Erste Kreistagswahl vor 100 Jahren
Pfälzer auf dem Weg zur Demokratie
Pfalz. 1920 fand die erste Wahl im Kreis Pfalz – seit 1939 Bezirksverband Pfalz – statt, der 1816 gegründet wurde und dessen Selbstverwaltungsgremium, zunächst der Landrath der Pfalz, sich bis dahin aus berufenen, gut betuchten Pfälzern zusammensetzte. Vor 100 Jahren gehörte die Pfalz zu Bayern und war der französischen Besatzungsmacht unterstellt, was separatistische Bestrebungen nicht ändern konnten. Mit dem am 22. Mai 1919 erlassenen Gesetz über die Selbstverwaltung des Freistaats Bayern wurden auch in der Pfalz die Selbstverwaltungsrechte nachhaltig gestärkt und erweitert. Damit war der Kreistag als Nachfolger des Landraths der Pfalz und Vorläufer des heutigen Bezirkstags Pfalz nun demokratisch legitimiert.
Erstmals in der Geschichte des höheren Kommunalverbands wählten die Pfälzer am 18. April 1920 den Kreistag in allgemeiner, gleicher und unmittelbarer Wahl auf fünf Jahre. Zur konstituierenden Sitzung kamen die 30 Mitglieder am 20. Mai 1920 im Speyerer Kreistagssaal zusammen. Unter ihnen befand sich auch eine Frau: Die Landgerichtsdirektorwitwe Marie Fooß aus Bellheim gehörte der Zentrumspartei an. Der Kreistag als Selbstverwaltungskörperschaft kümmerte sich um die Belange der pfälzischen Bevölkerung – gerade in den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg und unter französischer Besatzung.
Bei dieser ersten Kreistagswahl wählten 27,6 Prozent der Pfälzer die nationalliberale Deutsche Volkspartei (DVP), die acht Sitze bekam, 26,8 Prozent die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), diese bekam auch acht Sitze, 26 Prozent die katholisch orientierte Deutsche Zentrumspartei (Zentrum), ebenfalls acht Sitze, 10 Prozent die linke Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USDP), diese bekam drei Sitze, und 9,5 Prozent die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP), die ebenfalls drei Sitze bekam. Zum ersten Vorsitzenden wählten die Kreisvertreter den Pirmasenser Oberbürgermeister Otto Friedrich Strobel von der DVP, der bereits vorher dem Landrath der Pfalz angehörte. Sein Stellvertreter wurde der Neustadter Mediziner Dr. Michael Bayersdörfer vom Zentrum.
Die erste Arbeitssitzung des Kreistags fand gut einen Monat später vom 23. bis 25. Juni in Speyer statt. Neben dem aus sieben Mitgliedern bestehenden Kreisausschuss, der dem heutigen Bezirksausschuss entspricht, bildeten sie weitere Sonderausschüsse, und zwar für Schulwesen, Landwirtschaft und Viehzucht, Industrie, Handel und Gewerbe sowie soziale und sonstige Bevölkerungsfürsorge. Die Kreisvertreter bewilligten die finanzielle Unterstützung von Einrichtungen des Kreistags. Darüber hinaus berieten sie über Hilfsmaßnahmen für die notleidende Bevölkerung, die von Arbeitslosigkeit, Nahrungsmittel- und Brennholzknappheit betroffen war. Doch das Wirken des Kreistags sollte nicht von langer Dauer sein, denn die Nationalsozialisten entmachteten 1933 das Selbstverwaltungsorgan durch Gleichschaltung.
Dank der Bezirksordnung vom 22. November 1949 waren die rechtlichen Grundlagen für das Pfälzer Parlament erneut gelegt. Am 16. Januar 1950 konstituierte sich der Bezirkstag Pfalz, so hieß der Kreistag fortan, in Neustadt an der Weinstraße. Allerdings war dieser „Wiederbelebung des Pfälzer Parlaments“ noch keine Wahl vorausgegangen. Zunächst trafen sich die 35 pfälzischen Landtagsabgeordneten, die vier Parteien angehörten: 15 Mitglieder der SPD, 13 der CDU, vier der FDP und drei der KPD. Franz Bögler (SPD) wählten sie zum Vorsitzenden und Martin Migeot (FDP) zu seinem Stellvertreter. 1951, am 29. April, konnte dann die erste Bezirkstagswahl nach dem Zweiten Weltkrieg stattfinden, womit den Pfälzern ein grundlegendes demokratisches Organ zurückgegeben wurde. ps
Autor:Caroline Trapp aus Ludwigshafen |
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