Vereinbarung von Pflege und Beruf
Rheinland-Pfalz. Berufstätig und ein naher Angehöriger ist auf einmal pflegebedürftig. Was nun? Der Gesetzgeber sieht verschiedene Möglichkeiten vor, um in dieser Situation zu unterstützen. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hat Informationen zusammengestellt.
Das Wichtigste in Kürze:
- Kurzzeitige Arbeitsverhinderung, Pflegezeit, Familienpflegezeit: Für nahe Angehörige gibt es mehrere Möglichkeiten, eine Auszeit zu nehmen, um pflegen zu können.
- Teilweise müssen die schriftlichen Anträge innerhalb bestimmter Fristen gestellt werden.
- Für manche Pflegezeiten gibt es finanzielle Hilfen vom Staat, um Lohneinbußen abzufedern.
- Bis zu 10 Tage: Freistellung durch die kurzzeitige Arbeitsverhinderung
- Spontan können sich Berufstätige bis zu 10 Tage von der Arbeit freistellen lassen, wenn sie Zeit brauchen, eine akut aufgetretene Pflegesituation für ihre nahen Angehörigen neu zu organisieren oder um eine pflegerische Versorgung in diesem Zeitraum sicherzustellen. Das nennt sich kurzzeitige Arbeitsverhinderung.
Eine akute Pflegesituation gemäß Pflegezeitgesetz liegt dann vor, wenn sie plötzlich, also unvermittelt und unerwartet, auftritt. Eine bereits bestehende Pflegebedürftigkeit, die unverändert ist, genügt nicht.
Die Anspruchsvoraussetzungen sind,
- dass eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, die mindestens dem Pflegegrad 1 entspricht (der Pflegegrad muss dabei noch nicht durch den MD ermittelt sein),
- dass eine akute veränderte Pflegesituation vorliegt,
- dass der Antragsstellende ein naher Angehöriger ist.
Als nahe Angehörige einer pflegebedürftigen Person gelten Ehe- und Lebenspartner, Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft, Eltern, Geschwister und Kinder, aber auch Stief-, Schwieger- und Großeltern, Adoptiv-, Pflege-, Schwieger- und Enkelkinder sowie Schwägerinnen und Schwäger.
Seit 1. Januar 2024 kann der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld jährlich genutzt werden, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
Ein typischer Fall wäre, wenn ein Angehöriger einen schweren Schlaganfall hatte und nicht mehr ohne Pflege zu Hause leben kann. Bei einer solch plötzlichen und unerwarteten Pflegebedürftigkeit kann von heute auf morgen bis zu 10 Arbeitstage von der Arbeit ferngeblieben werden, um die Pflege zu organisieren oder in dieser Zeit sicherzustellen.
Die 10 Tage müssen nicht am Stück genommen werden. Es ist auch möglich sich mehrmals wenige Tage frei zunehmen. Außerdem kann der Anspruch auf mehrere Personen aufgeteilt werden. So können sich beispielsweise zwei Geschwister jeweils 5 Tage frei nehmen. Entscheidend ist, dass der Anspruch auf insgesamt 10 Arbeitstage pro zu pflegender Person beschränkt ist.
Wird ein weiterer Angehöriger pflegebedürftig - nach dem Vater beispielsweise auch die Mutter - kann man sich erneut für 10 Tage freistellen lassen.
Ein Recht auf 10 Tage kurzzeitige Arbeitsverhinderung haben alle Arbeitnehmer unabhängig von der Unternehmensgröße. Eine bestimmte Ankündigungsfrist gibt es nicht. Sie ist also "sofort" möglich. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Verhinderungsgrund und die voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Arbeitgeber können eine ärztliche Bescheinigung über die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit des Angehörigen verlangen.
Für Beamte, Soldaten und Richter gelten unterschiedliche Regeln in den einzelnen Bundesländern. Langfristig sollen die Rechte an die Regelungen für Arbeitnehmer angepasst werden.
