Versiegelte Stadt wappnet sich gegen Wärmeinseln und Hitzetote
Ludwigshafen. Die Innenstadt wird wahrscheinlich in den kommenden 20 Jahren zur Hitzeinsel werden. Auch weitere Stadtteile könnten bis 2045 unter starker Wärmebelastung leiden, wie ein Modell der Firma Geo Net Umweltscouting zeigt. Ludwigshafen wappnet sich mit Baumpflanzungen, Brunnen und Entsiegelung gegen Hitzetage und Tropennächte. Diese sind vor allem für Ältere gefährlich, unter denen es schon heute rund 6.000 Hitzetote jährlich im Bundesgebiet gibt.
Geo Net hat in einem Zukunftsszenario ermittelt, wie heiß es bis 2045 in Ludwigshafen sein könnte. „Die Hitzebelastung in Städten nimmt durch den Klimawandel stark zu“, erklärt Jonas Kaub, Senior Berater von Geo Net. „Das ist bereits spürbar. Im Worst Case steigen die Temperaturen bis 2045 um 1,7 Grad weiter. Aber auch in Zukunft will man gute Wohn- und Arbeitsverhältnisse erreichen. Mit Frischluftschneisen, Parks und Grünflächen lässt sich die Hitzebelastung an den Wärme-Hotspots reduzieren. Solche sogenannten Cool-Spots gilt es zu erhalten und ertüchtigen.“
Parks wirken wie eine natürliche Klimaanlage, Bäume verschatten und verhindern so das Aufheizen von Südfassaden. Durch Freiluftschneisen kann Luft aus dem begrünten Umland in die Städte strömen, ein Kühlungseffekt, der durch die Sogwirkung der aufsteigenden Heißluft in den Innenstädten entsteht. Dies jedoch nur, wenn Verdichtung nicht als Hindernis für einströmende Luft wirkt. Grünflächen fördern dagegen kühle Flurwinde.
City ist stark verdichtet
Bislang kühlt die Luft in Ludwigshafen vielerorts noch gut ab und macht die Sommernächte erträglich. In Grünflächen liegt die Nachttemperatur bei 14, 15 Grad, auf dem BASF-Gelände und in Gewerbeflächen bei 18 bis 19 Grad. In locker bebauten Siedlungsflächen wie Gartenstadt, Parkinsel sowie in äußeren Stadtteilen liegt sie bei 16 bis 18 Grad. Allerdings liegt sie in der Innenstadt und einzelnen Straßenzügen im Hemshof bereits bei 19 bis 20 Grad.
„Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt im Worst-Case-Szenario 2045 voraussichtlich flächendeckend um 1,7 Grad höher als heute“, stellt Kaup fest. Damit wird man in der Innenstadt in 20 Jahren Tropennächte haben. „Die Kaltluftströme kommen in vielen Stadtteilen an. Im Gewerbegebiet um die Industriestraße, bei BASF und in der Innenstadt ist jedoch mit Nächten zu rechnen, in denen es 22 bis 24 Grad hat“, so Kaup weiter. „In der City haben wir also einen starken Wärmeinseleffekt, während stark durchgrünte Flächen vergleichsweise geringe Wärmeinseleffekte aufweisen.“ Dazu gehören Teile von West und Süd, die Parkinsel, der größte Teil des Hemshof und Friesenheim.
Kaup rechnete im Modell auch die bisherige Stadtentwicklung mit ein. Die Flächennutzungspläne sind bislang zu grob, um genaue Vorhersagen zu machen, nur der Bebauungsgrad ist festgelegt. Dieser macht sich im Modell mit Blick auf die Wärmeentwicklung kaum bis gar nicht bemerkbar. Falls es um die neue Pesch-Siedlung und süd-westlich davon auch auf den Feldfluren noch zu einer weiteren Bebauung kommt, wird jedoch noch weniger Kaltluft in die Stadtteile im Osten des Pesch-Hauses strömen.
