Wie gelingt Integrationsarbeit? Interview mit der neuen Integrationsbeauftragten der Polizei
Ludwigshafen. Mit der neuen Integrationsbeauftragten Hayat Erten läuft seit Februar ein Pilotprojekt beim Polizeipräsidium. Bei Erfolg wird es bald im ganzen Bundesland kopiert. Erten soll helfen, Hürden in interkulturellen Begegnungen abzubauen ‒ in Polizeiteams, aber auch im Kontakt nach außen ‒ sowie durch Polizeiarbeit die Integration von Migranten aktiv zu fördern.
Von Julia Glöckner
Erten war je fünf Jahre lang Stadträtin und Vorsitzende des Integrationsausschusses. Seit Jahren erprobt sie in der Praxis, was Integration fördert und wie sie gelingt, führte etwa Moscheebesuche durch. Ihre Expertise hilft dabei, die Aufgaben und Kommunikationswege der bisherigen Integrationsarbeit bei der Polizei neu aufzustellen. Darüber hat Wochenblatt-Redakteurin Julia Glöckner mit ihr gesprochen.
Worum geht es bei dem Pilotprojekt?
Erten: Die Etablierung von Integrationsbeauftragen bei der Polizei ist Teil des Koalitionsvertrags der Landesregierung. Mit dem Pilotprojekt und der Ausschreibung der Stelle wird dies nun umgesetzt. Die Evaluation am Ende entscheidet, ob jedes Polizeipräsidium in Rheinland-Pfalz eine:n Integrationsbeauftragte:n erhält.
Was sind Ihre Aufgaben?
Erten: Die Stelle ist gerade am Entstehen. Eine meiner Aufgaben ist die Netzwerkarbeit. Die Polizei will ihr Netzwerk zu Migrantenselbstorganisationen ausweiten. Sie steht bereits in Kontakt mit diesen Organisationen, also etwa Kulturvereinen, Musikvereinen, Sportvereinen. Wo Menschen sich gruppieren, ist es leichter, sie zu erreichen. Die Polizei stellt so den Kontakt her zu Menschen, der darauf zielt, Ängste abzubauen und sich kennenzulernen. Viele Migranten kommen aus Ländern, wo die Polizei eine ganz andere Rolle hat. Das Bild von der Polizei ist für diese Menschen mit Ängsten bestückt. Die Polizei will sich den Leuten dort zeigen, damit die Menschen verstehen, dass sie in Deutschland ganz anders aufgestellt ist, und zwar als Freund und Helfer.
Zielt das Projekt auch darauf, den Menschen zu vermitteln, dass wir in Deutschland einen starken Staat haben?
Erten: Ja, natürlich. Migranten sollen verstehen, in welchen Situationen die Polizei kommt und wie man mit Regeln umgeht. Die Integrationsbeauftragten sollen hier Präventionsarbeit für die Zielgruppe machen und aufzeigen, wo die Polizei helfen und unterstützen kann. Hier könnten etwa mehrsprachige Präventionsangebote zielgruppengerecht erstellt werden.
Zu ihren Aufgaben wird auch gehören, Hemmschwellen in interkulturellen Begegnungen abzubauen?
Erten: Ich werde unter den Kollegen der Polizei interkulturelle Kompetenzen vermitteln. In Gesprächsrunden wird es einen Austausch geben, wie man diese Hemmschwellen abbauen kann.
Zudem sollen sie die Kollegen bei ihrer interkulturellen Kompetenz im Kontakt mit der Bevölkerung schulen?
Erten: In Fällen, in denen Informationen zum kulturellen oder ethnischen Hintergrund erforderlich sind, kann ich zu Rate gezogen werden. Ich habe zum Beispiel einen Einsatz in Oppau begleitet. Da einige Beteiligte Türkisch sprachen, konnte ich durch meine Sprachkenntnis helfen. Ich war als Multiplikator im Kontakt mit der Polizei involviert, weil ich deeskalierend wirken konnte. Die total angespannte Lage entspannte sich schnell. Man sagte uns zum Abschied sogar, dass man hoffe, uns wieder zu treffen.
Jeder wünscht sich schöne Begegnungen mit anderen, nicht nur mit den vielen Migranten in Deutschland.
Welche Hemmschwellen gibt es zu überwinden, damit Begegnung gelingt und woran scheitert sie?
Erten: Es gibt bestimmte Hindernisse und Andersartigkeiten in Begegnungen mit unbekannten Menschen. Jeder muss sich das selbst fragen, wie offen er ist oder sein kann. Das können zum Beispiel eigene Vorurteile sein, die es gilt mal auszuschalten. Und vielleicht werden sie durch offene Begegnungen nicht mehr eingeschaltet und lösen sich auf.
Was vermittelt denn interkulturelle Kompetenz?
Erten: Wenn man Kulturen begegnet, die fremd sind, kann das zu Irritationen führen. Dann sollte man aufklären. Bei interkultureller Kompetenz geht es darum, sich selbst zu zeigen und den anderen richtig zu sehen. Eine gewisse Offenheit gegenüber anderen Kulturen kommt in der Gesellschaft immer mehr an, vor allem bei jüngeren. Die jungen Menschen leben heute globaler und interessieren sich für die Vielfalt an Kulturen, sei es für Mangas oder internationale Küche.
Die Gesellschaft wird aber auch anonymer. Kann man das verallgemeinern? Gibt es einen Trend dazu, Distanz und Abstand zu halten gegenüber Menschen, die einem nicht vertraut, also unbekannt, sind? Gibt es eine Angst vor dem Fremden?
Erten: Es gibt ein ähnliches Phänomen, das sich in Gemeinschaften beobachten lässt, etwa in Dorfgemeinschaften, wenn Menschen neu hinzuziehen. Dann kommen manchmal Stigmata und Vorurteile auf. Das Neue, Unbekannte und Fremde kann Angst machen. Diese Angst gilt es zu überwinden. Zur Anonymität trägt aber auch Social Media bei.
Ausgrenzung und Zurücksetzung kann Migranten daran hindern, wirklich anzukommen, in allen Lebensbereichen, etwa die Sprache zu lernen und dadurch schnell in den Job zu finden, sich mit Deutschland zu identifizieren und sich in der Gesellschaft mit seiner Leistungsfähigkeit einzubringen. Die ersten Begegnungen im Zielland sollen dabei prägend sein. Wie kann man es Migranten leichter machen, besser auf sie zugehen?
Erten: Man muss versuchen, sich in ihre Lage zu versetzen und sich fragen: Was wäre, wenn unsere ersten 20 Begegnungen mit Leuten in einem neuen Land unangenehm sind, wären wir noch für alles offen, was kommt?
Was können unsere Leser sich vom Projekt abschauen? Wie gelingt Akzeptanz für die kulturelle Vielfalt, für Vielfalt überhaupt?
Erten: Durch das Offensein, durch die Begegnung mit dem Anderssein. Wenn zum Beispiel jemand noch kein Paar gesehen hat, das homosexuell ist, muss er damit umgehen lernen. Es geht darum, wie wir mit dem Anderssein umgehen und vor allem um Respekt. Jeder muss sich die Frage selbst stellen, wie offen er für andere ist.
Was können Sie uns über das Pilotprojekt noch erzählen?
Erten: Zu meinen Kernaufgaben gehört auch die Nachwuchswerbung von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wer eigene Familienmitglieder bei der Polizei hat, bekommt einen anderen Blick. Die Polizei ist ein guter Arbeitgeber und das Arbeitsklima ist toll, der Umgang unter den Kollegen sehr kollegial.
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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