Eine Lohnfortzahlung während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung gibt es nur, wenn diese ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde. Ansonsten ist für die Zeit der Freistellung von der Arbeit das Pflegeunterstützungsgeld vorgesehen. Diese Leistung beträgt 90 Prozent des ausgefallenen Netto-Entgelts und muss unverzüglich bei der Pflegekasse des pflegebedürftigen Angehörigen beantragt werden. Auch geringfügig entlohnte Beschäftigte können das Pflegeunterstützungsgeld beanspruchen.
Während der kurzzeitigen Arbeitsbefreiung bleiben Arbeitnehmer kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversichert, auch wenn das Arbeitsentgelt nicht weitergezahlt wird.
Mehr Informationen zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung gibt es beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Bis zu 6 Monate: Freistellung oder Teilzeit durch die "Pflegezeit"
Arbeitnehmer können bis zu 6 Monate vollständig oder teilweise aus dem Job aussteigen, um einen pflegebedürftigen Angehörigen mit mindestens Pflegegrad 1 zu Hause zu pflegen. Das nennt sich Pflegezeit.
Nach der Pflegezeit besteht das Anrecht, wieder in Vollzeit in den Job zurückzukehren. Während der Pflegezeit gibt es auf Wunsch finanzielle Unterstützung in Form eines zinslosen Darlehens, um den Lohnausfall abzufedern. Das zinslose Darlehen kann beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Es gelten die gleichen Regeln für Arbeitnehmer, Beamten, Soldaten und Richter.
Wichtige Voraussetzung für ein Anrecht auf Pflegezeit ist, dass der Betrieb noch mindestens 15 weitere Personen beschäftigt. Auch Auszubildende zählen. Wer in einem kleineren Betrieb arbeitet, kann gegebenenfalls auf freiwilliger Basis die Pflegezeit mit dem Arbeitgeber vereinbaren.
Bei Inanspruchnahme der Pflegezeit muss dies dem Arbeitgeber mindestens 10 Tage im Voraus angekündigt werden. Häufig ist es sinnvoll, die kurzzeitige Arbeitsverhinderung zu nutzen und direkt am gleichen Tag ebenfalls die Pflegezeit anzukündigen.
Außerdem sollte bei dem Angehörigen bereits ein Pflegegrad anerkannt worden sein. Ist das nicht der Fall, sollte dies so schnell wie möglich Leistungen der Pflegeversicherung bei der Pflegekasse des Angehörigen beantragt werden. Wenn nachgewiesen wird, dass gegenüber dem Arbeitgeber bereits angekündigt wurde, dass geplant ist Pflegezeit in Anspruch zu nehmen, gilt eine verkürzte Frist zur Begutachtung.
Die Begutachtung muss spätestens am 5. Arbeitstag nach Eingang des Antrages bei der Pflegekasse erfolgen,
- wenn der Angehörige im Krankenhaus oder in einer Reha-Einrichtung ist und
- der Antragstellende als zukünftige Pflegeperson Pflegezeit angekündigt hat.
Oder sie muss spätestens innerhalb von 10 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse erfolgen,
- wenn der Antragsteller zu Hause lebt, ohne palliativ versorgt zu werden und
- die zukünftige Pflegeperson beim Arbeitgeber Pflegezeit angekündigt oder
- Familienpflegezeit vereinbart hat.
Weitere Informationen: Fristen bei der Pflegekasse
Bis zu 3 Monate: Begleitung in der letzten Lebensphase durch eine besondere Form der "Pflegezeit"
Um einen pflegebedürftigen Angehörigen in der letzten Lebensphase zu begleiten, können Angehörige bis zu 3 Monate vollständig oder teilweise aus dem Job aussteigen. Die Begleitung ist auch möglich, wenn der Angehörige in einem Hospiz oder einer anderen Einrichtung versorgt wird. Das Hauptaugenmerk liegt nicht auf der Pflege, sondern darauf, noch ein letztes Mal gemeinsame Zeit zu verbringen. Ein Pflegegrad ist nicht erforderlich, um die Begleitung in Anspruch zu nehmen.