Im Jahr 1945 ist laut dem Modell fast im gesamten Stadtgebiet mit einer mäßigen bis extremen Wärmebelastung zu rechnen, die in einzelnen Straßenzügen von Friesenheim, West, Gartenstadt, Hemshof und City mit 44 Grad besonders hoch ist. „Das erhöht die Bedeutung von Cool Spots, also etwa kleinen Wäldchen, Parks, Bäume und Erholungsräume, die in Siedlungen geschaffen werden sollten“, so Kaup.
Überwärmung und Hitzetote
Besonders Hitzetage in Verbindung mit Tropennächten sind für Menschen über 75 Jahren und solchen mit Vorerkrankungen gefährlich. Das zeigen viele Studien zu den sogenannten Hitzetoten, die Übersterblichkeit an Hitzetagen messen. Bereits in den letzten Jahren starben rund 6.500 bis 8.000 Menschen an Hitze, jede Modellstudie hat andere Kontrollvariablen und kommt zu verschiedenen Ergebnissen. Vor allem in Straßenzügen von Hemshof, City, Friesenheim und Süd werden um 2045 solche vulnerablen Gruppen leben“, erklärt Christiane Stolz vom der städtischen Klimabehörde.
Das Projekt „Fit for Climate Future“ entwickelte nicht nur Hitzeszenarios, sondern auch 21 Maßnahmen, die potenziell entgegenwirken könnten. Typische Maßnahmen sind laut Kaup die klimaangepasste Verkehrsraumgestaltung wie etwa in der Rheinallee. Oder die Verschattung von Parks und Plätzen sowie die weitere Grünflächenentwicklung. Auch offene Grünflächen mit Baumgruppen wirken Hitze entgegen, sofern sie an Luftschneisen liegen und damit Kaltluft in die Städte lassen. Für Durchlüftung sorgen vor allem vernetzte Grünflächen. Gebäuderückbau reduziert Strömungshindernisse oder sorgt für neue Brachen.
Während Fassadenbegrünung vor allem das Gebäudeinnere kühlt, können Bäume und bautechnische Maßnahmen verschatten und auch Straßenräume kühlen.
Maßnahmen in Planung
„Einzelne Maßnahmen sind bereits angelaufen und werden bis 2026 umgesetzt“, erklärt Christiane Stolz. „Der Schulhof in Mundenheim wird entsiegelt, eine Fläche in der Damaschkestraße wird in eine natürliche Schwammfläche umgewandelt. Zudem wird Brunnenwasser nutzbar gemacht, um die Bäume im Stadtgebiet zu bewässern, wobei derzeit vielerorts weitere Bäume gepflanzt werden.“ Ein Förderprogramm für Bürger zur Entsiegelung privater Gärten ist angelaufen und der Spielplatz Weserstraße wird klimaangepasst umgestaltet. Das Land stellt im Rahmen von KIPKI laut städtischer Klimabehörde 7,5 Millionen bereit, davon gehen rund 1,87 Millionen in die Klimaanpassung.
„Im Rahmen von KIPKI hat sich die Stadt auch mit konkreten Projekten beim Wirtschaftsministerium um Mittel beworben, für die sie jetzt grünes Licht bekam. Geplant sind Verschattungsmaßnahmen im Bürgerhof.“ Gemeinsam mit der Stadt Worms entwickle man zudem Pläne für die Innenstädte der Zukunft. Dabei habe die Stadt schon grobe Pläne zur Entsiegelung und Verschattung des Theaterplatzes sowie des Kornmarkts. „Investieren werden wir in die Umgestaltung des Bürgerhofs, den wir in diesem Sinne zu einem angenehmen Ort zum Verweilen und Erholen umgestalten möchten. Wir werden mit dem Thema noch dieses Jahr in die politischen Gremien gehen und anschließend unsere Pläne mit den Bürger*innen besprechen", so Bau- und Umweltdezernent Alexander Thewalt.
Das Bundesumweltministerium wird außerdem Fördermittel für drei Großprojekte bereitstellen, um die sich die Stadt beworben hat. Darunter fallen die Wiedervernässung des Maudacher Bruchs, die Flächenentsiegelung und Pflanzung von trockenresistenten Bäumen im Stadtgebiet sowie das Anlegen von Hecken, Sträuchern und Streuobstflächen im Umland. jg/red
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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