Konjunktur-Umfrage der IHK
Langsame Erholung
Ludwigshafen/Rheinland-Pfalz. Nach der aktuellen Konjunkturumfrage der rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) zieht die Stimmung der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz zum Herbst wieder spürbar an. Im Frühsommer war sie durch die Corona-Pandemie deutlich eingebrochen. Basierend auf Antworten von 1.155 Unternehmen mit rund 189.000 Beschäftigten klettert der IHK Konjunkturklimaindikator, der Lage und Erwartungen der rheinland-pfälzischen Unternehmen in einem Wert zusammenfasst, von 77 Punkten auf 99 Punkte. Damit liegt der IHK-Konjunkturklimaindikator knapp unter der neutralen Grenze von 100 Punkten, der Schwelle zwischen positiver und negativer Gesamtstimmung.
Auf Erholungskurs
Die Bewertung der aktuellen wirtschaftlichen Situation zeigt mit einem Saldenwert von vier Prozentpunkten (Frühjahr 2020: minus zwölf Prozentpunkte), dass sich die rheinland-pfälzische Wirtschaft auf Erholungskurs befindet. Diese Aussage wird durch Einschätzungen zu den Geschäftserwartungen zwar gestützt. Sie haben sich gegenüber der Umfrage im Frühsommer 2020 maßgeblich verbessert (Herbst 2020: minus sechs Prozentpunkte; Frühsommer 2020: minus 32 Prozentpunkte). Derzeit rechnet jedes fünfte Unternehmen mit einer weiteren Belebung der Geschäftsstätigkeit, fast jedes vierte Unternehmen stellt sich hingegen auf eine schwächere Entwicklung ein. Ein negativer Saldenwert bei den Geschäftserwartungen steht üblicherweise für eine stimmungsmäßig noch überwiegende pessimistische Einschätzung der Geschäftsentwicklung in den nächsten zwölf Monaten.
„Die rheinland-pfälzische Wirtschaft hat sich aus dem Corona-Tief erfreulicherweise schon ein starkes Stück herausgearbeitet, aber wir sind noch nicht im sicheren konjunkturellen Fahrwasser", sagt der Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz und Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz Arne Rössel. Zudem habe sich die rheinland-pfälzische Wirtschaft im Gegensatz zu anderen Bundesländern schon in einer seit Anfang 2019 andauernden Rezession befunden.
Erholung auf ganzer Breite
Die Erholung zeigt sich in der gesamten Breite der Wirtschaft. Dabei geht die Industrie, als Taktgeber der rheinland-pfälzischen Wirtschaft, voran. Mit 105 Punkten (Frühsommer 2020: 81 Punkte) liegt der IHK Konjunkturklimaindikator leicht im expansiven Bereich. Das Baugewerbe, welches der Krise am besten Stand halten konnte, erreicht sogar 110 Punkte (Frühsommer 2020: 105 Punkte). Das Dienstleistungsgewerbe und der Handel folgen mit 96 Punkten (Frühsommer 2020: 79 Punkte) respektive 89 Punkten (Frühsommer 2020: 67 Punkte).
„Diese ersten Erholungszeichen können jedoch nicht verdecken, dass die Corona-Krise die Unternehmen weiterhin vor beispiellose Herausforderungen stellt“, sagt Rössel. Der Handel und das Dienstleistungsgewerbe sähen sich einem eingeschränkten und verändertem Konsumverhalten ausgesetzt. Aber auch die exportlastige Industrie in Rheinland-Pfalz sei mit dem Einbruch in den Auslandsmärkten stark betroffen. Laut Konjunkturumfrage gehen lediglich 13 Prozent der Industrieunternehmen von einer Belebung des Auslandsgeschäfts aus, während 30 Prozent mit einer Abnahme der Exporte rechnen.
Knapp 80 Prozent wollen Beschäftigte halten
Hinsichtlich der Beschäftigungsbereitschaft beabsichtigen 79 Prozent der Unternehmen ihren Personalbestand mindestens konstant zu halten, während 21 Prozent einen Personalabbau in den kommenden zwölf Monaten in Betracht ziehen. Der massive Einsatz von Kurzarbeit stütze derzeit den Arbeitsmarkt. "Hier machen sich bei den Unternehmen die ersten Sorgen breit, dass mit dem Ende der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht und dem zeitlich begrenzten Einsatz der Kurzarbeit harte Zeiten auf den Arbeitsmarkt zurollen,“ mahnt Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der IHK Rheinhessen.
Auch wenn sich die Investitionsabsichten im Vergleich zur Vorumfrage verbessert haben, liegen sie weiterhin im negativen Bereich (Herbst 2020: -14 Prozentpunkte; Frühsommer 2020: 25 Prozentpunkte). Insbesondere die Investitionsgüterindustrie, die von dem konjunkturellen Einbruch stark betroffen war, weist eine erhebliche Investitionsschwäche auf. Lediglich 17 Prozent der Investitionsgüterproduzenten möchten ihr investives Engagement ausweiten, während 56 Prozent einen Abbau des betriebsinternen Investitionsbudgets planen. „Die durch die Krise angeschlagenen Unternehmensbilanzen, das Risiko einer zweiten Infektionswelle im In- und Ausland sowie die weitreichenden politischen Risiken, wie beispielsweise der ungeordnete Brexit und die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen, beeinträchtigen dabei die Investitionsbereitschaft der Unternehmen“, erklärt Jertz.
Corona-Pandemie bleibt größte Sorge
Laut Umfrage bleibt die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie die vorherrschende Sorge der rheinland-pfälzischen Unternehmen. Diese benennen 74 Prozent der Unternehmen als größtes Risiko. Auch der Inlandsabsatz, der während des „Lockdowns“ teilweise massiv eingebrochen ist, rangiert für die Unternehmen branchenübergreifend weiterhin unter den Top-Risiken (51 Prozent).
Fast jedes zweite Unternehmen in Rheinland-Pfalz erwartet erst im Verlauf des Jahres 2021, darüber hinaus oder sogar überhaupt keine Rückkehr zum Vorkrisenniveau. „Es gilt, in die Wettbewerbsfähigkeit von Rheinland-Pfalz zu investieren und die Wachstumskräfte unserer Wirtschaft zu stärken" empfiehlt Jertz. Das zweite Corona-Positionspapier der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz formuliert dafür konkrete wirtschaftspolitische Empfehlungen. Dazu zählen vor allen Dingen ein Belastungsmoratorium bei Steuer- und Abgabenerhöhungen sowie bei neuen Bürokratielasten bis Ende 2021 und ein Mobilitäts-Investitionsprogramm. "Der geplante Digitalisierungsbonus und eine stärkere Förderung von Gründungskultur weisen in die richtige Richtung“, so Jertz. rk/ps
Autor:Roland Kohls aus Ludwigshafen |
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