Bis zu 2 Jahre: Teilzeit durch die "Familienpflegezeit"
Wenn 6 Monate Pflegezeit nicht ausreichen, können pflegende Angehörige bis zu 2 Jahre teilweise aus dem Job aussteigen, um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause zu pflegen. Das nennt sich Familienpflegezeit.
Während der Familienpflegezeit muss weiterhin mindestens 15 Stunden in der Woche gearbeitet werden. Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert, der im Jahresmittel erreicht werden muss.
Allerdings haben nur Arbeitnehmer in Unternehmen mit mindestens 26 Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit. In kleineren Betrieben, muss sich auf freiwilliger Basis mit dem Arbeitgeber geeinigt werden. Wenn kein rechtlicher Anspruch auf Familienpflegezeit besteht, sollte sich frühzeitig mit dem Arbeitgeber zusammengesetzt werden und nach einer möglichen Lösung für die Pflege der Angehörigen gesucht werden.
Damit die Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden kann, muss bei dem Angehörigen ein Pflegegrad vorliegen. Wurde noch kein Pflegegrad anerkannt, gelten die gleichen Regeln wie bei der Pflegezeit. es gilt schnellstmöglich einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bei der Pflegekasse des Angehörigen zu stellen.
Wurde die Familienpflegezeit bereits beim Arbeitgeber angekündigt, muss der Medizinische Dienst eine schnellere Entscheidung fällen. Genauso wie bei der Pflegezeit gilt hier die verkürzte Frist zur Begutachtung.
Die Begutachtung muss spätestens am 5. Arbeitstag nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse erfolgen,
- wenn sich der Antragsteller im Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung befindet und
- die zukünftige Pflegeperson beim Arbeitgeber Pflegezeit angekündigt oder Familienpflegezeit vereinbart hat.
Sie muss innerhalb von 10 Arbeitstagen erfolgen,
- wenn der Antragsteller zu Hause lebt, ohne palliativ versorgt zu werden und
- die zukünftige Pflegeperson mit dem Arbeitgeber Familienpflegezeit vereinbart hat.
Die gleichen Anspruchsregeln gelten für Beamte, Richter und Soldaten.
Wurde vor einer Familienpflegezeit bereits eine Pflegezeit in Anspruch genommen, darf die Kombination eine Gesamtdauer von 24 Monaten nicht überschreiten.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend informiert in einem Flyer über die verschiedenen Pflegezeiten. Dort finden sich auch verschiedene Musterbriefe zum Thema. Bei Fragen steht das Pflegetelefon des Ministeriums unter 030 2017-9131zur Verfügung.
Was gilt für die Betreuung minderjähriger, pflegebedürftiger Angehöriger?
Für die Betreuung minderjähriger, pflegebedürftiger Angehörigen, kann ebenfalls Pflegezeit oder Familienpflegezeit genutzt werden. Es besteht sogar dann Anspruch, wenn sich das Kind in einer Einrichtung befindet. Die Freistellung setzt ebenso wie bei erwachsenen Pflegebedürftigen voraus, dass bei dem Kind ein Pflegegrad anerkannt ist.
Welche Förderung während der pflegebedingten Freistellung?
Während der Pflegezeit erhält der Antragssteller vom Arbeitgeber den üblichen Lohn für die geleistete Arbeit, bei der Reduktion der Arbeitszeit, entsprechend ein Teilzeitgehalt, bei einer kompletten Freistellung, nichts. Um den Lohnausfall abzufedern, besteht in beiden Fällen ein Recht auf ein zinsloses Darlehen vom Staat.
Die Höhe richtet sich nach der Höhe des ausfallenden Lohnes. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und deckt bis zur Hälfte des entgangenen Nettogehalts. Sobald wieder voll gearbeitet wird, wird in Raten in gleicher Höhe zurückgezahlt. Nötig ist dafür ein Antrag beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).
