt. Die Ergebnisse zum Feinstaub stehen aktuell noch aus und werden nachgereicht. Die Gutachter sehen in einer ersten Einschätzung keine Probleme.

"Auswirkungen auf die Wirtschaft so gering wie möglich halten"

Bei der Kostenbetrachtung berücksichtigt die Stadtverwaltung die allgemeinen finanz- und wirtschaftlichen Entwicklungen wie Inflationsrate, Zinsentwicklungen sowie insbesondere Baupreisentwicklung. Dass die verschwenkte Stadtstraße wirtschaftlicher zu bauen ist als die Ursprungsvariante, liegt an zwei Faktoren: Zum einen können, dies ist die planerische Innensicht, aufgrund der einfacheren Bauabläufe aufwändige und ständig wechselnde Auf- und Abbauten reduziert werden; zudem müssen gerade im Bereich des nördlichen Teils und des Nordbrückenkopfes millionenschwere Stützwände nicht gebaut werden, da die Ingenieur*innen das freie Rathaus-Areal komplett nutzen können. Zusammenfassend: das Bauen wird einfacher und schneller, das spart Geld. Der zweite Faktor ist der volkswirtschaftliche. Da die verkehrliche Leistungsfähigkeit des Hochstraßensystems aufgrund der auf Nord und Süd abgestimmten Planung mit den Vorteilen der Verschwenkung einen relativ ungestörten und stetigen Verkehrsfluss ermöglicht, sind die Auswirkungen auf das Wirtschafts- und Logistiksystem von Stadt und Region deutlich geringer als ursprünglich zu erwarten war. "Belastbare Zahlen erarbeiten wir mit der Wirtschaft und der Industrie in enger Abstimmung. Nur so kann man die Realität abbilden und die erforderlichen Lösungen anbieten. Aufgrund dieser Verbesserungen gehen wir jedoch von Einsparungen aus. Exakt ermittelt werden die Zahlen erst kurz bevor der Stadtrat die Maßnahme endgültig genehmigen soll. Hierfür sind der Planfeststellungsbeschluss und die abschließende Förderzusage erforderlich. Unser Ziel ist es, die Auswirkungen gerade auch für die Wirtschaft und die Unternehmen in der Region so gering wie möglich zu halten. Wer nicht im Stau steht oder sehr aufwändige Umfahrungen in Kauf nehmen muss, ist schneller bei seinen Kunden oder am Arbeitsplatz oder kann seine Waren transportieren. Insofern richtet sich unser Blick immer auf das ganze System. Weitere Verbesserungen im Bereich der Mobilität erwarten wir sowohl durch den beschlossenen Ausbau des Straßenbahn- und Busverkehrs als auch durch das Umweltsensitive Verkehrsmanagement (UVM). Auch dies ein ausdrückliches Votum der Politik und aus der Bürgerbeteiligung", betont Kämmerer Andreas Schwarz.

Mobilitätsplanung im Dialog

"Gerade aus mobilitäts- und klimapolitischer Sicht müssen wir alle Planungs- und Handlungsstränge immer wieder zusammenführen – für uns als Stadt und für die Region. Dazu gehört, dass wir einerseits die Interessen des Individual- und Lieferverkehrs im Wirtschaftsraum berücksichtigen und diese abwägen gegenüber denen anderer Verkehrsteilnehmer*innen. Auch dies geschieht im Dialog. Ein herausragendes Beispiel dafür ist der Mobilitätspakt. Dessen Aufgabe ist es, Maßnahmen aller Verkehrsträger unter dem Leitbild einer nachhaltigen Mobilität in der Metropolregion Rhein-Neckar zu entwickeln. Daher haben die betroffenen Landesministerien, die regionalen Verbände und Städte sowie die Industrie und die Industrie- und Handelskammern den Mobilitätspakt auf den Weg gebracht. Zugleich legen wir in Ludwigshafen den Fokus stärker auf den Radverkehr. Mir war es daher ein großes Anliegen, dass im Zuge des Ersatzbaus für die Pilzhochstraße eine hochwertige Radverkehrsanlage von Beginn an mitgeplant und gebaut wird. Auch die Stadtstraße werden wir zu gegebenem Zeitpunkt noch einmal aus Radfahrersicht beleuchten", unterstreicht Bau- und Umweltdezernent Alexander Thewalt. Er betonte, dass die Planungen im Bereich der Hochstraße Süd im Zeitplan liegen. Nach der Sommerpause sollen die Pläne vorgestellt und erörtert werden. Das Planungsbeschleunigungsgesetz macht es möglich, dass der Lückenschluss an der Hochstraße Süd ohne aufwändiges Planfeststellungsverfahren, aber mit allen wichtigen Rückkoppelungen der Planung an Politik und Bürgerschaft bis spätestens 2026 erfolgen kann. Thewalt unterstreicht zudem, dass die Stadt gemeinsam mit der RNV in einem Kraftakt schon jetzt das Schienennetz der Straßenbahnen fit für die Zukunft mache. Zu nennen seien hier besonders die Linien 10 und 4. Zusätzlich werde auch eine neue Gleisverbindung von der Bleichstraße auf die Konrad-Adenauer-Brücke gebaut werden, die es überhaupt erst ermögliche, die drei zusätzlichen Expresslinien ab 2026 fahren zu lassen. "Damit wird mit den Hochstraßenprojekten gleichzeitig ein großer Schritt Richtung Verkehrswende gegangen", so Thewalt. 

Welche Entlastungen bringen Verbesserungen im ÖPNV?

Im Busbereich sind die Verbesserungen bereits umgesetzt. Dies sind die Linien 89 (Oppau-Oggersheim), 80 (Mundenheim-BASF), 83 (Oppau-Sandhofen) und 95 (Nachtbus Berliner Platz – Maudach). Zudem wurden die Taktlücken um 24 Uhr am Berliner Platz geschlossen und zahlreiche Leerfahrten in den Fahrplan integriert.
Das Expresslinienkonzept der Stadtbahnen (Linie 12 Rheingönheim – Friesenheim – BASF, Linie 14 Oggersheim – Mannheim und Linie 15 Rheingönheim – Mannheim) kann erst umgesetzt werden, wenn die neuen Stadtbahnen geliefert werden und so die benötigten Fahrzeuge vorhanden sind. Dies wird nicht vor Ende 2023 der Fall sein. Im Bedarfsfall wurden und werden die vorhandenen Altfahrzeuge für Verstärkungen eingesetzt. Ein Expresslinienbetrieb ist zudem erst dann richtig zielführend, wenn die Gleisverbindung Bleichstraße – Konrad-Adenauer-Brücke realisiert sein wird. Dies wird voraussichtlich 2025 der Fall sein.

Die im Gesamtzusammenhang des Hochstraßensystems geprüfte und verfeinerte Planung der verschwenkten Stadtstraße mit ihren einzelnen Abschnitten hat die Stadtverwaltung am Montag, 3. Mai, dem Stadtrat und der Öffentlichkeit erstmals vorgelegt und erläutert. Im Anschluss beginnt am Dienstag ein zweiwöchiger Bürgerdialog. Weitere Informationen gibt es unter www.ludwigshafen-diskutiert.de

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Kim Rileit aus Ludwigshafen

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