Wahlanalyse
Wie lässt sich der Wahlausgang in Ludwigshafen erklären?

Die Sitzverteilung im neuen Rat | Foto: Stadt Ludwigshafen
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Ludwigshafen.Was sind die Gründe für den Abfall von SPD, Grünen und FDP im Stadtparlament sowie den Stimmenzuwachs bei CDU, BSW und AfD? Fürs Wochenblatt hat der berühmte Kommunalpolitikforscher Norbert Kersting das Ergebnis der Kommunalwahlen in Ludwigshafen analysiert.

Von Julia Glöckner

Die SPD ist von 26 Prozent im Jahr 2019 auf 22,1 Prozent abgefallen. Die CDU hat statt 24,3 Prozent in 2019 nun 27,4 Prozent der Stimmen erhalten. Der Hauptgrund: Der Stadtrat zeigt in Ludwigshafen seit 1999 wie in vielen anderen Städten Deutschlands wechselnde Mehrheiten. Mal liegt die CDU, mal die SPD vorne. „Kommunalwahlen sind sogenannte Zwischenwahlen, die zwischen den Bundestagswahlen liegen. Daher stellen sie sich häufig gegen regierende Parteien auf Bundesebene“, erklärt Kersting. Darin zeigt sich also der Trend in der Bevölkerung, amtierende Regierungen abzuwählen und der Opposition eine Chance zu geben. Dieser Wechsel zwischen Stimmenzugewinnen bei SPD oder CDU, beziehungsweise Verlusten auf der je anderen Seite, ist seit 1949 nachweisbar. „In den Zwischenwahlen lässt sich dieser Effekt genauso abbilden, wie in der darauffolgenden Bundestagswahl sowie bei den OB-Wahlen in Ludwigshafen“, ergänzt Kersting.

Die AfD hat in Ludwigshafen stark profitiert. Dort ist ihr Stimmenanteil von 13,4 auf 19,9 Prozent gestiegen. Veränderungen bei den Stimmenanteilen der weiteren Parteien bewegen sich in Ludwigshafen dagegen auf relativ niedrigem Niveau, so Kersting. Dennoch bleibt die AfD anders als in den Ostländern hier ganz klar eine Minderheitenpartei. "Es sind immer noch 80 Prozent anderer Meinung", sagt der Politikwissenschaftler. 

Die Grünen sind von 16,7 Prozent im Jahr 2019 nun auf 9,1 Prozent abgefallen. Während in den ersten Hitzerekordjahren 2019 bis 2022 das Thema Klimawandel die Menschen umtrieb, stand nun das Thema Migration im Wahlkampf im Fokus. „Dabei gewinnen Parteien, die sich das Thema auf die Fahne geschrieben haben und im Wahlkampf nutzen können, vor allem die AfD“, so Kersting. „Das Thema Migration stand vor allem in Ludwigshafen im Vordergrund. Ferner hat der Anschlag in Mannheim eine Woche vor der Wahl, bei dem ein junger Polizist ums Leben kam, den Wahlausgang mitgeprägt“, sagt er. Der Professor war am Wochenende vor der Wahl in Speyer und erlebte dort, wie das Attentat an den Wahlständen von den Parteien thematisiert wurde.

Über das Thema Migration haben AfD und FDP im Bundestrend in vielen Kommunen viele junge Menschen ansprechen können. In LU hat die FDP allerdings nur 3,7 Prozent erhalten (2019: 5,7 Prozent). „Die AfD versteht es, geschickt Wahlkampf auch für junge Menschen zu machen, in den richtigen Netzwerken wie Tiktok und Instagram. Der Facebook-Wahlkampf der anderen Parteien reichte nicht aus, um diesen Effekt wettzumachen“, sagt Kersting.

Die AfD hat mittlerweile Wähler aus allen Milieus und Altersgruppen. Die meisten Wähler kommen nach wie vor aus Bevölkerungsgruppen mit weniger Einkommen kommen, bei denen die Teuerung ankommt. Das überrascht, denn in Wirtschafts- und Sozialfragen stellt sich die Partei neoliberal auf und macht rigideste Vorschläge. „So gesehen ist es suboptimal, ausgerechnet in der Kropsburgstraße und Beyreuther Unterkünfte für Asylbewerber hinzustellen“, bemängelt Kersting. Zudem stelle man überall dort Stimmenzuwächse für die AfD fest, wo es schon viel Migration gebe, besonders in Gebieten, wo viele Russlanddeutsche lebten. Grund für den Zuspruch von Russlanddeutschen sei die Putinnähe und damit die Russlandnähe der AfD, auch wenn die Patei eigentlich eine traditionell autoritäre und nationalistische Ausrichtung hat.

Teils war die Kommunalwahl auch eine Personenwahl. Kandidaten haben die meisten Stimmen auf sich panaschiert und kumuliert, weil man sie als Ortsvorsteher, Arzt, Lehrer oder Kommunalpolitiker kennt. 

OB wird Mehrheiten im Rat suchen

Der Stadtrat ist stark zersplittert: Wie leicht sich laut Kersting Mehrheiten finden können, hängt davon ab, wie die Parteien in der Vergangenheit bei Lösungen zusammenfanden und wie man sich auf persönlicher Ebene begegnet und versteht. „Die OB ist gefragt, Mehrheiten zu finden, auch für ihre Politik. Sie wird nach Konsens zwischen Parteien suchen, die ihr inhaltlich näherstehen, nach einer Koalition, mit der sich ohne dauernden Widerspruch zusammenarbeiten lässt“, sagt Kersting. An der 17 Sitze starken CDU-Fraktion im Rat wird man allerdings kaum vorbeikommen. Es sei mit wechselnden Mehrheiten zu rechnen.

Die Stadtbevölkerung erwartet mit Spannung, wie die AfD-Repräsentanten nun Politik im Stadtrat machen werden. „Vielerorts geben AfD-Vertreter als Kommunalpolitiker ein schlechtes Bild ab. AfD-Abgeordnete sind häufig nicht präsent im Kommunalgremien, in den Sitzungen nicht aktiv und machen kaum konstruktive Vorschläge in den Kommunalparlamenten. Sie sind in den neuen Bundesländern zwar im Wahlkampf aktiv, aber zeigen in der laufenden Legislaturperiode kaum Interesse an lokalpolitischen Themen. In den Ostländern zeigt sich ein anders Bild. Dort sind viele in der Verwaltungsverantwortung. Hier geht darum, Protest zu kanalisieren und destruktiv im Wahlkampf zu agieren. Gewählt werden eben die Leute, die auf der Liste stehen, auch wenn sie die Kandidatur nur als Sprungbrett sehen.“ 

Ob es eine Brandmauer zu den Parteien Bündnis Sahra Wagenknecht, die 5,9 Prozent geholt hat, und der starken AfD geben wird, bleibt abzuwarten. In der Kommunalpolitik treten Parteifragen teils hinter Sachfragen zurück. Es ist als möglich, dass man konstruktiv mitdiskutiert und mitstimmt. 

Weitere Informationen: 
Die Stimmenanteile der einzelnen Parteien: SPD: 26 %, CDU: 27,4 %, Grüne: 9,1 %, AfD: 19,9 %, FDP: 3,7 %, FWG: 6,1 %, BSW: 5,9 %, Piraten: 1,6 %, BIG: 1,9 %, Die Linke: 2,3 %

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Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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