Fristen im Überblick
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung:
- Dauer 10 Tage
- keine Ankündigungsfrist
- Pflegeunterstützungsgeld jährlich möglich
Pflegezeit:
- Dauer bis zu 6 Monate
- Ankündigungsfrist 10 Tage
- keine Lohnersatzleistung, aber Darlehen möglich
Familienpflegezeit:
- Dauer bis zu 2 Jahre
- Ankündigungsfrist 8 Wochen.
- wenn bereits Pflegezeit in Anspruch genommen wurde, beträgt die Ankündigungsfrist 12 Wochen
- keine Lohnersatzleistung, aber Darlehen möglich
Bei Pflegezeit und Familienpflegezeit muss mit der Ankündigung außerdem erklärt werden,
- für welchen Zeitraum die Pflegezeit / Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden soll
- um wie viele Stunden die Arbeitszeit reduziert werden soll. Dabei muss auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angegeben werden.
Was muss bei Versicherungen beachtet werden, wenn Angehörige gepflegt werden?
Bei Inanspruchnahme der genannten Pflegezeiten, muss sich über die individuelle soziale Absicherung informiert werden. Nicht in allen Fällen bleibt der Versicherungsschutz für Kranken- und Pflegeversicherung über den Arbeitgeber bestehen.
Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung besteht eine Absicherung, wenn diese vertraglich vereinbart ist. Darüber hinaus bleiben Beschäftigte auch bei Bezug von Pflegeunterstützungsgeld kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversichert: Die Pflegekasse zieht die Beitragsanteile vor der Auszahlung des Pflegeunterstützungsgeldes ab und überweist sie zusammen mit den Beitragsanteilen, die sie für den Arbeitgeber übernimmt.
Während der Pflege- und Familienpflegezeit sowie der Sterbebegleitung hängt der Versicherungsstatus davon ab, wie viel Geld noch verdient wird. Bei einem Verdienst von mehr als 520 Euro pro Monat, ist man in der Regel automatisch pflichtversichert in Kranken-, Pflege- und Rentenkasse und man muss sich um nichts kümmern. Bei einem geringeren Verdienst von weniger als 520 Euro pro Monat, kann sich, wenn möglich, über die gesetzliche Familienversicherung des Partners mitversichert werden. Dafür ist in der Regel nur ein Anruf bei der Krankenkasse des Partners nötig. Alleinstehende oder in einer Partnerschaft von Privatversicherten muss Sie sich hingegen während der Pflege-und Familienpflegezeit freiwillig versichert werden. Alle nötigen Unterlagen erhält man von der jeweiligen Krankenkasse.
Sollten Sie sich nicht über den Partner absichern, sondern sich freiwillig versichern müssen, können Sie Zuschüsse erhalten. Diese müssen Sie bei der Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen beantragen. Das ist für gesetzlich und privat Versicherte möglich.
Unabhängig vom Verdienst sind Sie als pflegender Angehöriger, der eine Pflegezeit in Anspruch nimmt, automatisch gesetzlich unfallversichert. Die Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen muss Sie bei der zuständigen Unfallkasse anmelden und Beiträge zahlen.
Damit sich die Zeiten der Pflege nicht negativ auf Ihre Rentenhöhe auswirken, können Extra-Rentenpunkte gesammelt werden. Damit keine Ansprüche entgehen, muss bei der Pflegekasse des Angehörigen angefragt werden, welche Unterlagen eingereicht werden müssen, um zusätzliche Rentenpunkte zu erhalten.
Pflegegrad: Diese Leistungen gibt es für die Pflege zu Hause
Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen finden sich in dem unübersichtlichen Angebot von Leistungen für die ambulante Pflege nur schwer zurecht. Hier ein umfassender Überblick mit der Möglichkeit sich für eine Leistung oder eine Kombination von Leistungen zu entscheiden. red
Autor:Kristin Hätterich aus Mannheim |
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